Das Wiedersehen. Adrian Plass

Das Wiedersehen - Adrian Plass


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nicht aufgewacht. Ich habe geträumt, dass ich schlafe. Dann habe ich geträumt, dass ich aufgewacht bin. Lieber Gott! Ich dachte, ich wäre wach, aber ich bin in einem Albtraum. Und jetzt werde ich von diesem Albtraum vorwärts getrieben. Ich habe keine Wahl mehr, ob ich dieses fremde Zimmer weiter durchqueren oder in das Bett zurückkehren werde, das ich in meiner Naivität für mein eigenes hielt. Ich muss diese Tür aufmachen und mich dem, was immer dahinter sein mag, stellen. Das ist meine unausweichliche Aufgabe. Tränen steigen in mir auf, wenn ich daran denke, was für ein kreischender Abgrund des Wahnsinns wohl auf der anderen Seite warten mag, und ich bin zu Recht wie versteinert. Die Logik des Albtraums ist ebenso eng verschränkt wie die Logik der Tagwelt, aber das eine ist vom anderen so weit entfernt wie die Hoffnung von der Verzweiflung.

       Ich bin an der Tür. Es wird nichts da sein. Ich lege meine Hand auf die Klinke. Es wird nichts da sein. Ich drücke die Klinke hinunter. Es wird nichts da sein. Ich ziehe die Tür auf. Oh! Ein Schrei steigt mir in der Kehle auf wie bittere Galle, aber er will nicht heraus. Ich ersticke an meinem Entsetzen. Da ist etwas. Die Umrisse zweier Gestalten zeichnen sich im Türrahmen ab und füllen ihn fast vollständig aus. Die eine ist groß und leicht gebeugt, die andre kleiner. Ich starre sie an, aber ich kann ihre Züge nicht erkennen. Sie sagen kein Wort. Sie rühren sich nicht. Warum in Gottes Namen sagen und tun sie nichts? Es ist, als wüssten sie, dass sie mich durch ihr Schweigen und ihre Reglosigkeit zum spitzesten, höchsten Gipfel dieser kreischenden Spirale der Furcht treiben können.

       Mit einer Stimme, die nur von einer dünnen, pergamentartigen Haut der Selbstbeherrschung gehalten wird, sage ich: „Ja, bitte? Kann ich Ihnen helfen? Was wollen Sie?“

       Ich kann ihre Münder nicht sehen, aber ich weiß, dass sie jetzt in der Dunkelheit grauenhaft grinsen. Sie amüsieren sich über das kriecherische Entsetzen, das mich dazu bringt, dumme Höflichkeiten zu Leuten zu sagen, die rücksichtslos in mein Haus eingebrochen sind und mit ihren Fäusten und Füßen meine Tür attackiert haben. Sie haben gewonnen. Wieder einmal. Wieder einmal erkenne ich, dass ich bin, was ich bin. Ich bin so angefüllt mit bebender Hysterie, dass ich fürchte, mein Geist wird sich in Nichts auflösen.

       Mein einziger Vorteil ist die Gewissheit, dass dies ein Traum ist. Vielleicht habe ich die Wahrheit noch rechtzeitig erkannt. Ich bin nicht wach. Dies ist ein Traum. Ich kann entkommen. Es gibt einen Fluchtweg. Ein Albtraum kann ja schließlich nicht seine eigenen Regeln brechen.

      Als die größere Gestalt plötzlich eine leichte Bewegung in meine Richtung macht, schließe ich die Augen und lasse alles, was ich bin, rückwärts in die glatte, weiche Dunkelheit hinter mir fallen. Ich lasse Körper und Geist los und gleite mit steigendem Tempo die lange, steile Neigung einer seltsam erheiternden Fahrt in die Vergessenheit hinab.

       Mit einem letzten Rausch der Erregung und der Furcht pralle ich geräuschlos mit der Wirklichkeit zusammen, schwitzend und zitternd, wach in meinem eigenen Bett, mein Herz voll von einem dunklen Gefühl, das viel weniger und viel mehr ist als die Furcht vor einem Albtraum.

      Es gibt einen alten Schülerwitz, der da lautet: „Woran erkennt man, wenn ein Elefant im Kühlschrank war?“ Die Antwort: „An den Fußstapfen in der Butter.“

      Wenn man jemanden verliert, den man geliebt und mit dem man gelebt hat, dann hat das eine gewisse Parallele zu diesem albernen Witz. Die Person, die die Hälfte des eigenen Daseins ausgemacht hat, ist weg, doch die unendliche Bedeutung ihres Lebens und die elefantenähnliche, jurassische Kreatur namens Tod hinterlassen gemeinsam paradoxerweise winzige Spuren oder Fußstapfen überall im Haus, im Herzen und im Leben. Noch für lange Zeit sind diese Spuren überall zu finden, jeden Tag. Jede neue Entdeckung löst wahrscheinlich einen frischen Trauerschub aus.

      Manche davon sind tatsächlich im Kühlschrank. Im untersten Fach steht noch ein Karton Magermilch, ein kleiner Aspekt ihres Plans, vor unserem geplanten Sommerurlaub in der Sonne noch ein paar Pfunde loszuwerden. Sie kaufte ihn am Morgen des Tages, bevor sie krank wurde. Ich hätte den Karton schon vor langer Zeit entsorgen sollen, aber der Mülleimer neben meiner Hintertür ist irgendwie nicht groß oder angemessen genug, um die Implikationen einer solchen Maßnahme fassen zu können.

