Chronik von Eden. D.J. Franzen

Chronik von Eden - D.J. Franzen


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wie es nur ein guter Freund tun würde.

      »Dann bleibt dir eigentlich keine große Wahl, findest du nicht?«

      »Welche Wahl meinst du?«

      Frank kam seine eigene Stimme fremd und Angst einflößend vor. Krächzend, tief, nicht von dieser Welt.

      »Du kannst auf ewig ein einsamer Wanderer bleiben. Ständig auf der Flucht vor den Untoten und den Lebenden. Oder du entscheidest dich für eine Seite.«

      Frank horchte in sich hinein. Sandra hatte ihn im Stich gelassen, ihn verraten, um sich selber zur Anführerin über die Kinder aufzuschwingen. Der Fremde klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter.

      »Ja, so sehe ich das auch. Also bleibt ja nur eine Seite übrig.«

      Frank sah verwundert auf, als vor ihm Schritte erklangen. Fünf Untote standen reglos vor ihm. Sie sahen nicht allzu verletzt aus. Als er sich umblickte, war von dem seltsamen Fremden nichts mehr zu sehen. Seine Stimme schien jedoch von überall zugleich zu kommen.

      »Dies, mein Freund, ist erst der Anfang. Es ist der Grundstock für eine Streitmacht, die unter deinem Kommando steht. Gehe hin, jage und vernichte die letzten Überlebenden der Menschheit. Töte die letzten Sünder, die sich Gottes Gericht entzogen haben. Werde der dunkle Nomade, die Nemesis der Letzen. Dann, mein hasserfüllter Freund, wirst du endlich den Frieden und die Anerkennung finden, nach denen dich dürstet.«

      Frank stand auf. Der Fremde hatte recht. Ihn dürstete nach Frieden und Anerkennung. Nach einem letzten Blick auf die Trümmer der Stadt drehte er sich um und marschierte los.

      Und die Toten folgten ihm, dem dunklen Nomaden, der Nemesis der Letzten.

      Ende des ersten Buches der Chronik von Eden

      Zweites Buch: Die Vergessenen

      von D.J. Franzen

      Kapitel I - Kriegsrecht

      Einige Zeit vor den Ereignissen, die im ersten Buch geschildert wurden ...

      Martin erwachte im matten Licht der Nachttischlampe und spürte Karins Körper an seiner Seite. Ein Gefühl, als läge ein Stück weißer Kohle neben ihm. Vorsichtig richtete er sich auf und griff nach dem Fieberthermometer. Karin hustete und Martin schalt sich selber einen Narren. Fiebermessen war so ziemlich das Nutzloseste, was er für Karin tun konnte. Seit fünf Stunden war ihre Körpertemperatur bei konstant neununddreißigfünf. Das Rumpeln eines Lasters hallte durch die Dunkelheit. Martin sah auf die Uhr. Halb vier. Der letzte Wadenwickel lag eine Dreiviertel Stunde zurück. Immerhin. Dreißig Minuten Schlaf am Stück.

      Mit einer müden Geste rieb er sich über das Gesicht. Er wollte zippeln und zappeln, sich kratzen und streicheln, seine Finger fingern, seine Knöchel knöcheln lassen.

      Martin wollte einen Schuss.

      Ein Sniff würde es auch tun, aber ein Schuss wäre besser.

      Viel besser!

      Nur einen Kleinen, der ihn beruhigen würde, keinen zum Wegdämmern in das Land der Träume und des Vergessens. Er atmete tief durch, kämpfte gegen die Dämonen seines Verlangens an. Ein weiterer Atemzug, und das Verlangen wich langsam zurück. Lauernd wie ein Raubtier auf der Jagd. Er wandte sich zur Seite und strich Karin eine Haarsträhne aus den Augen. Sie waren offen, aber ihr Blick ging in eine Ferne, in die er ihr nicht folgen konnte. Feiner Schweiß stand ihr auf der Stirn und ihr Atem kam in schweren Stößen, begleitet von einem leise gurgelnden Geräusch.

      »Liebling? Bist du wach?«

      Keine Reaktion. Ob er ihr noch ein Fieberzäpfchen geben könnte? Oder doch besser einen frischen Wadenwickel? Nein, entschied er. Hier konnte nur noch ein Arzt helfen. Martin nahm Karins Hand und hauchte einen Kuss auf ihren Handrücken.

