Psychophysiologie (1899). John M Littlejohn

Psychophysiologie (1899) - John M Littlejohn


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III: Der Geist als die Einheit in den mentalen Phänomenen und psychischen Korrelationen

       Fußnoten

       –

       eine Kurzbiografie

      Ein glänzender Intellekt

      John Martin Littlejohn wurde am 15. 02. 1866 in Glasgow als Pfarrerssohn geboren. Er war ein hochintelligenter und wissbegieriger aber auch kränklicher junger Mann. Trotz bitterster Armut war das Elternhaus vom geisteswissenschaftlichem Studium erfüllt, und so begann seine sprachwissenschaftliche Ausbildung bereits mit 16 Jahren an der Akademie Colraine in Nordirland. Nach dem Studium der Theologie an der Universität in Glasgow ging er 1886 als Pfarrer nach Nordirland, um schon bald darauf wieder nach Glasgow zurückzukehren. Dort erwarb er mehrere Abschlüsse und Auszeichnungen in Jura, Theologie, Medizin, Philosophie und Soziologie und hielt 1886/​87 seine ersten Vorlesungen.

      AUSZUG AUS DER FAMILIENBIBEL DER LITTLEJOHNS (1865)

      Hier ist das Geburtsjahr Littlejohns auf 1865 datiert. Laut Martin Collins, einem der renommiertesten Littlejohn-Kenner, dürfte es sich aber hier um einen Fehler in der Bibel handeln, da mehrere Originaldokumente jener Zeit das Geburtsjahr auf 1866 festlegen.

      Das raue Klima und seine Konstitution hatten ihn zu einem ebenso introvertierten wie brillanten und vielseitig gebildeten Analytiker geformt. Nach einem Unfall in der Universität, bei der er sich eine Schädelfraktur zugezogen hatte, litt Littlejohn an mehrfach täglich rezidivierenden Blutungen im Hals, die ihn zum Klimawechsel zwangen. Eine große Universitätskarriere fand damit ihr jähes Ende.

      Amerika

      1892 siedelte er mit seinen Brüdern James und William nach Amerika über und setzte seine Studien an der Columbia University in New York fort. Aufgrund seiner hervorragenden Leistungen übernahm er schon bald die Leitung des Amity College in College Springs, Iowa. Seine Beschwerden besserten sich allerdings nicht und so kam es 1895 in Kirksville zur schicksalhaften Begegnung mit Dr. Still. Bereits wenige Behandlungen führten zur deutlichen Linderung. Da Still dringend qualifizierte Lehrer an seiner 1892 gegründeten American School of Osteopathy benötigte, bot er Littlejohn einen Posten in seiner Fakultät an. Tief beeindruckt von Stills Naturkonzept der Osteopathie willigte er ein, begann 1898 seine Arbeit, schrieb sich im gleichen Jahr später als Student ein und wurde bereits 1899 zum Präsident der Schule gewählt.

      Innerhalb der Fakultät gab es jedoch schon bald einen tiefen Konflikt: Stills Anhängern galt der anatomische Zugang zur Osteopathie als heilig (lesionists). Littlejohn und seinen Brüdern schien dies zu einfach; sie betrachteten die komplexere Physiologie als Kern der Osteopathie und befürworteten auch Therapien, die den osteopathsichen Prinzipien und den Prinzipien der Natur entsprachen (broadists). Aber es ging auch um einen zeitlosen Konflikt: Die analytisch orientierten Akademiker in der Fakultät standen den der Intuition vertrauenden Nichtakademikern gegenüber. Nach massiven Intrigen entschlossen sich die Littlejohn-Brüder schließlich Kirksville bereits 1900 wieder zu verlassen, um in Chicago das Chicago College (School) of Osteopathy zu gründen. Die Einrichtung entwickelte sich rasch zum Wissenschaftszentrum der Osteopathie.

      Man vermutet, dass der inzwischen verheiratete Littlejohn mit seinem feinen Gespür für politische Entwicklungen die verheerenden Folgen des von der American Medical Association initiierten Flexner-Reports zur Eradikation der immer stärker werdenden Osteopathie, Chiropraktik und Homöopathie, voraussah und daher möglicherweise sein weiteres Glück in England vorzog. Auch der schwindende Einfluss in seiner eigenen Schule mag dazu beigetragen haben.

