Die Forsyte-Saga. John Galsworthy

Die Forsyte-Saga - John Galsworthy


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haben mochte. Es war hart für einen Mann, der so arbeitete wie er, um Geld für sie zu verdienen – und dazu noch mit diesem Weh im Herzen – wenn sie dasaß und aussah – aussah, als beengten die Wände des Zimmers sie. Es konnte einen Mann vom Tisch vertreiben.

      Das rosig gedämpfte Licht der Lampe fiel auf ihren Hals und ihre Arme – Soames sah sie bei Tisch gern im ausgeschnittenen Kleide, es gab ihm ein Gefühl von Überlegenheit über die Mehrzahl seiner Bekannten, deren Frauen sich mit ihren besten hohen Kleidern oder ›Teagowns‹ begnügten, wenn sie zu Hause speisten. Unter dem rosigen Licht bildeten ihr bernsteinfarbenes Haar und die helle Haut einen seltsamen Kontrast zu ihren dunkelbraunen Augen.

      Konnte man etwas Hübscheres haben als diesen Speisetisch mit seinen tiefen Farben, den leuchtenden zartblättrigen Rosen, dem rubinfarbenen Glas und dem wunderbar feinen Silberzeug; konnte man etwas Reizenderes haben als diese Frau, die daran saß. Dankbarkeit war jedoch keine Forsytesche Tugend, denn, mit ihrem gesunden Menschenverstand und nur auf Gewinn bedacht, hatten sie keine Verwendung dafür; und Soames empfand nur ein Gefühl der Erbitterung, das sich bis zum Schmerz steigerte, weil er sie nicht besaß, wie es sein Recht war sie zu besitzen, daß er seine Hand nicht ausstrecken konnte wie nach jener Rose, sie nicht pflücken und die tiefsten Heimlichkeiten ihres Herzens ausspüren konnte.

      All sein sonstiges Besitztum, alles was er gesammelt hatte, sein Silber, seine Bilder, seine Häuser, seine Gelder, gaben ihm ein geheimes vertrautes Gefühl, nur sie gab ihm keines.

      Es stand auf jeder Wand dieses Hauses geschrieben. Seine geschäftsmäßige Natur wehrte sich gegen die geheime Mahnung, daß sie nicht für ihn geschaffen sei. Er hatte diese Frau geheiratet, hatte sie erobert, sie zu seinem Eigentum gemacht, und es schien ihm dem wesentlichsten aller Rechte, dem Besitzrecht zu widersprechen, daß er nichts als ihren Körper sein eigen nennen sollte – wenn das überhaupt der Fall war; er fing fast an daran zu zweifeln. Hätte ihn jemand gefragt, ob er ihre Seele besitzen wolle, wäre die Frage ihm so lächerlich wie sentimental vorgekommen. Aber er wollte es, und die Schrift an den Wänden sagte ihm, daß es ihm nie gelingen würde.

      Sie war stets schweigsam, passiv, sanft abweisend, als fürchtete sie durch ein Wort, eine Bewegung oder ein Zeichen den Glauben in ihm zu erwecken, daß sie ihn liebte; und er fragte sich: Wird es niemals anders werden?

      Wie bei den meisten Romanlesern seiner Generation (und Soames war ein großer Freund von Romanen), waren seine Lebensanschauungen von der Literatur beeinflußt, und er wiegte sich in dem Glauben, daß es nur eine Frage der Zeit sei. Zuletzt gewann der Mann doch immer die Liebe seiner Frau. Selbst in Fällen – er liebte derartige Bücher nicht sehr – die tragisch endeten, starb die Frau immer mit Worten bitterer Reue auf den Lippen, oder wenn der Mann starb – ein unangenehmer Gedanke – warf sie sich in der Pein ihrer Gewissensqualen über ihn.

      Er ging oft mit Irene ins Theater und wählte instinktiv moderne Gesellschaftsstücke mit modernen Eheproblemen, die glücklicherweise von den Eheproblemen im wirklichen Leben so verschieden waren. Er fand, daß sie ebenfalls immer in der gleichen Weise endeten, selbst wenn ein Liebhaber mit im Spiele war. Solange er dem Stück zuschaute, sympathisierte Soames mit dem Liebhaber; aber noch ehe er auf der Heimfahrt in der Droschke mit Irene zu Haus anlangte, sah er ein, daß es keinen Sinn hatte und war froh, daß das Stück geendet hatte, wie er es gesehen. Es war damals gerade eine neue Art von Ehemännern in Aufnahme gekommen, der starke, ziemlich rohe, aber außerordentlich gesunde Mann, der am Ende des Stückes so merkwürdigen Erfolg hatte. Für diesen empfand Soames durchaus keine Sympathie, und wäre er nicht um seine eigene Stellung besorgt gewesen, so hätte er seinem Abscheu gegen den Burschen Ausdruck gegeben. Aber er war sich so wohl bewußt, wie wesentlich die Notwendigkeit für ihn war, ein glücklicher und selbst ein ›starker‹ Ehemann zu sein, daß er niemals von seinem Widerwillen sprach, der vielleicht infolge von wunderlichen Naturprozessen aus einem geheimen Fond von Brutalität in ihm selbst entstanden war.

