Beutewelt VII: Weltenbrand. Alexander Merow

Beutewelt VII: Weltenbrand - Alexander Merow


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nach und massakrierten so viele, wie sie erwischen konnten.

      Ein feindlicher Panzervorstoß konnte wenig später noch einmal vom Abwehrfeuer der Plasmawaffen zurückgeschlagen werden. Dennoch dauerte die Schlacht noch mehrere Stunden, was nichts daran änderte, dass der feindliche Großangriff auf Riesa am Ende fehlgeschlagen war.

      Auch die anderen Stadtteile hatten erfolgreich verteidigt werden können, wenn auch unter großen Verlusten. Nun jedoch waren die Rus am Zug und unternahmen in der folgenden Nacht selbst eine Gegenoffensive. Nach weiteren heftigen Kämpfen musste sich die GCF schließlich einige Kilometer nach Westen zurückziehen, um erst einmal auf Verstärkung zu warten.

      General Kohlhaas und seine Männer jubelten. Doch die Freude über diesen im Grunde unbedeutenden Sieg währte nicht lange, denn das Oberkommando gab den Befehl, so schnell wie möglich nach Leipzig vorzurücken. Dort bahnte sich ein Volksaufstand an.

      Der Anführer der Freiheitsbewegung lief aufgeregt durch sein grell erleuchtetes Büro im untersten Geschoss des Atombunkers. Diesmal war nur Außenminister Wilden bei ihm. Der Deutsche hörte den endlosen Vorträgen des russischen Staatsoberhauptes bereits seit Stunden zu. Was er ansonsten selbst gerne in aller Ausgiebigkeit praktizierte, nämlich seinen Mitmenschen die Welt zu erklären, übernahm heute Artur Tschistokjow.

      „Bevor sich unsere Feinde der Menschheit offen als Tyrannen gezeigt haben, vertraten sie zum Schein die genau gegenteiligen Thesen, um die Völker der Erde zu verwirren. Sie waren immer die Ersten, die nach „Freiheit“, „Gleichheit“, „Demokratie“ und so weiter geschrieen haben. Und während sie ihre Heucheleien hinausposaunten, haben sie sich neben dem Finanzwesen vor allem auch die Medien unter den Nagel gerissen. Wie töricht und naiv waren unsere Vorfahren, dass sie so etwas zuließen.

      Nach außen hin redeten die Logenbrüder von einer angeblich „freien Presse“, doch kontrollierten sie die Macht der Medien im Hintergrund mit aller Entschlossenheit. Es kam der Tag, da waren die großen Zeitungen und Fernsehsender allesamt in ihrer Gewalt.

      Die alten Staaten gaben die Medien, als wichtigste Instrumente der Massenbeeinflussung, in ihrer Dummheit aus den Händen. Schließlich gehörten sie irgendwann ihren Feinden, dienten ihren Plänen, säten Zweitracht unter den Völkern und manipulierten die Massen so, wie es die Logenbrüder für nötig erachteten.

      Wir aber sind von Anfang an ehrlich gewesen! In den von uns beherrschten Gebieten dient jede Zeitung und jeder Fernseh- oder Radiosender unserem Kampf! Sie sind Eigentum unseres Staates, predigen nur und ohne Ausnahme unsere Weltanschauung! Wir haben sie dem Feind aus den Klauen gerissen, der sie als Werkzeuge der Geistesvergiftung für seine Zwecke missbraucht hat. Nun gehören sie uns und sind unsere Waffen in diesem Glaubensweltkrieg.

      Alle unsere Medien haben nur ein Ziel, auch wenn sie von der Art und Weise, wie sie es tun, manchmal unterschiedlich vorgehen: Sie impfen das geistige Gegengift in den Kopf unseres Volkes! Nie wieder werden wir sie aus den Händen geben! Sie sind die Artillerie des gesprochenen und geschriebenen Wortes, die an vorderster Front mithilft, den Weltfeind zu vernichten!“

      Wilden schmunzelte, denn diese Dinge wusste er selbst nur zu gut. „Alles andere wäre dumm und hätte uns schon längst das Genick gebrochen.“

      Artur Tschistokjow wechselte ins Deutsche und erwiderte: „Daran es gibt keine Zweifel, mein Freund. Eine andere Form von Widerstand, als wie wir ihn machen, ist einfach gar nicht möglich, verstehst du? Dafür der Feind ist viel zu gefährlich und hat zu großen Macht. Wir mussten eine Bewegung machen, die aufgebaut ist wie ein Armee.“

      „Heute wirkst du jedenfalls etwas entspannter als in den letzten Tagen, Artur. Das freut mich“, bemerkte Wilden.

      Der blonde Russe versuchte zu lächeln. Er nickte, um sich dann auf den Stuhl hinter seinem Schreibtisch zu setzen.

