Pläne sind zum Ändern da. Dorina Kasten

Pläne sind zum Ändern da - Dorina Kasten


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erreicht hatte, kam Ralf ihr entgegen, nahm die Körbe und trug sie zur Tür wie ein Diener.

      Nora war sprachlos. So viel Aufmerksamkeit hätte sie sich von ihm gewünscht, wenn sie mit vollen Einkaufskisten nach Hause kam. Aber sie wollte nicht ungerecht sein. Die Patienten gingen natürlich vor. Eine Stunde später stand der Jeep der Hundemutter nach wie vor auf dem Parkplatz. Was machte die so lange in der Praxis? Frau Keipke war längst gegangen und die Sprechstunde offiziell schon vorbei.

      Endlich sah Nora sie wegfahren.

      Ralf kam zur Tür herein. Inzwischen war es Nachmittag. Sie hatte also noch Zeit zu kochen, damit es dann mit dem geplanten Candle-Light-Dinner klappte. Sie ging auf ihn zu und schlang die Arme um seinen Hals.

      „Lass mal, mein Shirt ist schmutzig.“ Er trat einen Schritt zurück.

      Sie ließ die Arme sinken.

      „Ich fahre noch zu ein paar Patienten und bin heute Abend wieder da. Kann später werden.“ Damit drehte er sich um und ging zur Tür. Er kam noch einmal zurück, nahm sich einen Apfel aus der Obstschale und biss kräftig hinein.

      Leicht panisch rief Nora ihm nach: „Du weißt aber schon, was für ein Tag heute ist?“

      „Sonnabend!“ Damit fiel die Tür ins Schloss.

      Nora blieb ratlos stehen. „Na gut“, sprach sie laut zu sich selbst, „warten wir es ab!“

      Sie ging zum Kühlschrank und holte das Kasseler, das sie beim Metzger gekauft hatte, heraus. Sie bestreute das Fleisch mit Pfeffer, gab etwas Öl in die Pfanne und legte den Braten hinein. Dann schob sie die Bratpfanne in den Backofen und stellte die Temperatur ein. Mechanisch schälte sie Kartoffeln, kochte Rotkohl und Schokoladenpudding. Mit den Gedanken war sie woanders. Was war los mit Ralf? Warum wich er ihr aus? Oder bildete sie sich das alles nur ein? Heute Abend, nach dem Essen, würde sie mit ihm reden. Natürlich musste sie das geschickt anstellen, nicht mit der Tür ins Haus fallen. Immerhin war es ihr Hochzeitstag, und der Abend sollte doch harmonisch verlaufen. Sie würde über die geplante Reise mit ihm sprechen. Langsam mussten sie auch den Flug buchen.

      Inzwischen war der Braten fast gar. Jetzt konnte sie noch die Soße zubereiten und alles warm stellen. Dann war Zeit für ein Bad. Und nun kam die wichtigste Frage: Was sollte sie anziehen? Sie besaß nur ein schwarzes Kleid. Glücklicherweise passte es noch. Darunter trug sie die Spitzenunterwäsche, die sie am Freitag erstanden hatte. Nun hieß es warten. Gegen Mitternacht löschte sie die Kerzen und stellte das Essen in den Kühlschrank. Den restlichen Wein kippte sie weg. Sie wollte Ralf nicht hinterhertelefonieren, wählte schließlich aber doch seine Nummer. Mailbox.

      Kurze Zeit später rief er zurück. „Was ist denn?“

      „Wo bleibst du? Ich warte seit Stunden auf dich!“

      „Du, ich mach hier ‘nen Kaiserschnitt, geht grad nich‘.“ Er legte auf.

      Sie setzte sich ins dunkle Wohnzimmer. Eine halbe Stunde später klappte die Autotür. Sie hörte, wie er in den Keller ging.

      Er kam mit einer Flasche Bier herein, die er im Stehen austrank. „Zehn Welpen, meine Güte. War das ein Tag! Wie siehst du eigentlich aus? Warst du weg? Ich geh duschen. Nacht.“

      9

      Nora stand früh auf und kochte Kaffee. Sie konnte sowieso nicht mehr schlafen. Als das Frühstück fertig war, erschien Ralf in der Küche. Er setzte sich im Schlafanzug an den Tisch und langte zu. „Ich bin vielleicht fertig! Und heute wieder Bereitschaftsdienst. Na ja, was soll‘s, hilft ja nix. Kannst du die Pferde nachher rauslassen? Ich muss wahrscheinlich noch mal weg. Was machst du heute?“

      „Schön, dass du dich dafür interessierst, was ich mache“, sagte sie spitz. „Weißt du eigentlich, dass gestern unser Hochzeitstag war?“ Sie hatte beschlossen, die Flucht nach vorn anzutreten. „Ich hatte gekocht und den ganzen Abend auf dich gewartet.“

      „Echt? Den hab ich glatt vergessen. Hatte einfach zu viel zu tun. Das musst du doch verstehen. So kurz, bevor ich hier alles aufgebe, liegt eben noch viel an.“ Er köpfte ein Ei, streute reichlich Salz drauf und löffelte es aus.

