Liebe ohne Hiebe. Ekkehard von Braunmühl

Liebe ohne Hiebe - Ekkehard von Braunmühl


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zum Schluß?

       Ja sicher, wäre das nicht irre?

       Ich weiß nicht. Glaubst du, daß dann genug Leute das Buch kaufen würden, damit wir uns die Villa im Tessin leisten können?

       Auf Teneriffa, verdammt noch mal!

       Wer schreit, hat unrecht.

       Reingefallen! Ich wollte nur Zeit gewinnen, damit sich genug Spannung aufbauen kann.

       Was für Spannung?

       Na, Spannung darauf, wie das Märchen weitergeht. Hast du den Überblick verloren?

       Also ich wette, daß sich kein Mensch an dieses blöde Märchen überhaupt erinnert!

       Doch, jetzt schon. Merkst du, wie wir zaubern können als Autorinnen und Autoren?

       In erster Linie merke ich, daß ich das nicht mehr komisch finden kann. Hier gibt es keine Autorinnen!

       Nicht mehr komisch? Dann schieß mich tot!

       Gute Idee. Wir könnten aber auch unsere feministische Abteilung beschließen lassen, fürderhin auf alle Innereien zu verzichten und für den Rest des Buches die Männersprache zu benutzen.

       Weil ja Feministinnen – Männer mitgemeint – sich einig sind, daß unser Thema Männer in besonderer Weise angeht, so daß sie sich ruhig bevorzugt angesprochen fühlen dürfen. Beschlossen?

       Beschlossen.

       Meinst du, wir haben jetzt die vielen Geisterlein in den vielen Kämmerlein der Millionen Gehirnlein unserer Leserschaft genug durcheinandergewirbelt?

       »Gehirnlein« ist eine Frechheit. Außerdem haben wir nichts gewirbelt, jedenfalls nicht in den Köpfen anderer Leute. Das machen die schon selber.

       Oder auch nicht.

       Eben!

       Was ist jetzt mit dem Märchen? Hörst du es nicht überall klingeln? Massenhaft Leute wollen, daß wir endlich zur Sache kommen.

       Ja, wenn das so ist. Aber erwähne bitte meine gequälte Miene, sonst merken das die Leute nicht. Ich hab nämlich überhaupt keine Lust.

       Denk an unsere Villa!

       Auf Teneriffa?

       Hör jetzt mit dem Blödsinn auf! Wir müssen uns das Honorar verdienen.

       Vergiß die Steuern nicht. Bei Bestsellern langen die unheimlich hin.

       Als Anwältin der Leserschaft spreche ich jetzt ein Machtwort und verlange energisch den sofortigen Beginn der ernsthaften Arbeit!

       Sag mal, merkst du nicht, daß du dich lächerlich machst? Du willst im Ernst einen Ameisenvater, der sich über ein Schimpfwort aufgeregt hat, zu einer Ameisenberatungsstelle schicken? Bei dir piept’s wohl!

       Wenn ich mich richtig erinnere, war das deine Idee.

       Um so schlimmer. Wie stehe ich denn jetzt da?

       Wir können ja noch mal von vorne anfangen.

       Blödsinn. Die Leute haben das Buch jetzt schon in der Hand und lesen diesen Käse. Wie könnten wir denn alle die Millionen Bücher wieder einsammeln? Das ist doch eine hirnverbrannte Vorstellung.

       Also wenn der Quatsch, den wir hier verzapfen, wirklich echt von jemandem gelesen würde …

       Aber das ist doch so, Liebling.

       Die Leute würden uns killen!

       Das glaube ich nicht. Bis dahin sind wir längst schon über alle Berge.

       Du meinst, im Tessin?

       Jetzt hast du angefangen!

       Stimmt. Und du mußt auch anfangen. Was sagen wir denn dem Ameisenkerl?

       Ich weiß überhaupt nicht mehr, was da los war. Wo sind eigentlich die Kinder abgeblieben?

