Mord im Spital. Herbert Lipsky

Mord im Spital - Herbert Lipsky


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Frau Leitner-Markovic.

      „Das tut der gut, dass sich einmal einer gegen sie wehrt. Sie fährt über alle Leute drüber und versucht, sie einzuschüchtern. Es gibt Gerüchte, dass sie eine politische Karriere anstrebt, ihr Mann ist Politiker. Man hat ihr den Spitznamen ,Justizministerin‘ verpasst.“

      „Ich werde sie zur Strafe ein wenig ärgern.“

      „Ich werde dir juristischen Beistand leisten.“

      Am Abend rief Marion an.

      Sie klang verzweifelt: „Paul, sag mir, wisst ihr schon, woran Fritz gestorben ist?“

      „Es tut mir leid, dass ich dir das sagen muss, aber er dürfte an einer Vergiftung gestorben sein.“

      Sie sprach minutenlang nicht. „Vergiftung?“

      „In der Antibiotikaflasche befand sich Kaliumchlorid in hoher Dosierung. Ich darf dir das wahrscheinlich gar nicht sagen.“

      „Wer hat das getan, und warum?“

      „Die Staatsanwaltschaft und die Polizei ermitteln, sie waren heute im Spital und haben alle Personen, die am Samstag Dienst gehabt haben, befragt.“

      „Kann ich zu euch kommen?“

      Ich sah Julia fragend an. Sie nickte.

      „Selbstverständlich.“

      Eine halbe Stunde später läutete es an der Haustür, Marion war da. Ich ließ sie herein und umarmte sie. Sie wirkte gefasst. Auch Julia nahm sie in die Arme. Wir setzten uns ins Wohnzimmer, und ich begann, den Ablauf der Ereignisse im Licht der neuen Erkenntnisse zu schildern.

      „Du meinst also, dass es Mord war?“

      „Die Tatsachen lassen keine andere Schlussfolgerung zu. Ich glaube nicht an Fahrlässigkeit. Auf der Station gab es zu dieser Zeit nur im Notfallwagen Kaliumchlorid, auch im Abfallbehälter waren keine leeren Ampullen. Jemand muss das Kalium mit voller Absicht in die Infusion gegeben haben, während ihr beide am Gang auf und ab spaziert seid. Die Infusionsflasche trug den Namen deines Mannes. Alle Menschen, die sich auf der Krankenstation aufhielten, könnten das Zimmer betreten und etwas in die Flasche gegeben haben. Kein Mensch achtet darauf, wenn eine Schwester oder ein Besucher ein Zimmer betritt.“

      „Wir sind eine Weile auch im Aufenthaltsraum gesessen.“

      Ich reichte ihr ein Glas Rotwein, sie trank einen Schluck.

      „Wer könnte an seinem Tod Interesse haben?“

      „Das musst du am ehesten wissen. Das wird dich auch die Polizei fragen. Sie werden deine privaten Beziehungen durchwühlen und die Geschäfte eurer Firma durchforsten. Mach dich auf Unangenehmes gefasst.“

      Sie seufzte auf und begann hemmungslos zu weinen. Julia hatte sich an ihre Seite gesetzt und ihre Arme um sie gelegt. Nach einer Weile beruhigte sie sich.

      „Marion, wir sind beide für Sie da. Wenn Sie persönlich eine juristische Beratung bei der Verlassenschaft brauchen, so bin ich gern bereit, für Sie zu arbeiten.“

      Marion stand auf, sie hatte sich einigermaßen gefasst.

      „Ich danke euch für eure Freundschaft, gerne werde ich auf eure Angebote zurückkommen. Danke für die Offenheit, Paul, ich werde auf der Hut sein und dich nicht verraten.“

      Wir begleiteten sie zur Tür.

      Mein Handy läutete, es war Jakob.

      „Na, Schatz, wie war dein Tag?“, fragte ich ihn scheinheilig.

      „Es war nicht leicht. Frau Staatsanwalt war durch den Gesichtsverlust, den sie durch deinen Abgang erlitten hat, ganz schlechter Laune. Deinen armen Turnusarzt und die Schwester hat sie fast zerrissen. Es war wie ein Kreuzverhör mit überführten Mördern, aber dank des Gedächtnisprotokolls und deiner peniblen Aufzeichnungen und Beweisstücke ist es ihr nicht gelungen, die beiden einer fahrlässigen Tötung zu überführen. Du bist schon ein alter Schlaumeier.“

