Träume - Spiegel der Seele, Krankheiten - Signale der Seele. Reinhold Ruthe
von ihrem Partner getrennt. Ihre Verlusterlebnisse waren begleitet von schweren Depressionen.
Die Ärztin beobachtete, dass die schlechte Gemütsverfassung einen großen Einfluss auf den Traumschlaf hatte. Die REM-Phasen waren länger, häufiger und ungewöhnlich intensiv. Sie beobachtete regelrechte »Stürme von Augenbewegungen«. Die Träume waren heftig, schrecklich und auch dramatisch.
Eine andere Gruppe in ähnlicher Lebenssituation (Scheidung und Trennung) schlief und träumte normal. Am Ende der Therapien stellte sich heraus:
Die Patienten mit den veränderten REM-Phasen und den schrecklichen Träumen waren über Depression und Scheidung besser hinweggekommen als die Patientengruppe mit den normalen Träumen;
die Patienten mit den bedrückenden Träumen hatten eine positive Lebenseinstellung gewonnen, die andere Gruppe zeigte geringere Heilungsanzeichen;
die Patienten mit den schweren Traumbelästigungen hatten zum Teil sogar neue Partner gefunden.
Deutlich wird:
Träume sind heilsam,
sie sind lebensnotwendig,
sie dienen der Verarbeitung schwerer seelischer Probleme.
Die Psychiaterin warnt davor, die REM-Schlaf-Aktivität durch Beruhigungsmittel zu bremsen. Sie ist fest davon überzeugt, dass diese das Leiden der Patienten nur verlängern würden.
Träume stellen Empfindungen bildlich dar
Empfindungen lassen sich nicht leicht und direkt bildlich wiedergeben:
Es gibt kein Bild für die Angst an sich,
es gibt kein Bild für die Liebe an sich,
es gibt kein Bild für den Hass an sich.
Aber der Handlungsakt, der für Empfindungen kennzeichnend ist, lässt sich darstellen. Emotionen können in Handlungen charakterisiert werden. Angst kann sich äußern im Weglaufen, nicht von der Stelle kommen, einen Verfolger im Nacken haben. Schuldgefühle kommen zur »Sprache«, wenn ein Mensch, ein Kind im Traum bestraft wird und diese Strafe als gerecht empfindet.
Hass offenbart sich in Handlungen, die zerstören, verletzen und verstoßen:
Eine Frau träumt, dass sie ihren Lieblingshund an der Autobahn aussetzt und in rasanter Fahrt davonfährt. Die leidenden Augen des Hundes verfolgen sie. Im Rückspiegel erkennt sie das Gesicht des Hundes, der ihr nachjagt. Sie fährt schneller und schneller, aber sie kann den Hund nicht abschütteln. Am eindrücklichsten sind ihr die Augen des Hundes. Mit einem zwiespältigen Gefühl wacht sie auf.
Im Gespräch wird ihr bewusst: Sie liebt und hasst. Der Hass hat die Oberhand gewonnen. Sie erkennt in dem Hund ihren Mann. Er hat sie zwei Jahre mit ihrer besten Freundin betrogen. Sie will ihn loswerden. Aber er will trotz Ehebruchs an ihr festhalten. Der Traum komprimiert die Gefühle der Frau. Sie muss sich losreißen, aber der Hund klebt ihr im Nacken. Sie will den Mann bestrafen; gleichzeitig sieht sie das leidende Gesicht im Rückspiegel. Die Zweifel, Schuldgefühle und Fragen der Frau, die der Traum auf den Punkt gebracht hat, können im Beratungsgespräch abgeklärt werden.
Will sie, dass der Ehemann ihr nachrennt?
Wünscht sie sich, gebraucht zu werden?
Sind es Wunschvorstellungen, oder
spiegelt der Traum die Realität ihrer Beziehung wider?
Der Traum bringt unsere tiefsten Empfindungen bildhaft zur Sprache.
Der vernachlässigte Traum
Obwohl Träume für die seelische Gesundheit eine so große Rolle spielen, wurden sie in der Theologie lange Zeit nicht ernst genommen. Zum ganzen Menschen, zum ganzheitlichen Denken sowie zur ganzheitlichen Medizin gehört aber ein ganzheitlicher Realismus. Wer den Menschen aufspaltet und Teile seines Lebens ausblendet, kritisiert den Schöpfer, der diese wunderbare Ganzheit geschaffen hat.