      Oben auf dem Tisch neben ihrer Bettseite lagert ein Haufen Bücher, die sie verschlang, in denen sie blätterte, die sie noch zu lesen hoffte. Eines davon handelt von Schwangerschaft und Geburt. Dies hätte das Jahr sein sollen …

      Neben den Büchern steht ein Glas, fast ganz mit Wasser gefüllt.

      Die Bücher gehören eigentlich längst wieder zurück ins Regal, aber ihre genaue Anordnung auf dem Nachttisch, das Durcheinander, das sie bilden, ist ein einzigartiges Werk ihrer Hände, ihrer Aufmerksamkeit und Unaufmerksamkeit, und dieses Werk wird für immer verloren sein, sobald sie weggeräumt werden.

      Ihre Lippen waren noch warm, als sie die kalte, harte Glätte jenes Glases berührten. Die darin verbliebene Wassermenge ist genau durch das Ausmaß ihres Durstes bestimmt.

      Sie hat jetzt keine Wahl, als Genauigkeit und Ungenauigkeit aufzugeben.

      Diese winzigen Museen persönlicher Zufälligkeiten sind alles, was mir geblieben ist.

      Wie oft und auf wie viele Arten muss man eigentlich Abschied nehmen? Ich bejahe und bejahe und bejahe und bejahe den Tod der Person, die ich liebe, und doch erwacht sie immer noch als Phantom zum Leben und verblasst wieder in den Tod, wann immer ich auf so etwas Gewöhnliches stoße wie eine angebrochene Müslipackung, eine Tube Schuhcreme mit der falschen Farbe, eine alte einarmige Lesebrille in einer Schublade, CDs, die ich ohne sie nie schätzen gelernt hätte, die Bibel, die nicht meine ist, ihre tausend Seiten bedeckt mit Markierungen, die über ein Jahrzehnt hinweg ausgesät wurden, nun aber ihre Ernte an einem anderen Ort getragen haben, ihre Nähkiste, gefüllt mit „allem möglichen Krimskrams, den ich vielleicht mal gebrauchen kann“, vertraute Kritzeleien auf dem Notizblock neben dem Telefon und, versteckt hinter den Mänteln und Jacken in der Diele, ein breiter, dunkelblauer Wollschal, der, wenn ich mein Gesicht darin vergrabe, immer noch nach ihr riecht.

      Irgendwann habe ich dann solche Dinge wie den Milchkarton doch entsorgt. Klar. Es bestand nie die ernsthafte Gefahr, dass ich in eine Art Dickensschen Aufbewahrungswahn verfallen würde. Die Bücher kehrten an ihre richtige Position in den Regalen zurück. Das Wasser goss ich weg, und die unsichtbaren Abdrücke von Jessicas Lippen und Fingern spülte ich von dem Glas ab. Es dauerte ungefähr eine halbe Minute und bedeutete mir unmittelbar danach erst einmal gar nichts. Ich bemerkte, wie das Glas glänzte und funkelte, als ich es zu den anderen auf das oberste Regalbrett über dem Spülbecken stellte. Schließlich war es ja nur ein Glas. Morgen würde ich schon nicht mehr erkennen können, welches der sechs Gläser aus dem Satz dasjenige gewesen war, aus dem meine Frau ihren letzten Trunk in ihrem eigenen Haus genossen hatte.

      Nach den ersten, qualvollen Tagen entwickelte ich sogar ein gewisses Geschick darin, aufzuräumen und auszusortieren und derartige Dinge zu regeln, sobald ich sie entdeckte, wenn auch manchmal unter Zähneknirschen oder mit einem kleinen Aufschluchzen, durch das sich der Überdruck der ständigen Trauer ein Ventil verschaffte.

      Das Problem war, dass es nie ganz aufzuhören schien. Monate nach Jessicas Tod musste ich immer noch mit nicht mehr so häufigen, aber genauso unerwarteten Erinnerungen an ihr Leben und ihren Tod fertig werden. Manche davon wurden mir vom Briefträger ins Haus gebracht, einem jungen Mann mit glänzenden, stacheligen Haaren und ziegelrotem Gesicht, der jeden Tag pfeifend durch unseren Vorgarten kam, als ob auf eine seltsame Weise die Welt nicht aufgehört hätte, sich zu drehen. Er brachte Briefe für Jessica. Sie enthielten wichtige Mitteilungen über ihr Handy, ihre Bücher aus der Stadtbücherei oder die Blumenzwiebeln, die sie doch bitte bestellen möge, um sie im Herbst einzupflanzen, über die Kreditsumme, die ihr auf ihrer British Home Stores Card zur Verfügung stand, oder über die Tatsache, dass sie so nahe daran gewesen war, achtzigtausend Pfund in einem Zeitschriften-Preisausschreiben zu gewinnen, dass es eigentlich nur noch eine Formalität war, den beiliegenden Abschnitt einzusenden und ein Jahresabonnement für die fragliche Zeitschrift zu bestellen. Ich beantwortete diejenigen, bei denen das notwendig war, und warf den Rest weg.

      Hin und wieder kamen ahnungslose,


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