Träume - Spiegel der Seele, Krankheiten - Signale der Seele. Reinhold Ruthe

Träume - Spiegel der Seele, Krankheiten - Signale der Seele - Reinhold Ruthe


Скачать книгу
Symbole.

      In der Regel sind die Bilder für den Menschen, der sie träumt, stimmig. Der Träumer hat seine Gedanken und Vorstellungen auf den Punkt gebracht. Präzise beschreiben die Bilder die Gefühlslage und die Stimmung:

      »Es ist Winter.«

      »Ich sehe vor mir eine Wüste.«

      »Ich bewege mich in einem bunten Garten.«

      »Mich verfolgt ein großes Raubtier.«

      »Ich sitze in einem fensterlosen Raum.«

      »An der Decke kriechen Spinnen auf mich zu.«

      »Ein bissiger Hund bellt mich an.«

      »Um mich herum Wasser und kein Ufer.«

      »Ich werde unter Wasser gedrückt.«

      Die Bilder fangen atmosphärisch die seelische Verfassung des Träumers ein. Ängste und Gefahren werden in konkrete Bilder verdichtet. Für den einen sind Hunde die treuesten Begleiter des Menschen, für einen anderen sind Hunde böse Individuen. Wir formulieren nicht umsonst »du Hund«. Der eine erlebt Wasser als sein Element, für einen anderen ist Wasser gefährlich und bedrohlich. In den Bildern, Metaphern und Symbolen spiegeln wir unsere konkreten Ängste, aber auch positiven Gefühle und Vorstellungen wider. In den Träumen bringen wir Konfliktherde zur Sprache, die in uns lebendig sind und die bewältigt werden müssen.

      In den Träumen sprechen stärker Herz und Gefühl als Verstand. Gefühle aber sind schwer mit der Logik des Kopfes einzufangen. Gefühle stellen wir in Bildern, Farben und Gleichnissen dar. So verwandeln sich Menschen in Tiere und Gefahren, sie begegnen uns in Raubtieren. Der Mensch kann fliegen, wird tödlich getroffen und lebt weiter. Wenn das Herz verwirrt ist, dann ist der Traum auch verwirrend. Die Kunst des Traumes besteht also darin,

       Verzweiflung oder Freude,

       Stille oder Aufregung,

       Vorahnungen oder Hoffnung,

       Resignation oder Zuversicht,

       Entmutigung oder Mut

      in Bilder zu fassen, die prägnant die Lebensgrundauffassung dieses Menschen in dieser Zeit spiegeln.

      Ein Träumer ist darum ein Maler und Dichter. Aber wir haben verlernt, die Sprache der Gefühle zu entziffern. Von klein auf wurden wir dazu erzogen, unseren Kopf zu benutzen, alles rational und sachlich zu erklären. Wir sind kopflastig geworden. Herz und Gefühl sind auf der Strecke geblieben. Da jeder Mensch seinen Malstil hat, müssen Seelsorger und Berater diesen persönlichen Stil mit dem Ratsuchenden zu entziffern suchen.

      Selbstverständlich gibt es Symbole, die in allen Kulturen, in der Vergangenheit und Gegenwart gleich sind. Es sind Symbole, die uns auch in Märchen und Sagen der Völker begegnen. Sie haben einen ähnlichen Aussagewert, und doch

       jeder Mensch geht anders mit diesen Symbolen um;

       jeder Mensch trägt andere Erwartungen, Befürchtungen und Deutungen an dieses Symbol heran;

       jeder Mensch spricht im Traum ein unverwechselbares Thema an, das Ähnlichkeiten mit vielen Menschen auf der Welt aufweist und doch originär diesen Menschen beschäftigt.

      Hüten wir uns darum, in der therapeutischen Seelsorge

       Ratsuchenden eine Lexikondeutung überzustülpen,

       Ratsuchenden unsere Interpretation einzureden,

       Ratsuchenden unsere Erfahrungen mit bestimmten Symbolen anzubieten.

