Liebe ohne Hiebe. Ekkehard von Braunmühl

Liebe ohne Hiebe - Ekkehard von Braunmühl


Скачать книгу
paar sind doch aufgewacht.

       Dafür pennen die andern um so fester. Aber was soll’s? Die Hauptsache ist, daß du jetzt dabei bist. Mit dir zusammen macht das Bücherschreiben Spaß. Wir beantworten einfach die wichtigsten praktischen Fragen der richtigen Menschen, und schon ist alles geritzt.

       So einfach ist das?

       Ja, sicher! Wir müssen nur unsere Rollen richtig spielen. Du bist die Anwältin der Lesersorgen, du stehst mit allen vier Beinen auf dem Boden der Realität, wie sie heute nun mal ist. Du bist die Praktikerin, die darauf achtet, daß unser Buch für die Leute auch wirklich nützlich ist. Was kann da noch schiefgehen?

       Ich finde, du solltest nicht den Eindruck erwecken, als würdest du in dem Buch die anstehenden Probleme auf die leichte Schulter nehmen.

       Jetzt mach mal ’nen Punkt. Ich arbeite nicht seit dreißig Jahren als Forscher und Berater an diesen Problemen herum, weil ich sie leichtnehme! Bei dem Schwachsinn und Stumpfsinn und Trübsinn in den Beziehungskisten kann ein bißchen Leichtsinn nur nützlich sein. Wir haben so viele gute Nachrichten und keine einzige schlechte, wir können uns alles leisten.

       Ich weiß nicht. Wenn die Leute die Geduld verlieren und nicht länger warten wollen, bis unsere guten Nachrichten endlich kommen?

       Mir scheint, du wartest. Die Leser lesen. Das ist unsere Geschäftsgrundlage. Wir sollten unsere Kundschaft nicht für dumm halten. Wer unser Buch liest, ist schon allein deswegen ein schlaues Kerlchen. Und wer überhaupt etwas versteht, versteht auch Spaß. Stimmt‘s, Kinder?

       Idiot! Die sind doch gar nicht da.

       Dann warten wir eben, bis sie wiederkommen. Vielleicht sind sie in den Wald gegangen und suchen einen Ameisenhügel. Dann könnten sie womöglich einer Ameise ihr Buch klauen, und wir müßten das nur abschreiben. Auf diese Weise hätte das Märchen auch für uns ein Happy-End.

       Du weißt genau, daß die Kinder bloß Weihnachtsgeschenke kaufen.

       Schade. – Allerdings, wenn ich es mir richtig überlege, könnten wir mit einem Ameisenbuch gar nichts anfangen. Es wäre so winzig, kaum größer als ein Staubkorn. Wie sollten wir die Schrift entziffern können?

       Dann dichten wir das Märchen um, und die Kinder können das Buch in irgendeiner Steppe einem Elefanten stibitzen …

       Toll! Oder im Meer einem Wal…

       Das geht nicht. Lenas Haare vertragen kein Salzwasser. Und Florian hat bestimmt seine Badehose vergessen.

       Also, kriegen wir jetzt das Buch oder nicht?

       Welches Buch?

       Bitte! Wir müssen endlich weiterkommen. Sonst kommen wir nie zu unserer Villa im …

       Auf …

       Im!

       Auf im mit Gebrüll!

       Hallo, Lena!

       Guck mal, die beiden Sternchen bedeuten, daß wir das beide gleichzeitig gesagt haben. Ist die Idee nicht phantastisch? So haben wir das Stereo-Lesen erfunden und außerdem noch eine ganze Zeile gespart. Papier ist kostbar. (Mäßiger Beifall)

       Weißt du was? Für unser Happy-End könnte die Märchenfee die allerbeste Lösung finden. Ich sehe ganz deutlich einen Ameisenhaufen mit allen möglichen kargen Stuben, und überall sitzen die Leute herum und lesen.

       Das hatten wir doch schon!

       Warte nur ab. Der Witz ist, daß jedes lesende Individuum ein anderes Buch liest, sein eigenes, das nur für sie und nur für ihn geschrieben wurde. Ist das nicht märchenhaft?

       Immer willst du nur, daß ich alles toll finde, was dir einfällt!

       Na sicher. Ist das etwa keine schöne Vorstellung? Alle Leute, die was wissen wollen, kriegen ihr eigenes Buch, in dem genau das drinsteht, was sie interessiert.

