Der mondhelle Pfad. Petra Wagner

Der mondhelle Pfad - Petra Wagner


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erhoben und ihre Babys zu Afal trugen. Conall und Tarian gingen neben ihnen. Loranthus sah ihnen nach, als wolle er sie am liebsten aufhalten, doch gleichzeitig erkannte er, wie stolz sie über den Platz auf das steinerne Becken zu schritten. Auch andere Mütter und Väter betraten den Kreis und Gardan ordnete sie.

      Zuerst kam Wahedon mit seiner Frau Mirja und seinem Sohn. Afal machte mit dem Daumen das Zeichen der vier Himmelsrichtungen auf seiner Stirn und sprach: „Hiermit gebe ich dir den Namen ‚Hattu‘, der Behütete. Achte die Götter und sie werden dich achten.“

      Wahedon nahm seinen nackten Sohn aus dem Tuch und reichte ihn Afal. Der tauchte ihn komplett, bis über den Kopf, in das Becken mit den seltsamen Bildern und gab ihn zurück. Der Kleine schrie nicht einmal und Wahedon schwoll die Brust, als er ihn der Sonne entgegenstreckte und wieder in das Tuch zurücklegte. Mirja schlug ihn fürsorglich ein und sie machten einen Schritt zur Seite.

      Noeira und Conall waren an der Reihe und Belisama bekam nun ganz offiziell ihren Namen. Sie beschwerte sich aber lauthals über das Bad, was alle Zuschauer zum Lachen brachte.

      Conall küsste seine strampelnde Tochter und hob sie strahlend in die Höhe. Belisama quittierte seine Freude mit energischen Fußtritten und pinkelte los, was Conalls Arme zusehends länger werden ließ. Geduldig wartete er in gestreckter Vorhalte, und als sie fertig war, versuchte er sie wieder in ihr Tuch zurück zu legen. Noeira kam aus dem Lachen nicht mehr heraus, weil sie einige Mühe hatte, ihre agile Tochter wieder einzuwickeln. Alle Umstehenden freuten sich mit.

      Die nächste, die sich über zu viel Wasser beschwerte, war Armanu, und auch Tarian hob seine Tochter lachend der Sonne entgegen. Sie hatte aber keinen Wasserüberschuss, beziehungsweise: Sie hatte schon vorher ihr Einschlagtuch nass gemacht, aber Taberia hatte wohlweislich für Ersatz gesorgt.

      Viele Babys schrien und strampelten, ein besonders kräftiges gähnte gelangweilt und reckte seine Fäuste gen Himmel, eins hatte Afal am Daumen erwischt und seinen einzigen Zahn hineingeschlagen, der nächste wollte sein Wickeltuch partout nicht loslassen … alle hatten viel Spaß.

      Die Namensgebung ging schnell vorüber und Loranthus staunte nicht schlecht, als Viviane nach vorne ging und auch die anderen Krieger nachkamen. Diesmal musste Gardan niemanden ordnen. Sie kannten ihre Rangfolge genau.

      Amaturix ging vor Afal auf die Knie, senkte den Kopf und streckte ihm sein Schwert entgegen. Afal nahm es langsam und tauchte es wie die Babys ins Becken. Loranthus fragte sich, wie tief das Wasser wohl sei und ob er da vielleicht auch hineinpassen würde, wenn er in die Hocke ging.

      Da rief Afal auch schon: „Hiermit gebe ich dir den Namen ‚Gabe der Götter‘! Achte das Leben und hüte die göttlichen Gaben!“ Mit diesen Worten reichte er das nasse Schwert an Amaturix zurück.

      Silvanus stieß Loranthus an und flüsterte: „Hast du gesehen, wie präzise sie das Schwert parallel zu sich halten und nur mit den Fingerspitzen berühren?“

      „Jetzt, wo du es sagst …“, wisperte Loranthus zurück. „Warum machen sie es so umständlich?“

      „Wenn man es anders berührt, oder die Schwertspitze auch nur ein kleines bisschen zu dem einen oder anderen hinzeigt, kann das derjenige schon als Provokation deuten.“

      „So ein Schwachsinn“, zischte Loranthus leise. „Das ist Afal, der da vorne steht! Ist dir das noch nicht aufgefallen?“

      „Kein Schwachsinn, Loranthus. Egal wer es ist, Ausnahmen werden nur bei Kindern gemacht. Und jetzt still! Viv ist dran.“

      Viviane beugte ihr Haupt und hielt ihr Schwert exakt zwischen sich und Afal, der es ihr ganz vorsichtig abnahm und ins Steinbecken tauchte. Loranthus dachte an Namen wie: die Unbesiegbare, die Unbeugsame, die Erhabene, die Kühne, die Gerechte, die Glorreiche …

      Er war total perplex, als Afal rief: „Hiermit gebe ich dir den Namen ‚Der mondhelle Pfad‘! Achte das Leben und hüte die göttlichen Gaben!“

      Was sollte das heißen: Der mondhelle Pfad?! Wollte Viviane aus ihrem Schwert einen Wanderstock machen für einen lauschigen Spaziergang mit Silvanus bei Mondschein?! Doch kein Krieger nannte sein Schwert so, wie es Loranthus erwartet hatte. Und als sie wieder vom Heiligtum herab schritten, erklärte es ihm Viviane selbst, denn nun war der offizielle Teil vorbei und jeder lief, wo er wollte.