      Der Träumer selbst hat alle Bilder gestaltet, hat seine Symbole seinem Lebensstil entsprechend gewählt. Nur er allein kann uns Auskunft geben, wie er seine Bilder versteht.

      In der Seelsorge oder Beratung helfen wir ihm, die Bilder,

       die beglücken oder bedrücken,

       die ihm Mut machen oder Angst einjagen,

       in denen er Lösungen anbietet oder vor denen er kapituliert,

      segensreich zu verarbeiten.

      Ein Beispiel mag verdeutlichen, wie irreführend Bilder sind, wenn sie angeblich nur auf eine bestimmte Art gedeutet werden können.

      Ich denke an das Bild der Treppe. Türme und Treppen, die bestiegen werden können, stellen in der psychoanalytischen Literatur ein sexuelles Symbol dar. Ein Tier besteigt ein anderes. Besteigt ein Mensch den anderen? Ist in unseren Köpfen und Herzen dieser Gedanke beheimatet?

      Patricia Garfield, eine amerikanische Traumforscherin, charakterisiert in einem Traumbuch die Treppe folgendermaßen:

      »Das Ersteigen einer Treppe ist oft ein Symbol für Sexualverkehr, und zwar in Träumen von Männern und Frauen, weil das träumende Gehirn die rhythmischen Vorwärts- und Rückwärtsbewegungen des Koitus mit den Bewegungen des Steigens assoziiert.«1

      Vorstellen können wir uns, dass unter vielen Treppen-Träumen auch einer die Treppe als sexuelles Symbol enthält. Andere Vorstellungen sind im Allgemeinen viel eher nachvollziehbar. Denn wir sagen:

       Jemand ist die Treppe hinaufgefallen;

       jemand ist die Treppe hinuntergefallen;

       jemand kämpft darum, einmal auf dem »berühmten Treppchen« als Schönheitskönigin, Spitzensportler und Sieger eines Wettlaufes zu stehen;

       jemand befindet sich auf der Treppe des Erfolges.

      Für die praktische Traumarbeit ist auch im Hinblick auf dieses Symbol zu fragen:

       Was will dieser Ratsuchende mit diesem Bild konkret ausdrücken?

       Spiegelt die Treppe Ehrgeiz und Geltungsstreben wider?

       Spiegelt die Treppe Versagen oder Misserfolg wider?

       Wie wird die Treppe im Traum erlebt?

       Fühlt sich jemand auf der Treppe gehetzt?

       Was zieht ihn womöglich?

       Erreicht der Träumer auf der Treppe sein Ziel? Stößt er auf Widerstände? Auf welche?

      Die Deutung der Traumsymbolik hat in der psychoanalytischen Literatur merkwürdige Blüten getrieben. Entsprechend dem Konzept der Freud’schen Libido-Theorie erstreckt sich die Erklärung von Traumsymbolen in erster Linie auf sexuelle Inhalte. Besonders ein Mitarbeiter Freuds, Wilhelm Stekel, trieb dies auf die Spitze. So kam es, dass in jedem länglichen Gegenstand,

       vor allem in Stöcken und Schirmen,

       in Stängeln und Bäumen,

       in Bleistiften und Säbeln,

       in Flinten und Revolvern,

       in Dolchen und Säbeln

      männliche Sexualorgane gewittert wurden.

      Sigmund Freud hat diesem Deutungswirrwarr selbst Vorschub geleistet, wenn er beispielsweise schrieb:

      »Kästen, Schränke, Öfen entsprechen dem Frauenleib, aber auch Höhlen, Schiffe und alle Arten von Gefäßen.

       Zimmer im Traum sind zumeist Frauenzimmer, die Schilderung ihrer verschiedenen Eingänge und Ausgänge macht an dieser Auslegung gerade


Скачать книгу