Mord im Spital. Herbert Lipsky

Mord im Spital - Herbert Lipsky


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war aus dem Sekretariat verschwunden, sehr zum Leidwesen von Simone.

      Eine Einladung

      Langsam begann ich, den Fall zu verdrängen, als Julia eines Abends das Gespräch darauf brachte.

      „Marion hat mit ihrem Schwiegersohn offensichtlich doch Probleme. Bisher hat sie über ihn vollständig neutral gesprochen, aber es scheint Zoff gegeben zu haben. Sie machte eine Bemerkung, dass der Haushalt ihrer Tochter ein Fass ohne Boden sei und dass sie Angst habe, dass diese ihren Erbteil zu rasch verbrauchen werde.“

      Das interessierte mich schon.

      „Warum?“

      „Die beiden jungen Leute haben ein großes Haus und führen ein Luxusleben. Kevin hat sich gerade einen Porsche gekauft, wobei Marion der Meinung ist, dass es sein BMW noch länger getan hätte. Und Roswithas Galerie wirft auch keine Gewinne ab, Marion sagt, dass sie nur erfolglose Künstler unterstütze. Sie glaubt, dass die beiden weit über ihre Verhältnisse leben, und das macht ihr Sorgen.“

      „Wie ist er bei der Arbeit?“

      „Sie meint, dass er tüchtig sei. Nur ihre Ansichten über die Zukunft der Firma seien eben verschieden. Ein Teil des Führungspersonals stehe auf seiner Seite, der andere habe auf der ihres Mannes gestanden.“

      „Wenn sie einen Verdacht hat, dass er über seine Verhältnisse lebt, dann soll sie sich doch genauer darüber informieren.“

      „Sie kann ihn doch nicht fragen!“

      „Nein, aber sie kann einen Detektiv anstellen. Kannst du dich noch an meinen Herrn Wotruba erinnern? Sprich einmal mit ihr. Er ist ein tüchtiger Bursche, den kann ich ihr empfehlen.“

      Am nächsten Abend kam bei einem Glas Rotwein die Sprache neuerlich auf die Lederer Pharmazeutik. Julia hatte mit ihrem Mitarbeiter den ganzen Tag in Raaba verbracht. Es war dabei hauptsächlich um die Regelung des Nachlasses gegangen.

      „Ich habe Marion vorgeschlagen, einen Detektiv zu engagieren, und ihr erzählt, dass Wotruba für dich hervorragende Arbeit geleistet hat. Sie will aber ihrem Schwiegersohn nicht nachspionieren.“

      „Das verstehe ich auch. Wenn er das erfährt, ist der Familienfriede ein für allemal gestört.“

      „Ich habe ihr jedenfalls die Adresse von Wotruba gegeben. Sie hat uns übrigens am Wochenende zu einem Abendessen eingeladen.“

      Am Samstagabend fuhren wir nach Petersbergen, ein Wohnviertel im Südosten von Graz, wo die Lederers ein schönes und standesgemäßes Haus besitzen – mit einem prachtvollen Ausblick auf den Süden von Graz und auf das steirische Mittelgebirge. Das Haus gefiel mir, ein ­moderner, aber perfekter Schuhschachtelstil, harmonisch in die Landschaft eingefügt. In der Auffahrt standen schon einige Luxusautos, neben denen sich Julias Golf etwas mickrig ausnahm. Für mich sind Autos ein Gebrauchsgegenstand, ich habe zwar immer ordentliche besessen, aber als Statussymbol benötige ich sie nicht. Und es dauert bei mir auch immer ziemlich lange, bis eine Beule im Kotflügel ausgebessert wird. Vor allem wenn ich ins Ausland fahre und in besseren Hotels absteige, lasse ich mir vorher die Karosserieschäden richten.

      Ein Mädchen führte uns durch das Haus auf eine ­Terrasse. Außer uns war noch ein Paar, offenbar enge Freunde der Familie, eingeladen, außerdem waren die beiden Kinder und der austro-kanadische Schwiegersohn von Marion zugegen. Wir wurden einander vorgestellt – der Herr war ein Banker und seine Begleiterin eine ­Unternehmerin – und nahmen einen Aperitif. Das Gespräch drehte sich um Kredite, Investitionen und Auslagerungen. So wie Mediziner über Medizin sprechen und Juristen über Rechtsfälle, sprechen Geschäftsleute gerne über Geschäfte. Mich interessierte das Thema nicht, doch Julia hörte gespannt zu. Ich wandte mich den beiden Geschwistern zu und sagte zu Roswitha: „Ich habe gehört, Sie haben eine Galerie in Graz eröffnet.“

      Die zarte junge Frau bekam gleich etwas Farbe im Gesicht: „Interessieren Sie sich für bildende Kunst?“