       Die haben wohl keine Lust mehr, bei uns mitzumachen.

       Ich fürchte, ohne ihre verrückten Ideen sind wir aufgeschmissen. Wie sollen wir denn das Märchen vom Indifidium zu Ende kriegen?

       »Indifidium« geht nicht. Ich habe das schon heimlich geändert.

       Aber das klingt so schön und sieht auch lustig aus!

       Es geht eben nicht. Alles hat seine Grenzen.

       Wieso? Wenn wir uns noch nicht einmal trauen, uns über die Rechtschreibregeln hinwegzusetzen, wie können wir dann beweisen, daß die Phantasie grenzenlos ist?

       In deiner Phantasie kannst du spinnen, soviel du willst. Aber das hier ist ein seriöses Buch. Also reiß dich zusammen!

       So macht das überhaupt keinen Spaß …

       Du bist vielleicht ein Lebenskünstler! Sagst du nicht immer, du könntest jederzeit in dein Spaßkämmerlein gehen, ganz egal was passiert?

       Das stimmt. Danke, daß du mich erinnert hast.

       Und?

       Ich sehe mir gerade die Erde aus dem Weltraum an. Ich fliege auf sie zu, erkenne immer mehr Einzelheiten. Da gibt es Gegenden, Wälder und so, mit lauter Ameisenkolonien. Die Ameisen sitzen in ihren Haufen herum und lesen in klitzekleinen Büchern von den Sorgen der Menschen und lachen sich schief. Kannst du dir vorstellen, wie das aussieht, wenn eine Ameise sich schieflacht? So im Schaukelstuhl sitzend, mit übereinandergeschlagenen Beinen?

       Schau doch mal nach, wie es in der kargen Stube aussieht. Wir müssen irgendwie ein Happy-End für dieses Märchen finden. Oh, da sind die Kinder wieder. Vorsicht, leise, Buch hört mit! (Tuschel, flüster)

       So ein Quatsch. Bücherlesende Ameisen!

       Wenn Ameisenkinder »Altes Arschloch« sagen können, können Ameiseneltern auch Bücher lesen.

       Dann haben die auch Fernsehen!

       Dreißig Programme! Die Ameisenhaufen sind alle verkabelt!

       In Ordnung, in Ordnung. Wir brauchen aber immer noch ein Happy-End.

       Ist doch ganz einfach. Erst kommt eine richtige Kindestötung. Damit jeder merkt, daß es um etwas Wichtiges geht. Danach war’s dann nur ein Traum, wegen dem Spaß.

       Wegen des Spaßes! Rettet dem Genitiv!

       Verzeihung. Das dreikindrige Individuum hat jetzt aber trotzdem einen Grund, einen anderen Umgangsstil in seiner Familie einzuführen. Es will sichergehen, daß sein Traum nicht doch noch Wirklichkeit wird.

       Mit anderen Worten: Das Individuum interessiert sich ernsthaft für den Weg zu harmonischen Familienbeziehungen. (Rauschender Beifall)

       Von seinen letzten neunundzwanzig Mark achtzig kauft sich das Individuum ein Buch…

       Es kann das Buch auch aus der Leihbücherei geholt haben.

       Buh! Buh! Buh!

       Egal. In unserem Märchen bezahlt das Individuum das Buch.

       Aber nicht irgendein Buch!

       Natürlich nicht. Das wäre ja kein Happy-End. Das Individuum kauft sich das wunderprächtigste Buch von der Welt.

       Und dann liest das Individuum das Buch und lebt zufrieden und glücklich bis ans Ende seiner Tage.

       Das muß ein tolles Buch sein. Wer hat es geschrieben?

       Noch niemand. Unser Märchen spielt in der Zukunft.

       Oh, ich ahne Fürchterliches.

       Keine Sorge, das machen wir mit links, wie ich uns kenne.

       Sonst hast du beim Bücherschreiben immer gestöhnt.

       Das


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