      „Das muss ich schon seit Jahren verstehen, Ralf. Aber wenigstens unseren Hochzeitstag hast du kaum je vergessen.“

      Natürlich ging er nicht weiter darauf ein, sondern sagte stattdessen: „Brandner hat sich auch noch nicht wieder gemeldet. Ich hoffe, dass er noch zu seinem Wort steht.“ Olaf Brandner war der potenzielle Käufer von Ralfs Praxis. Er wollte ihn, wenn Nora und Ralf auf Weltreise waren, vertreten und danach die Praxis kaufen. Eigentlich hatte er auch fest zugesagt, sich aber schon länger nicht mehr gemeldet. Im schlimmsten Fall musste Ralf nach ihrer Rückkehr weiterarbeiten, bis er einen neuen Käufer gefunden hatte.

      „Ruf ihn doch an, dann weißt du es genau. Langsam sollte das wenigstens mit der Vertretung klar sein, oder? Wenn wir Mitte Oktober loswollen, wäre es schön, wenn er ein paar Tage eher kommen würde. So könntest du ihn noch etwas begleiten und ihm alles zeigen. Oder was meinst du? Hast du dich denn schon mal um die Flüge gekümmert? Oder wollen wir erst, wenn wir bei Bea sind, alles Weitere planen?“ Nora schluckte den letzten Bissen des Brötchens herunter und stellte ihren Teller beiseite. „Mir wäre es jedenfalls lieber, wenn die nächsten Stationen unserer Reise bald feststehen würden. Schon allein wegen der Sachen, die ich mitnehmen muss. Von Island nach Amerika und dann nach Australien, das war doch schon klar, oder? Und bleibt es dabei, dass wir da ein Wohnmobil mieten? Dann könnte ich ja schon mal nach Anbietern schauen.“

      Ralf hatte sie die ganze Zeit angesehen und mehrmals zu einer Antwort angesetzt. Er goss sich noch Kaffee ein und trank einen Schluck. Den Löffel ließ er in der Tasse. Diese Angewohnheit hatte er von jeher. Nora dachte jedes Mal, er würde sich damit ins Auge pieken. „Mach es doch nicht so kompliziert, Nora. Es ist erst Mai. Wenn wir die Flüge im Juli buchen, reicht das ewig noch. Dann planen wir eben mal nicht alles vorher ganz genau. Meinetwegen guck nach Wohnmobilen! Wenn Brandner nicht kommt, können wir das sowieso vergessen.“

      „Was? In dem Fall musst du eine neue Vertretung finden! Schließlich war das doch alles deine Idee. Oder hat sich an deinem Plan mit der Weltreise was geändert? In ein paar Wochen unterschreibe ich den Vertrag für meine Freistellung, und meine Stelle wird befristet ausgeschrieben. Dann kann ich erst nächstes Jahr im Mai wieder zurück.“

      „Wir werden sehen. Ich rufe ihn mal an.“ Wahrscheinlich hatte er recht. Bei Nora musste stets alles nach Plan laufen. Dabei sagte ihre Mutter immer: „Wer einmal plant, muss meistens zweimal planen.“ Und so war es ja auch oft. Ralf war im Gegensatz zu ihr ein spontaner Mensch. Wenn sie allein daran dachte, wie er seine Autos kaufte! Während sie noch über die Farbe grübelte, saß er schon beim Verkäufer und unterschrieb den Vertrag. Auch als sie das Haus ausgesucht hatten, war es ähnlich gelaufen. Er hatte es einmal von außen gesehen und die Zusage gemacht. Allerdings musste sie zugeben, dass er seine spontanen Entscheidungen nur selten zu bereuen brauchte.

      Sie schaute ihn an. Auch nach dreißig Jahren fand sie ihn attraktiv. Der Drei-Tage-Bart stand ihm. Auch wenn er etwas dicker war als früher, hatte er seine breiten Schultern behalten. „Tierarzt zu sein, erspart das Fitnessstudio“, pflegte er zu sagen. Seinen Kopf rasierte er schon seit Jahren kahl, sodass man nicht genau gemerkt hatte, seit wann er wirklich kaum noch Haare hatte. „Aber zum Schluss hängen wir noch einen Badeurlaub dran, irgendwo da, wo es nicht so überlaufen ist, ja?“ Sie blickte träumerisch aus dem Fenster und sah, wie die Sonne sich langsam hinter den Wolken hervorquälte. Sie musste gähnen. Es war eigentlich viel zu früh am Sonntag. Ob sie noch mal ins Bett schlüpfen sollte? Vielleicht kam Ralf ja mit? Früher hatten sie das öfter getan – nach dem Frühstück ins Bett. Glücklicherweise hatte sie die neue Spitzenunterwäsche wieder an. Sie stand auf und ging um den Tisch herum auf ihn zu.

      Sein Handy klingelte. Ein paar Sekunden später war er aus der Tür.

      Nora zuckte mit den Schultern. Ja, was sollte sie heute machen? Eigentlich gab es nur eins, das gegen jeglichen Frust half, das ihr alle Traurigkeit nahm und alle Probleme


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