      „Du musst den Namen fühlen, Loranthus. Das können Wünsche sein oder Versprechen, wichtige Ereignisse in deinem Leben oder andere Dinge, die dir Kraft spenden. Diese Kraft soll mit dem Namen auf dein Schwert übergehen. Es ist dein Beschützer, dein Freund, das Beste was du hast! So ähnlich wie ein Hilfsgeist bei einem Geisterflug. Verstehst du?“

      „Deshalb hat Wahedon sein Schwert ‚Für das Leben‘ genannt?“

      „Ja, weil sein Weib und sein Sohn ihm alles bedeuten.“

      „Du hast beiden das Leben gerettet, Viviane“, bemerkte Loranthus und winkte sofort ab, um ihren Protest zu unterdrücken. „Ich weiß schon! Es stand in deiner Macht. Also. Wann macht man so eine Schwertweihe? Ich meine: Du hast dein Schwert doch schon länger und Amaturix auch und all die anderen Krieger.“

      „Das kann jeder machen, wie er will. Jede Sommersonnenwende bekommt man die Gelegenheit dazu. Es kommt nur darauf an, wann du den Namen in dir hörst. Zum Beispiel, wenn sich in deinem Leben etwas Wichtiges ereignet.“ Sie betrachtete ihn schelmisch von der Seite. „Du könntest dein Schwert zum Beispiel …“.

      Sie machte eine Kunstpause, die Loranthus lachend nutzte.

      „ … Elektra nennen?“

      „Warum nicht?“ gluckste Viviane. „Aber es sollte sich geheimnisvoller anhören. Wie ‚Sonnenstrahlendes Mondhaar‘ oder so ähnlich.“

      Loranthus lachte laut auf.

      „Wenn ich jemals mehr als ein Holzschwert führen sollte, dann nenne ich es ‚Verbindung zweier Bänder, die eins waren‘.“

      „Wie kommst du denn auf den Namen?“

      Loranthus sah sie ernst an und wiegte den Kopf.

      „Ich weiß nicht genau, Viviane. Aber in letzter Zeit kommt mir immer öfter der Verdacht, dass mich viel mehr mit deinem Volk verbindet, als meine Liebe zu Elektra.“ Er raufte sich die Haare und stöhnte. „Was soll ich nur machen, Viviane? Ich will sie nicht verlieren, sie kann nicht von hier weg, mein Vater erwartet mich … unsere Händlerdynastie … ich bin sein einziger Erbe …“

      Viviane zog seine Hände herunter.

      „Jetzt warten wir erst mal vor Tinnes Haus, damit auch die kleine Germania ihre Weihe bekommt. Dann bringen wir unsere neue Statue an ihren angestammten Platz. Viele von uns werden dort eine Bitte an Sünna richten und ihr ein Opfer versprechen, wenn sie unsere Wünsche erfüllt. Vielleicht hast auch du einen Wunsch? Weißt du, Loranthus: Ich habe lange überlegt, bis ich einen Namen für mein Schwert gefunden habe und als ich am wenigsten daran dachte, war er einfach da. Vielleicht ist es ja bei dir genauso. Es gibt so viele Möglichkeiten … Warte einfach auf die richtige.“

      Loranthus stöhnte wieder auf und Viviane tätschelte ihm die Schulter.

      „Bald, Loranthus, bald.“

      Wenn es Loranthus an diesem Tag auch nicht geglaubt hatte: Die Zeit bis zu Lugnasad verging schneller als geahnt.

      Das lag wohl daran, wie gut er sich schon in Vivianes Familie fügte.

      Er harkte die Gemüsefelder, ohne Blasen an den Händen zu bekommen. Seine Arme taten ihm beim Korn mahlen mit der Drehmühle nicht mehr weh und er hämmerte sogar manchmal unter dem wachsamen Blick von Arminius auf dem Amboss herum. Ein Federmesser, ein Feuereisen sowie drei Halter für eine Dachrinne hatte er schon eigenhändig gefertigt, letzteres für das neue Haus von Viviane und Silvanus. Oder vielleicht doch lieber nur für den Schuppen der beiden, weil er die Sache mit dem Feingefühl immer


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