       Wenn du meinst. Nur hängen mir die Ameisen allmählich zum Halse raus.

       Wirklich? Zeig mal!

       Bäh.

       Ja stimmt, da krabbeln welche.

       Hör auf mit dem Scheiß!!! Es kribbelt mir schon richtig im Mund. Und im Hals!

       Ja, ja, die Phantasie, da weiß man niemals nie.

       Ist schon wieder in Ordnung.

       Schade. Wo sind die Ameisen hin?

       Die krabbeln jetzt hier vorne auf einem Bildschirm herum.

       Das ist gemein. Hast du heimlich schlaue Bücher gelesen?

       Du wolltest wohl, daß ich einen hysterischen Anfall bekomme. Da mußt du früher aufstehen!

       Ich habe eine Idee. Wenn du erklärst, welchen Trick du angewendet hast, brauchen wir das später im Buch nicht mehr zu machen.

       Meinetwegen. Wenn ich unter einem starken Gefühl unnötig leiden würde, kann ich mir dadurch helfen, daß ich mich selbst ganz klein auf eine Theaterbühne, eine Filmleinwand oder einen Bildschirm phantasiere und diese Person aus der Entfernung beobachte, wie sie sich mit dem Gefühl herumplagt. Notfalls verdreifache ich mich und schaue mir zu, wie ich mir zuschaue. Mit etwas Übung kann man so in fast jeder Lebenslage cool bleiben, wenn man will und dran denkt. Vorhin habe ich uns beide am Schreibtisch sitzen sehen, auf einem Bildschirm vor mir, und lauter Ameisen krabbelten der kleinen Annette auf der Zunge herum und winkten mit winzigen Büchlein.

       Komm, ich nehme jetzt einen ganzen Haufen mit hungrigen roten Waldameisen und schütte sie dir über den Kopf. Die winken nicht, die beißen!

       Nee, mein Gutster, nicht mit mir. Das entzückende Weib da vorne hat dir eben eine geknallt. Und außerdem schmecke ich den Ameisen nicht. Die stürzen sich gerade alle auf dich, krabbeln dir zu Tausenden in Mund und Nase, Ohren, Augen, die Beine rauf…

       Guten Appetit! Der Ekki in meinem Monitor sitzt jetzt da als abgenagtes Gerippe, und seine Liebesfreundin versinkt in Trauer ob ihrer schändlichen Tat.

       Nix da! Die klimpert fröhlich auf seinen Knochen herum. Ich laß mir doch von dir nichts anhexen. Warum hast du das überhaupt probiert?

       Ich war etwas sauer, als du plötzlich sagtest, die Ameisen würden dir zum Hals raushängen.

       Ich habe an unsere Leser gedacht. Die lesen das Buch, weil sie sich möglicherweise mit komplizierten Konflikten herumschlagen. Frau Erna F. aus K. zum Beispiel…

       Entschuldige bitte! Für die ist es wirklich zu früh.

       Wieso zu früh?

       Wir hatten ausgemacht, daß diese Einzelbeispiele erst später kommen.

       Die Erna F. aus K. kommt genau dann, wenn ich sie hole! Die sitzt nämlich nicht in einem Ameisenhaufen, wo jeder sein eigenes Privatbuch hat, sondern sie liest unser Buch. Und das muß ihre Fragen beantworten und gleichzeitig die Fragen von ein paar anderen Leuten.

       Entschuldige bitte, von Millionen anderen Leuten!

       Meinetwegen! Ich garantiere dir, diese Leute kotzt es an, wenn wir hier unseren Spaß haben, dabei aber ihre echten Sorgen und Nöte überhaupt nicht ernst nehmen.

       Entschuldige bitte, wir sind noch bei den Vorbereitungen, beim Kennenlernen, bei geistigen Lockerungsübungen …

       Verdammt, warum entschuldigst du dich andauernd?!

       Verzeihung, ich bin wohl auf dem Rückzug. Mit welchem Konflikt schlägt sich Frau Erna denn herum?

       Willst du jetzt doch ein Beispiel hören?

       Ich brenne darauf.

       Es sind verschiedene. Ich meinte vorhin, nur als Beispiel, daß sie ihre Tochter ab und zu ziemlich fest schlägt. Hinterher tut ihr das jedesmal


Скачать книгу