      England

      1913 zog die inzwischen achtköpfige Familie Littlejohn nach Bagger Hall nahe London und John Martin begann noch während der Kriegsjahre mit Krankenhausarbeit und ›Unterweisungen‹. 1917 gründete er die British School of Osteopathy in London und mit dem Journal of Osteopathy legte er endgültig das osteopathische Fundament Europas. Aber auch in England hatte er sich schon bald den Angriffen der British Osteopathic Association und der British Medical Association zu erwehren. Ähnlich den Folgen des Flexner-Reports führte eine Kampagne der BMA 1935 zum ›Paliamentary Bill‹. Der Osteopathie wurde die Anerkennung verweigert und Littlejohn zu Unrecht als unehrenhaft bezeichnet. Der Zweite Weltkrieg tat sein übriges und die BSO schrumpfte schon bald auf eine kleine Klinik zusammen. Schließlich verstarb der neben Still wohl wichtigste Vertreter der Osteopathie 1947 in Bagger Hall.

      (Dr. Martin Pöttner)

      Die Vorlesung von John Martin Littlejohn zum Thema »Psychologie oder Psychophysiologie« führte das Thema Psychologie in die medizinische Ausbildung der American School of Osteopathy ein. Dies geschah 1899 mit Andrew Taylor Stills Zustimmung. Die grundlegend »ganzheitliche« Auffassung der Osteopathie erforderte dringend eine Auseinandersetzung mit diesem Thema, damit die Studierenden für ihre Praxis hinreichend vorbereitet waren. Es musste ja klar werden, wie bestimmte Still’sche Standpunkte, etwa die medikamentenfreie Medizin und die Interaktion von Körper, Seele (Geist) und Verstand, wissenschaftlich und philosophisch zu begründen sind – was ja auch Stills geäußerte Absicht war. Littlejohn versucht entsprechend in seiner Vorlesung darzulegen, warum der osteopathische Ansatz im allgemeinen Kontext des wissenschaftlichen und philosophischen Denkens sinnvoll ist. Dazu gehört eine gründliche anatomische, physiologische, psychologische und ansatzweise metaphysisch-philosophische Auslegung des Verhältnisses von Körper und Geist. Dieses Verhältnis ist für das eigentliche medizinische Problem, nämlich den Gegensatz von Krankheit und Gesundheit, ausschlaggebend.

      »Genau das macht die Psychologie im medizinischen Bereich so wertvoll. In der Vergangenheit haben Physiologie und Medizin unterstellt, der Körper sei etwas ganz Anderes als der Geist. Und auch die Psychologie vertrat diese Anschauung. Moderne Psychologie und Physiologie betrachten den Menschen dagegen als Einheit von Geist und Körper. Der Körper gilt als Instrument und Medium der mentalen Offenbarung1, sodass eine der Grundbedingungen für Gesundheit in einem Geist und einem Bewusstsein besteht, die den Körperzustand bestimmen. Der Körper ist zwar eine Maschine, jedoch keine die, einmal aufgezogen, über Jahre hinweg gänzlich unter äußerem Einfluss funktionieren kann. Seine Formung und Gestaltung geschehen vielmehr von innen. Mentale Funktion ist die Basis jeder physischen Funktion. Hinter den physischen Vorgängen Verdauung, Atmung und Blutkreislauf gibt es einen mentalen Zustand, der den Körperzustand bestimmt. Es ist eine bekannte Tatsache, dass die Zivilisation Krankheit und Körperschwäche Vorschub leistet, weil mit ihr eine mentale Erregung einhergeht, die der körperlichen Gesundheit nicht förderlich ist. Sie bringt eine stärkere mentale Anstrengung und einen größeren Selbstbehauptungskampf mit sich, die dazu führen, dass die normale Entwicklung von Geist und Körper vernachlässigt wird. Daraus resultieren zahllose gestörte Zustände und Krankheiten. Wir stimmen nicht den Ruf an: Zurück zum Leben der Wilden! Doch wir sagen: Zurück zu dem Zustand, der eine niedrigere Ebene repräsentiert – nämlich: die Abwesenheit mental störender Zustände, die körperliche Wracks erzeugen, neuronale Verwirrung verstärken und Krankheit oder Tod bewirken. Indem wir das osteopathische Prinzip anerkennen, dass Medikamente unnatürlich und alle Heilmittel der Natur im menschlichen System gespeichert sind, haben wir das psychische Gesetz der Vorherrschaft des Geistes. Und will man es zum Beseitigen jener krankhaften Zustände anwenden, muss im Innern begonnen werden. Die Anpassung muss durch den Geist geschehen und der mentale Zustand muss zunächst an die Körperzustände vollkommener Gesundheit angepasst werden. Da gibt es nur ein Rezept: Pflege und ständige Aufrechterhaltung des mentalen Gleichgewichts.«

      Damit formuliert Littlejohn nicht nur den Kontext seiner Vorlesung genau,


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