Beutewelt VII: Weltenbrand. Alexander Merow
ich nur einer wäre …“, kam zurück.
„Er redet den ganzen Tag davon, dass du diesen Krieg gewinnen wirst. Manchmal geht er mir damit richtig auf die Nerven. Dann schreie ich ihn an, dass er endlich den Mund halten soll.“
„Ich werde hier gar nichts mehr gewinnen. Welchen Einfluss habe ich noch auf Atombomben oder diesen ganzen Irrsinn insgesamt? Ich bin auch nur ein Blatt in einem immer größer werdenden Sturm, der die ganze Welt erfasst, Julia.“
„Du musst in erster Linie überleben, Frank. Das ist das einzig Wichtige – nur überleben! Pass ja auf dich auf, gehe kein Risiko ein, verstanden?“
„Ja, ich versuche jeden Tag aufs Neue, nicht drauf zu gehen. Und ich werde auch meine Männer nicht sinnlos in den Tod schicken, denn sie wollen eines Tages auch ihre Frauen und Kinder wiedersehen. Aber was kann ich schon tun? Es gerät alles immer mehr außer Kontrolle. Da hilft auch der tolle „Achilles von Weißrussland“ nichts mehr, der kann nämlich keine verdammten Atomraketen auffangen oder die Weltkugel anhalten“, murmelte Kohlhaas resignierend.
„Ich will auch keinen Achilles, sondern dich, meinen geliebten Frank“, erwiderte Julia.
„Ich weiß! Und ich bin es auch leid, diese Rolle immer noch spielen zu müssen …“
„Es waren wieder einige Berichte und Reportagen über dich im russischen Fernsehen. Tschistokjows Propaganda erwähnt dich ständig als leuchtendes Beispiel des Heldentums, um die Moral der Soldaten zu stärken“, bemerkte Wildens Tochter.
Frank lächelte gequält. „Dieses ganze Gequatsche kenne ich zur Genüge. Mir wird schlecht, wenn ich es höre. Ich habe manchmal Angst, dass ich irgendwann den Verstand verliere und mir einfach eine Kugel durch den Kopf jage, auf dass ich endlich Frieden finde. Ihr seid der einzige Grund, warum ich das noch nicht getan habe.“
„Das wirst du auf keinen Fall tun!“, herrschte ihn Julia wütend an. Frank schreckte vor ihrer schrillen, lauten Stimme zurück.
„Nein, das werde ich auch nicht“, sagte er. „Vielleicht tut es ja dafür bald ein anderer oder die knallen uns noch ein Bömbchen auf den Kopf.“
„Hör jetzt auf damit, Frank! So einen Unsinn will ich nicht hören! Dieser elende Krieg verlangt auch mir alles ab. Ich kann seit Wochen nicht mehr richtig schlafen und es wird immer schlimmer. Wir können nur siegen – es gibt keinen anderen Ausweg!“, antwortete Julia.
„Jetzt fängst du auch noch damit an“, brummte Kohlhaas.
„Wir müssen durchhalten und wir werden siegen! Glaube an Artur Tschistokjow und die Kraft unserer Armee! Wir sind das Licht! Gott ist auf unserer Seite!“, predigte die junge Frau, wobei sie sich regelrecht fanatisch anhörte.
„Wenn du das sagst, Hasi …“, antwortete Frank und musste plötzlich schmunzeln.
„Ich weiß, dass ich wie die übliche Kriegspropaganda klinge, aber das ist eben so. Du musst durchhalten und die Nerven behalten, Frank! Kein Zurückweichen! Durchhalten bis zu unserem Sieg!“, rief Julia mit bebender Stimme.
„Warum musste ich mich ausgerechnet in die Tochter von Thorsten Wilden verlieben?“, sagte der General, um dann leise zu lachen.
„Eine bessere Wahl hättest du gar nicht treffen können! Jetzt hast du sogar eine persönliche Motivationstrainerin, Schnucki!“, erwiderte Julia.
Die 12 Weisen des obersten Rates der internationalen Bruderschaft hatten sich heute auf einem Landgut, fernab von neugierigen Blicken und jeder Zivilisation, an der amerikanischen Ostküste getroffen, um das weitere Vorgehen in diesem Krieg zu besprechen. Artur Tschistokjows atomarer Gegenangriff und die vollständige Zerstörung Londons, eines ihrer ältesten und wichtigsten Zentren, hatte die hohen Herren nachhaltiger schockiert als sie es sich gegenseitig eingestehen wollten. Der überraschende Atomschlag gegen die ehemalige Hauptstadt Englands hatte Tausenden der ihren den Tod gebracht und von einem der wichtigsten Knotenpunkte der Organisation nur noch eine verstrahlte Ruinenlandschaft übrig gelassen. Der Weltpräsident, wie auch der Vorsitzende des Rates, schwankten noch immer zwischen rasender Wut und einer sich langsam ausbreitenden Unsicherheit.