      „Ich bin zwar Arzt, beschäftige mich aber schon seit meiner Jugendzeit mit Kunst.“

      „Diese ewigen Gespräche über Investitionen und Umsätze kann ich schon nicht mehr hören. Kommen Sie mit, ich zeige Ihnen einige schöne Bilder, die ich meinen ­Eltern aufgedrängt habe.“

      Sie führte mich ins Haus. Im großen Wohnzimmer harmonierten eine moderne Sitzgruppe und ein schöner Barockschrank miteinander und an den Wänden befand sich eine ansprechende Mischung von modernen und ­alten Bildern. Ein Rainer, ein Prachensky, ein Weiler hingen neben einer prachtvollen italienischen Landschaft aus dem 17. Jahrhundert und einem Biedermeierporträt. Im nächsten Raum, in dem für uns gedeckt war, fanden sich Arbeiten von Giuseppe Penone, Morris Louis und Wolfgang Hollegha.

      „Wissen Sie, dass Hollegha mit Louis zusammen in den USA ausgestellt hat?“

      „Ich weiß, deswegen habe ich Papa überredet, die beiden Bilder zu kaufen. Er ließ mir freie Hand. Ich durfte auch beim Hausbau vor vier Jahren mitreden.“

      „Sie haben einen sicheren Geschmack, meine Hochachtung. Sie hätten Innenarchitektin werden sollen.“

      Auch in den anderen Räumen sah ich noch viele schöne Bilder. Angeregt durch ein Gespräch über die zeitgenössische Kunst, kehrten wir zu den anderen zurück. Ein strafender Blick Julias ereilte mich. Marion meinte nur: „Da haben sich die beiden Richtigen gefunden.“

      Bei Tisch ging die Konversation im gleichen Stil weiter. Es wurde über Expansion und Geld diskutiert. Wortführer war Kevin Miller, der auch von einem neuen Medikament, das die Lederer Pharmazeutik entwickelte, erzählte. Es war ein Schlankheitspräparat, in das große Hoffnungen gesetzt wurden. Auch Marion, die ich immer als Kollegin betrachtet hatte, schien viel vom Geschäft zu verstehen und vertrat energisch ihre Meinung. Kevin war der Ansicht, dass man jetzt investieren müsse, da man Kredite für niedere Zinsen bekomme. Ich dachte mir nur, dass wir dafür auch für unsere Einlagen von den Banken nichts bekommen. Mein altmodisches Sparbuch brachte weniger an Zinsen, als die gegenwärtige Inflation verschlang. Wenn man noch die Kontogebühren dazurechnete, könnte man fast zu dem Entschluss kommen, sein Geld daheim unter der Matratze aufzubewahren. Julia sprach wenig, hörte nur zu. Ich saß den beiden jüngeren Leuten gegenüber, beteiligte mich nicht am Hauptgespräch und unterhielt mich mit den beiden über Kultur.

      „Sammeln Sie?“, fragte mich Roswitha.

      „Ein wenig, aber ich habe keinen Platz mehr in meinem Haus. Manchmal verkaufe ich auch etwas.“

      „Das tun nur wenige.“

      „Ein Sammler beginnt dann einer zu sein, wenn er weitere Kunstwerke erwirbt, obwohl sein Haus oder seine Wohnung schon voll ist und er nichts mehr aufhängen oder aufstellen kann.“

      „Da haben Sie recht.“

      Dann erzählte ich etwas über meinen medizinischen Alltag, was sie einigermaßen zu interessieren schien. Insgesamt verlief der Abend unterhaltsam.

      Als ich mich von Marion verabschiedete, meinte sie: „Du Armer, heute hast du dir eine Menge vom Geschäft anhören müssen.“

      „Ich habe mich mit deinen wirklich netten Kindern sehr gut unterhalten.“

      Auf der Heimfahrt fragte ich Julia: „Was sagst du zum Schwiegersohn?“

      „Eine starke Persönlichkeit, aber schwer einzuschätzen. Zu mir sehr höflich, er macht mir ein wenig den Hof. Seine Bemerkungen über die Entwicklung der Firma präsentiert er bestimmt, aber vorsichtig. Er weiß, dass er noch nichts zu sagen hat. Ich schätze ihn als tüchtig ein. Seine Ansichten scheinen mir vernünftig zu sein. Aber Roswitha hat es mit ihm sicher nicht leicht, er ist sehr dominant.“

      „Wann ist die Erbschaft abgewickelt?“

      „Das wird noch lange dauern. Die Familie ist wirklich reich. Da zahlt es sich aus, einzuheiraten. Trotzdem gibt es bei der Weiterentwicklung der neuen Schlankheitspille finanzielle Engpässe.“

      „Bis heute ein Medikament auf den Markt kommt, kostet es


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