      Allein die Schweigsamkeit Irenens an diesem Abend war außergewöhnlich. Er hatte noch nie einen solchen Ausdruck in ihrem Gesicht gesehen. Und da Ungewohntes immer beunruhigt, war Soames beunruhigt. Er aß seinen Nachtisch und trieb das Mädchen an, als es die Krumen mit der silbernen Tischbürste abfegte. Als es das Zimmer verlassen hatte, füllte er sein Glas mit Wein und sagte:

      »War heute Nachmittag irgend jemand hier?«

      »June.«

      »Was wollte denn die?« Es war ein Axiom bei den Forsytes, daß man nirgendwohin ging, ohne etwas zu wollen. »Wollte sich wohl über ihren Bräutigam aussprechen?«

      Irene erwiderte nichts.

      »Es sieht mir so aus,« fuhr Soames fort, »als wäre sie verliebter in ihn als er in sie. Sie läuft ihm überall nach.«

      Irenens Blicke gaben ihm ein unbehagliches Gefühl.

      »Es kommt dir nicht zu, so etwas zu sagen!« rief sie aus.

      »Warum nicht? Jeder kann es sehen.«

      »Keiner kann das. Und wenn man es könnte, ist es unerhört, es zu sagen.«

      Soames verlor seine Fassung.

      »Du bist mir eine nette Frau!« sagte er. Aber im geheimen wunderte er sich über ihre hitzige Antwort, das sah ihr gar nicht ähnlich. »Du bist ganz übertrieben mit June. Eines kann ich dir sagen, jetzt, wo sie den Bukanier am Bändel hat, macht sie sich keinen Pfifferling aus dir, du wirst schon noch dahinter kommen. Aber du wirst sie künftig nicht mehr so häufig sehen, wir ziehen aufs Land.«

      Es war ihm lieb, seine Eröffnung unter dem Deckmantel dieser gereizten Auseinandersetzung machen zu können. Er hatte einen Ausruf des Entsetzens erwartet, und das Schweigen, mit dem diese Mitteilung entgegengenommen wurde, beunruhigte ihn.

      »Es scheint dich nicht zu interessieren,« sah er sich genötigt hinzuzufügen.

      »Ich wußte es bereits.«

      Er sah sie scharf an.

      »Wer sagte es dir?«

      »June.«

      »Woher wußte sie es?«

      Irene antwortete nicht. Enttäuscht und verstimmt sagte er:

      »Es ist eine gute Sache für Bosinney; er wird sein Glück dabei machen. Sie hat dir wohl alles darüber erzählt?«

      »Ja.«

      Es entstand abermals eine Pause, dann sagte Soames:

      »Du tust es wohl nicht gern?«

      Irene gab keine Antwort.

      »Ja, ich weiß nicht, was du willst. Du scheinst hier nie zufrieden.«

      »Kommen meine Wünsche dabei irgendwie in Betracht?«

      Sie nahm die Vase mit den Rosen und verließ das Zimmer. Soames blieb sitzen. Hatte er dazu den Kontrakt unterzeichnet? Sollte er dafür an zehntausend Pfund ausgeben? Bosinneys Ausspruch: »Frauen sind des Teufels«, fiel ihm wieder ein.

      Aber bald beruhigte er sich. Es hätte schlimmer kommen können. Sie hätte aufbrausen können. Er hatte etwas mehr erwartet als dies. Ein glücklicher Zufall immerhin, daß June das Eis für ihn gebrochen hatte. Sie hatte es wohl aus Bosinney herausgelockt; das hätte er sich doch denken können.

      Er zündete sich eine Zigarette an.

      Schließlich hatte Irene doch keine Szene gemacht! Sie würde nachgeben – das war das Beste an ihr; sie war zwar kalt, aber nicht trotzig. Er paffte einen Marienkäfer auf dem blanken Tisch an und versank in Nachdenken über sein Haus. Es hatte keinen Zweck sich zu ärgern; er wollte sofort zu ihr und alles wieder gut machen. Sie saß wahrscheinlich im Dunkeln draußen unter dem japanischen Sonnenschirm und strickte. Die Nacht war warm und schön ...

      Wirklich war June am Nachmittag mit leuchtenden Augen gekommen und hatte gesagt: »Soames ist ein guter Kerl! Eine famose Sache für Phil – genau, was er braucht!«

      Da Irenens Gesicht verständnislos und verblüfft blieb, fuhr sie fort:

      »Euer


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