Dieser Versuchung ist die Kirche in ihrer Geschichte immer wieder erlegen. Der Körper wurde nur als Hülle für die kostbare Seele gesehen. Er hatte für das Glaubensleben keine Bedeutung. Im Mittelpunkt des christlichen Glaubens stand die Seele: »Rette deine Seele!« Dass die Seele nahtlos mit dem Körper verbunden ist, wurde übersehen.
Heute entdeckt die Kirche wieder den Satz aus dem Neuen Testament: »Der Leib (ist) ein Tempel des heiligen Geistes« (l. Korinther 6,19).
Die Sexualität wurde jahrhundertelang tabuisiert oder als notwendiges Übel in Kauf genommen. Dass Ehe, Liebe und das Fortbestehen der Menschheit ohne Sexualität nicht möglich und denkbar sind, wurde zwar theoretisch akzeptiert, theologisch jedoch nie wirklich ernst genommen. »Auf der Kanzel haben sexuelle Themen nichts zu suchen!« sagte man.
Dass in der Eheseelsorge sexuelle Konflikte ohne Sachkenntnisse behandelt wurden, zeigt wiederum, wie gläubige Menschen Gottes wunderbare Schöpfung missverstehen können. Es leuchtet ein, dass die Sexualität auf dem beschriebenen Hintergrund nicht als ein schöpferisches Kleinod, sondern als Nebensächlichkeit eingestuft wurde.
Dem Traum geht es bis heute nicht anders. Die Floskel »Träume sind Schäume« hat sich tief auch im Bewusstsein der Christen eingenistet. Dass Gott den Menschen über Träume etwas mitteilen kann, wird häufig theologisch bestritten, obschon es nicht einen einzigen stichhaltigen biblischen Hinweis gibt, der dieses Argument erhärten könnte. Der Theologe Werner Jentsch bestätigt, dass Träume im Alten und Neuen Testament eine wichtige Rolle gespielt haben und bis heute als Werkzeug Gottes dienen können.
»Wann und wo es Jahwe gefällt, macht er Träume gleichsam zu Gefäßen seiner Gnade, zu Wegen für sein Wirken. An solche Träumer, die Geistträger sind, denkt der Prophet Joel, wenn er für das Ende der Tage die Ausgießung des Geistes auf charismatische Personen ankündigt: Das prophetische Charisma ist dann kein Monopol der Propheten mehr, sondern erstreckt sich auf das ganze ›Gottesvolk‹: ›Eure Greise (werden) Träume träumen, eure Jünglinge Gesichte schauen‹, Joel 3,1fr. Mit dem Stichwort ›Geist‹ schlägt sich von selbst die Brücke zum Neuen Testament.«2
Damit ist gesagt:
Der Traum kann zum Gefäß der Gnade Gottes werden;
Gott kann den Traum als einen Weg seines Wirkens benutzen;
mit der Ausgießung des Heiligen Geistes im Neuen Testament sind die Mitteilungen Gottes in Traumbotschaften nicht beendet;
am Ende der Tage werden mit der Ausgießung des Geistes Gottes bei Jung und Alt auch Träume verbunden sein. Der Prophet Joel macht ausdrücklich darauf aufmerksam.
KAPITEL 2
Die Symbol- und Bildersprache des Traumes
Bilder und Symbole sind komprimierte Vorstellungen von Welt, Menschen und Situationen, wie wir sie im Traum erleben und einschätzen. Wir müssen die Symbol- und Bildersprache verstehen. Dafür hat es nicht viel Sinn, in einem Lexikon die Bedeutung der Begriffe nachzuschlagen. Die Deutungen können ausnahmsweise stimmen. In der Regel findet jeder Träumer
seine Sprache,
seine Bilder,
seine Symbole, die ihm wichtig sind.
Wir sind einmalige Menschen und werden in der Regel unseren einmaligen Ausdruck für Dinge finden, die uns bewegen. Probleme, Ängste, Schuld, Versagen und Krisensituationen werden von jedem Menschen anders erlebt und mit unterschiedlichen Empfindungen wahrgenommen. Entsprechend sind auch die Bilder und Symbole von Mensch zu Mensch verschieden. Die meisten