      „Den ganzen Tag ich mache nichts anderes als nur auf die Karte der Welt schauen. Kämpfen hier und überall. Es ist eine Qual für meine Nerven“, gestand Tschistokjow.

      „Es ist für uns alle ein Graus!“, antwortete der grauhaarige Deutsche und stieß einen leisen Seufzer aus.

      „Graus? Was ist das?“, wunderte sich Tschistokjow.

      „So etwas wie „Qual“. Es ist schrecklich“, erklärte Wilden schmunzelnd.

      Der Anführer der Rus sank hinter dem Schreibtisch zusammen und sagte für einen Moment nichts. Schließlich nahm er eine Flasche Limonade in die Hand und füllte sein Glas.

      „Ich will eigentlich seit Jahren wieder anfangen, mein Deutsch zu verbessern, aber mir fehlt einfach die Zeit. Ich lese kaum noch ein Buch und gönne mir überhaupt nichts mehr. Ich habe einfach für nichts mehr Zeit – und schon gar nicht für eine Frau oder gar eine Familie. Es ist ein trostloses Leben“, murmelte Tschistokjow auf Russisch, Wilden traurig ansehend.

      „Die großen Werke der Weltliteratur können wir erst wieder genießen, wenn dieser Krieg vorbei ist. Vorher werden wir kaum eine Stunde Zeit für etwas Schönes haben“, meinte der Außenminister.

      „Dieser Krieg! Wann wird er enden, Thorsten? Mir kommt es jetzt schon so vor, als würden wir ihn seit tausend Jahren führen. Ich kenne nur noch Wut, Hass und Rache. Hier unten mutiere ich zu einer tragischen Gestalt, zu einem Gespenst in den dunklen Gängen dieses verfluchten Atombunkers. Manchmal sehe ich mich im Spiegel an und frage mich, was aus Artur Tschistokjow, dem ehemals guten Menschen, inzwischen geworden ist.“

      „Wir werden das schon überstehen“, versuchte Wilden seinen Gefährten zu beruhigen.

      „Das Einzige, was mir noch Freude bereitet, sind die kleinen Gespräche, die wir beide führen. Mit dir kann ich offen sprechen, die anderen verstehen mich doch gar nicht. Jetzt, wo Peter tot ist, habe ich nur noch dich zum reden. Millionen Menschen befolgen meine Befehle, schauen zu mir auf, vergöttern und umgarnen mich – und doch bin ich immer allein“, sagte Tschistokjow.

      „Es werden schon noch schönere Zeiten kommen“, antwortete Wilden nur, denn etwas Besseres fiel ihm in diesem Moment nicht ein.

      Inzwischen befanden sich Frank und seine Waräger an einer anderen Front, diesmal kurz vor der sächsischen Stadt Leipzig. Es war wie immer: Vorrücken, eingraben, warten und am Ende angreifen.

      Müde hockte Kohlhaas in einer Ecke seines Unterstandes, mit dem Rücken an einer großen Munitionskiste gelehnt. Er hatte die Augen geschlossen, versuchte an nichts zu denken. In einigen Tagen, vielleicht schon morgen, würden sie Leipzig angreifen. Erneut kämpfen, töten, fallen. Es war eine ermüdende Endlosschleife und Frank wurde bewusst, dass er Situationen wie diese schon unzählige Mal erlebt hatte. Die Stunden vor dem Beginn einer Offensive waren immer die schlimmsten.

      Plötzlich schob jemand die feldgraue Plane, die den Eingang des Unterstandes verdeckte, langsam zur Seite und kam in die halbdunkle Höhle hinein. Es war ein Offizier der Warägergarde.

      „Herr General, verzeihen Sie die Störung, aber ich sollte Sie doch immer auf dem Laufenden halten, was der Junge macht“, sagte der Russe.

      „Wovon sprechen Sie?“, brummte Frank.

      „Von Pjotr Balkov!“, antwortete der Offizier kleinlaut.

      Kohlhaas stand auf und ging einige Schritte auf ihn zu. „Balkov? Was ist mit ihm?“

      „Sie haben mich einmal gebeten, dass ich Sie immer informieren soll, was er macht, Herr General.“

      „Was macht er denn? Ich habe seit Wochen nichts mehr von ihm gehört. An welcher Front ist er denn jetzt?“, bohrte Frank nach. Langsam wurde er ungeduldig.

      „An keiner Front … ich meine …“

      „Drücken Sie sich klar aus!“, murrte Frank.

      „Der Junge ist leider verstoben. Es ist inzwischen offiziell. Er ist beim Atombombenabwurf auf Berlin getötet worden“, erklärte der Russe und überreichte Frank eine endlos erscheinende Liste mit Namen von Gefallenen.

      Frank zuckte zusammen, er nahm den dicken Stapel Papiere entgegen.


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