      »Halte durch, Kleines. In zwei Stunden ist der Notverkehr wieder erlaubt. Ich werde einen Arzt für dich finden.«

      Karins Kopf rollte haltlos in seine Richtung. Ihr Blick war immer noch verschleiert, aber ihre Stimme kam überraschend klar über ihre aufgesprungenen Lippen.

      »Vergisses.«

      Martin zuckte zusammen. Karin hustete. Zwischen den einzelnen Attacken holte sie röchelnd Luft. Er wollte ihr helfen, sich aufzusetzen, aber sie drückte ihn mit einer schwachen Geste weg.

      Vergisses. Dieses eine Wort hatte ihn tiefer getroffen als er es sich selber gegenüber zugeben wollte. Instinktiv blickte er zum Ringfinger ihrer linken Hand. Nackt. Warum auch nicht? Seine eigene Schuld, wenn er seinen Ring immer noch offen zur Schau stellte. Martin schreckte aus seinen Gedanken auf. Karin hatte sich aufgesetzt und sah ihn an.

      »Was hast du gesagt?«, fragte er.

      Karin schüttelte schwach den Kopf.

      »Du hörst mir nie zu. Ständig schwebst du in Gedanken bei der nächsten Story, dem nächsten Sensationsbericht oder deinem Scheißroman.«

      »Karin, bitte. Ich –«

      »Ich habe dich gefragt, warum du überhaupt zurückgekommen bist«, fuhr sie ihm ins Wort.

      »Ich dachte, du würdest mich brauchen.«

      Karin sah ihn mit einem undefinierbaren Blick an. Verlegen sah er weg.

      »Und das ist alles? Du dachtest, ich würde dich brauchen?«

      Er seufzte. Zwecklos darüber noch ein Wort zu verlieren. Sie war es schließlich gewesen, die ihm den Ring vor die Füße geworfen hatte, bevor die Welt in Richtung Abgrund taumelte. Nicht er. Martin beschloss, dass es besser wäre, das Thema zu wechseln.

      »Sobald es geht, fahre ich dich ins Krankenhaus. Du brauchst Hilfe. Ich kann hier nichts mehr für dich tun.«

      »Den Weg kannst du dir sparen.«

      Er sah sie verwundert an.

      »Warum?«

      »Ich habe die Seuche. Egal was die auf den Notsendern sagen. Du kannst es auch in deinen eigenen vier Wänden kriegen. Ohne Kontakt zu anderen Menschen.«

      Martin schüttelte energisch den Kopf.

      »Wenn es dich erwischt hätte, wärst du schon vor Stunden verblutet. Jedenfalls sagen das die Experten im Radio. Außerdem hast du keine Wahnvorstellungen.«

      Martin musterte sie misstrauisch.

      »Oder etwa doch?«

      Karin lachte leise auf.

      »Hast du eine Ahnung. Ich habe eben tatsächlich geglaubt, dass wir beide wieder in Spanien sind. Du hast Durchfall und verpestest im gesamten Hotel die Luft. Ich liege am Strand und schaue den braun gebrannten Eingeborenen hinterher.«

      Jetzt musste Martin auch lächeln. Ihre Flitterwochen, wie sie das verlängerte Wochenende zu ihrer Verlobung großspurig genannt hatten. Ein Kichern rollte seine Kehle hoch.

      »Du hattest diesen mörderischen Badeanzug eingepackt. Den Knallroten, mit dem Ausschnitt vom Hintern bis zum Hals. Ich wollte dich so nicht an den Strand lassen. Aber die spanische Küche ...«

      Er kicherte und Karins Lächeln wurde breiter, als sie den Satz vollendete.

      »Hat dich God save the Queen aus der falschen Körperöffnung pfeifen lassen.«

      Für einen Moment vergaß Martin alles um sie herum. Keine Seuche, keine Leichen auf den Straßen ... es gab nur sie beide für ihn. Vorsichtig legte er einen Arm um Karins Schultern und genoss das Kitzeln ihrer Haare auf seinem Gesicht. Sie ließ es geschehen und lehnte ihren Kopf bei ihm an.

      »Wir hatten auch unsere guten Zeiten, oder nicht?«, fragte er.

      »Ja. Die hatten wir wirklich, du rasender Reporter des Unglaublichen.«

      Ja, ihre guten Zeiten. So wie


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