„Er zögert nicht, genauso rücksichtslos wie wir selbst zuzuschlagen! Das wissen wir jetzt! Folglich wird das ein Kampf bis aufs Messer werden!“, grollte das Oberhaupt des Weltverbundes, seine Mitbrüder mit finsterem Blick anstarrend.
„Das ist wohl wahr. Auch der Atombombenangriff auf Berlin hat diesen Hund nicht gestoppt. Zudem hat er uns mit der Zerstörung Londons gewaltigen Schaden zugefügt. Wir haben ein paar wichtige Zentren auf der Welt, die wir keinesfalls verlieren dürfen – London war eines davon!“, sagte der Vorsitzende des Rates.
„Einige Mitglieder meiner Sippe sind tot! Das hat dieser Bastard nicht umsonst getan! Wir müssen uns rächen! Diesmal mit einem Vernichtungsschlag, der ganz Russland in ein brennendes Gräberfeld verwandelt!“, schrie der Weltpräsident und hämmerte mit der Faust auf den Konferenztisch.
„Schon gut!“, herrschte ihn der oberste Weise an, wobei er keine Miene verzog. „Wir müssen uns den nächsten Schritt in Ruhe überlegen, damit wir keine Fehler machen. Außerdem wissen wir nicht, wie stark Tschistokjows Atommacht wirklich ist. Er weiß, wo unsere wichtigsten Stützpunkte sind und wird diese als nächstes mit seinen Atomraketen vernichten, wenn wir ihn erneut angreifen.“
Einige der Anwesenden redeten laut durcheinander, während der Weltpräsident einen regelrechten Wutanfall bekam. Zornig rannte er durch den Raum und fauchte: „Wir haben wesentlich mehr Atombomben als Tschistokjow und Matsumoto zusammen! Ich verlange einen nuklearen Rachefeldzug gegen diese Hurensöhne! Das vergossene Blut der Unseren muss mit einem noch viel größeren Blutbad vergolten werden! Auge um Auge! Zahn um Zahn! Worauf warten wir noch?“
Der Vorsitzende des Rates der 13 winkte ab. Dann stand er von seinem Platz auf. Er breitete die Arme aus, um mit ruhiger Stimme zu bemerken: „Die Zerstörung Londons hat auch mich erschüttert, aber das darf uns nicht zu unüberlegten Kurzschlussreaktionen verleiten. Wir wissen allerdings jetzt, dass unsere Feinde ebenfalls zu allem entschlossen sind. Trotzdem werden wir sie auf Dauer auch mit konventionellen Mitteln in die Knie zwingen können.
Einen flächendeckenden Großangriff mit Atomwaffen halte ich derzeit für übertrieben und unklug. Außerdem können wir die Stärke des Gegenschlages nach wie vor nicht genau einschätzen.“
„Sollen wir etwa zögerlich reagieren?“, wetterte der Weltpräsident und war noch immer außer sich vor Wut.
„Nein, wir reagieren niemals zögerlich, Bruder! Wir reagieren lediglich schlau – ganz wie es unsere Art ist. Die Rache wird noch folgen und sie wird unvorstellbar grausam sein. Aber ich befehle hiermit, dass wir zunächst abwarten und unsere Nuklearwaffen in der Hinterhand behalten. Die Zeit ist noch nicht reif für einen ausgewachsenen Atomkrieg. Außerdem sind unsere Zentren auch nicht unverwundbar. Deshalb werden wir so vorgehen, wie wir es zu Beginn dieses Krieges beschlossen haben. Wo wir Tschistokjow und Matsumoto mit konventionellen Mitteln aufhalten können, werden wir keine Atomwaffen einsetzen. Um unser selbst willen.“
Der Weltpräsident stieß ein lautes Schnaufen aus, fluchte und ließ sich schließlich wieder auf seinem Platz nieder. Einige der anderen Ratsmitglieder wollten sich noch zu Wort melden, doch der oberste Weise befahl ihnen zu schweigen.
Letztendlich konnte sich das Oberhaupt des Weltverbundes jedoch nicht zurückhalten und schnaubte: „Wollen wir jetzt etwa anfangen, Rücksicht auf die armen, armen Menschen zu nehmen?“
Der Vorsitzende des Rates kniff die Augen verärgert zusammen; drohend hob er den Zeigefinger und maßregelte seinen Stellvertreter. „Nein, natürlich nicht. Eine kluge Taktik führt aber zum Ziel, nicht geistlose Raserei. Wenn wir die Knochen unserer Feinde gebrochen haben und sie am Boden liegen, dann werden wir ihnen einen langsamen, qualvollen Tod bereiten.“
Es war in den letzten Wochen, von ein paar Scharmützeln abgesehen, recht ruhig geblieben. Die Volkarmee der Rus und die Warägergarde hatten sich im Osten Deutschlands auf breiter