Kreta Reiseführer Michael Müller Verlag. Eberhard Fohrer

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mit Lichtschacht und Terrasse. (Vitrine 36).

      Ein­zigartig sind die Fayence-Plättchen, die die Häuser der Minoer im Miniformat dar­stel­len (Vitrine 37). Sehr detailliert sind Fens­ter, Mauer­werk und Lichtschächte dargestellt.

      Eine ungewöhnliche Arbeit ist das in Knos­sós gefundene Spielbrett aus Elfen­bein mit Ein­lege­arbeiten aus Bergkristall, Sil­ber, Gold und Glasmasse (Vitrine 39). Das Spiel ähnelt dem heu­tigen Tavli-Spiel.

      Eindrucksvolle Tongefäße im „Meeresstil“ zei­gen u. a. einen Oktopus, der mit seinen Fang­ar­men die Flasche umschlingt (Vi­trine 43).

      Saal 5 Die ungetümen Gewichte aus Kupfer, die als Zahlungsmittel verwendet wurden, trug man angeblich auf den Schul­tern (des­halb die leicht gebogenen Sei­ten), ge­fun­den wurden sie im Palast von Agía Tri­áda (Vitrine 50).

      Die beiden minoi­schen Schrifttypen sind auf Täfelchen erhalten (Vitrine 52). Die frühe Linear-A-Schrift ersetzte die Hie­ro­gly­phen­schrift (→ Diskos von Festós) und ist wie diese bisher nicht ent­rät­selt. Die spä­tere Li­near-B-Schrift wurde während der Zeit der myke­ni­schen Herrschaft auf Kre­ta be­nutzt und konnte entziffert wer­den. Es han­delt sich bei diesen Täfel­chen um den Teil ei­ner Inventar­liste des Pa­lastes von Knossós.

      Der Diskos von Festós

      In einem allein stehenden Glaskubus in Saal 5 (Vitrine 51) nimmt der be­deu­tendste Fund aus dem Palast von Festós einen Ehren­platz ein. Die Ton­schei­be von 16 cm Durchmesser mit spi­ral­förmig von innen nach au­ßen ver­lau­fen­den Hie­r­oglyphen wurde 1908 ge­fun­den und stammt aus der Zeit zwi­schen 1700 und 1600 v. Chr. Die insge­samt 45 Zei­chen wurden mit Stem­peln in den noch wei­chen Ton ge­drückt - ein frühes Bei­spiel vor­an­tiker Druck­kunst. Man er­kennt Köpfe mit Helm­bü­schen, Gestalten, Vögel, Blu­men und an­de­re einfa­che Symbole - aber bis heute ist der Diskos nicht ent­zif­fert! Nicht einmal über den mut­maßlichen Inhalt des beid­seiti­gen Textes ist man sich einig - viel­leicht eine Art sakraler Hymnus, da man einen Re­frain zu erkennen glaubt. Jedes Zeichen be­deutet eine Silbe, die Wör­ter sind mit sen­krechten Stri­chen von­einander ge­trennt.

      Saal 6 Das Modell eines Stierspringers aus Elfenbein steckt auf einem dünnen Pla­s­tik­stab frei in der Luft, um die Bewe­gung zu demons­trieren (Vitrine 63).

      Das auffallende Stierspringerfresko gibt Anlass zu Spe­kulationen (Vitrine 60). Allem Anschein nach war der Stier den Minoern heilig und die Stier­springer tra­ten im Rah­men von Stier­spie­len auf. Sie warteten auf den an­stür­men­den Koloss, packten ihn im letzten Mo­ment an den Hörnern und schwangen sich in ei­nem ho­hen Salto auf seinen Rücken (→ Link).

      Auf Goldblech (Ummantelung eines Schwert­griffs) ist die zirkusreife Leistung ei­nes Akro­ba­ten eingepresst: Er beugt sich so weit zu­rück, dass der Kopf die Füße be­rührt. (Vitrine 61).

      Ein besonderer Hingucker sind auch die mäch­ti­gen Dop­pel­äxte aus dem Mégaron Nírou, ei­ner mi­no­ischen Villa in Kokkíni Cháni (öst­lich von Irá­klion). Die Doppelaxt war den Mi­noern hei­lig.

      Saal 7 Die Schnittervase aus Agía Triáda in Form eines Straußeneis (die untere Hälfte wur­de rekonstruiert) hat eine eigene Vitrine. Sie besteht aus Steatit und zeigt einen langen Zug von Erntearbeitern, begleitet von Musi­kern, viel­leicht eine Dank­prozes­sion (Vitrine 75).

      Höchst eindrucksvoll sind auch die filigran gear­beiteten Mini-Doppeläxte aus Gold (Vitrine 65).

Die Schlangengöttin

      Die Schlangengöttin

      Saal 8 Berühmt ist der Stierkopf aus Stea­tit, nur die rechte (dunklere) Seite (in der Drauf­sicht links) ist echt, der Rest wur­de er­gänzt (Vitrine 79). Er diente vielleicht als Kult­ge­fäß für Blutopfer - im Genick ist eine Ein­guss­öff­nung, im Maul der Aus­guss. Mit dem Op­fer stimmte man die Stier­gottheit gnä­dig. Das Au­ge besteht aus Bergkristall und Jas­pis, die Nüs­tern sind mit Perlmutt um­ge­ben, die ver­gol­de­ten Hörner sind er­gänzt.