      „Jakob, nicht Schlaumeier, sondern gebranntes Kind. Wir haben jedes Jahr Anklagen wegen Kunstfehlern am Hals und sind seit Jahren nicht bestraft worden, weil wir immer alles gut dokumentieren und Beweise vorlegen können, die uns recht geben, und, das ist wichtig, wir haben nie geschummelt oder gelogen.“

      „Ist es wirklich so arg?“

      „Es wird immer schlimmer. Es ist beinahe schon wie in den USA. Jeder, der mit dem Resultat seiner Behandlung unzufrieden ist, klagt. Aber meistens gelingt es, die Beschwerden außergerichtlich bei der Schlichtungsstelle zu erledigen.“

      „Sie wird dich, den hochnäsigen weißen Gott, in ihr Büro bestellen.“

      „Gerne, ich werde meine Anwältin mitbringen.“

      „Eine gute Idee, sonst setzt sie dich womöglich noch fest. Eine Art Beugehaft.“

      „Julia wird mich heraushauen.“

      „Ich komme morgen am Nachmittag zu dir und werde eine peinliche Befragung durchführen.“

      „Geht es nicht am Vormittag? Du weißt doch, Mittwochnachmittag ist Golf angesagt. Sonst habe ich ja nie Zeit.“

      „Nie Zeit, dass ich nicht lache. Du bist ja ununterbrochen am Golfplatz. Aber gut, von mir aus, aber nur weil wir befreundet sind, dann komme ich eben am Vormittag.“

      „Sag einmal, ich habe gar nicht gewusst, dass die Staatsanwaltschaft schon so früh bei den Erhebungen dabei ist. War das immer so?“

      „Nein, erst seit der Strafprozessreform 2008. Ursprünglich war die Staatsanwaltschaft als reine Antragsbehörde konzipiert, die entweder Verfahren einstellte oder Strafanträge und Anklagen bei den Gerichten einbrachte. Im neuen System ist sie aber auch Ermittlungsbehörde. Die Staatsanwälte leiten nun das gesamte Ermittlungsverfahren, können der Kriminalpolizei Anordnungen geben und selbst Ermittlungen führen. Nicht jeder Staatsanwalt tut das. Es gibt aber ehrgeizige und karrierebewusste Staatsanwälte, die versuchen, sich in wichtigen Verfahren zu profilieren.“

      „Haben wir es hier mit so einem Fall zu tun?“

      „My lips are sealed.“

      An dieser Stelle muss ich wohl mein Verhältnis zu Jakob erläutern. Vor Jahren hatten wir uns bei einem Mordfall kennen und schätzen gelernt. Ich hatte ihm geholfen, den Fall zu lösen. Das klingt zwar etwas hochtrabend, stimmt aber. Daraus hat sich eine echte Freundschaft entwickelt. Und erst vor zwei Jahren hatte ich wiederum zusammen mit Jakob eine Kunstfälscherbande hinter Schloss und Riegel gebracht. Das war ziemlich gefährlich gewesen, und ich hatte meiner Frau schwören müssen, mich nie wieder in so eine Situation zu bringen. Nicht nur Jakob und ich, sondern auch unsere Frauen sind befreundet. Julia hat gerade Jakobs Frau überredet, mit dem Golfen anzufangen. Er sträubt sich noch hartnäckig dagegen, aber es wird ihm nichts nützen. Auch er wird anfangen müssen. Wir treffen uns regelmäßig, im Winter spielen wir in der Halle Tennis und gehen gemeinsam Schi fahren, im Sommer machen wir Bergpartien, mit einem Wort, wir sind echte Freunde.

      Am nächsten Tag kam Jakob schon um zehn Uhr in mein Büro, mit der jungen Kollegin, die schon am Vortag dabei gewesen war und die er mir nun als Frau Inspektor Blassnig vorstellte. Ich gab eine knappe und präzise Darstellung meiner Sichtweise. Bei einigen Punkten hakte er nach. Dann kam die unvermeidliche Frage, wer denn die Tat begangen haben könnte?

      Ich antwortete schweren Herzens: „Nur jemand, der die Station und ihren Betrieb genau kennt und der exakte medizinische Kenntnisse besitzt, mit einem Wort, es muss ein Mitarbeiter oder zumindest ein ehemaliger Angehöriger der Klinik sein.“

      „Arzt, Pflegepersonal oder jemand von der Verwaltung?“

      „Am ehesten ein Arzt oder jemand vom Pflegepersonal.“

      „Glaubst du, dass der oder die bei der Tat Berufskleidung getragen hat?“

      „Kann sein, muss aber nicht sein. Jeder normale Besucher kann ein Krankenzimmer betreten, während der Besuchszeit gehen die Angehörigen der


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