      Die voll­bu­sigen Schlangengöttinnen (oder Pries­terinnen) stam­men aus den unterirdi­schen Schatzkam­mern des Zen­tralheilig­tums von Knossós und sind zum Symbol der minoi­schen Kul­tur gewor­den (Vitrine 83). Schlan­gen galten den Mi­noern als hei­lig. Die eine Figur hält sie hoch über dem Kopf, bei der ande­ren winden sie sich um den Kör­per. Auch hier fällt wieder die eigen­ar­ti­ge Tracht auf: wei­ter, langer Rock, ext­rem en­ge Mie­der, der Busen gänzlich un­be­deckt.

      Auch der legendäre Ring des Minos hat hier seinen Platz gefunden (Vitrine 78). Ihm wird große Bedeutung bezüglich der mi­noi­schen Re­li­gion zugesprochen, weshalb er un­ter dem Stich­wort „Epiphany“ (Er­schei­nung des Gött­lichen) firmiert. Der Ring ist 3500 Jahre alt und war einer hochge­stell­ten mi­noischen Per­sön­lich­keit, viel­leicht ei­nem Kö­nig, ins Grab mit­ge­ge­ben wor­den. Auf sei­ner ova­len Fläche sind äu­ßerst filigran ein­gra­viert: ein Hü­gel­heiligtum in der Mitte, rechts eine klei­ne schwebende und eine sit­zen­de weib­liche Fi­gur (Gott­hei­ten?), wei­ter­hin zwei Frau­en, die in Bäu­men klettern (Baum­kult), und unten ein Boot, das von einer myt­hischen Gestalt (Gottheit?) ge­ru­dert wird. Zwei ähnli­che Ringe, die an ver­schiede­nen Orten Grie­chen­lands ge­funden wur­den, be­kräftigen die Bedeutsamkeit der Darstellung.

      Der Ring wurde bereits 1928 von ei­nem Jun­gen in einem Grab südlich von Knossós ge­fun­den. Sein Vater übergab ihn dem Dorf­pries­ter, der ihn Sir Ar­thur Evans ver­kaufen wollte. Man wurde sich jedoch nicht han­del­s­einig, sodass sich der Priester in den 30er Jahren deswegen erneut an die Ar­chäo­logen Nikolaos Platon und Spy­ri­do­nas Marinatos wandte. Die beiden Wis­sen­schaft­ler waren sich jedoch über die Echt­heit des Rings uneinig, so blieb er weiter­hin beim Pries­t­er. Erst 2002 wurde er end­gül­tig als echt er­kannt.

      Nachpalastzeit (1450-1300 v. Chr.), Saal 9 bis 12: Die Nachpalastzeit war die Spätzeit des Palastes von Knos­sós, denn als ein­zig­er der gro­ßen Paläste wurde er nach der rät­selhaften Ka­tas­tro­phe von 1450 noch einmal be­wohnt, und zwar von my­kenischen Ein­wan­derern. Die minoische Kultur war je­doch im Nie­der­gang. Es wurden ein­fa­chere Ma­terialien ver­wendet, Sche­ma­ti­sie­run­gen häuften sich, die grö­bere my­ke­ni­sche Kunst über­deckte oder kopierte die ehe­ma­lige Origi­nalität. Zu sehen sind u. a. Schrifttafeln, Grab­pithoi, Grabbei­gaben, Helme und Schwer­ter, Vasen und Schmuck, auch ein paar minoische Stücke haben sich hierher verirrt. Ein Höhepunkt sind die Sarko­phage in Saal 12.

      Saal 10 Der prächtige Lederhelm mit auf­genähten Eberzäh­nen ist ein typisch my­ke­nisches Stück. (Vitrine 105), anmutig und höchst künstlerisch ist die Ala­bas­tervase in Form einer Tritonmuschel (Vi­trine 109).

      Der Sarkophag von Agía Triáda

      Der bedeutendste aller Sarkophage in Saal 12 ist von einer Glas­vitrine umgeben. Er stammt et­wa von 1400 v. Chr. und besteht aus Kalkstein, damit ist er der ein­zige Stein­sarkophag, der je auf Kreta gefunden wur­de. Er ist über und über be­malt, wobei die Fresken besonders gut er­hal­ten sind. An den beiden Längssei­ten sind kul­tische Hand­lungen dargestellt. Auf der ei­nen ein Stier­opfer - das Tier liegt ge­fesselt auf ei­nem Altar, da­runter zwei wei­tere Op­fer­tie­re, dahinter ein Flöte spie­len­der Mu­si­kant, rechts wäscht sich ei­ne Prieste­rin die Hän­de. Auf der anderen Sei­te links Pries­te­rin­nen - eine hat ei­ne Tragestange mit Kör­ben auf der Schulter, die an­dere gießt das Blut des ge­op­fer­ten Stieres in ein Ge­fäß zwi­schen Dop­pel­äx­ten. Rechts brin­gen drei Män­ner dem To­ten, der vor sei­nem Grab steht, Kälber und ein Schiff.


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