Kreta Reiseführer Michael Müller Verlag. Eberhard Fohrer

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des Raumes ein, gefunden wurden sie in mehreren Nekropolen. Die Minoer bestatte­ten darin ihre Toten mit auf der Brust ge­kreuzten Armen und angezogenen Beinen.

      Archaische und klassische Zeit (900-400 v. Chr.), Saal 26 und 27: Die archaische Zeit (700-600 v. Chr.) ist vor allem durch ihre Monumentalkunst bekannt, ori­gi­nä­res Kunstschaffen existierte da­mals auf Kreta nicht mehr. Aus­ge­stellt sind auf Kreta gefundene Groß­skul­p­tu­ren so­wie Köpfe aus Marmor, sie stam­men vor allem aus Górtys, der da­ma­ligen römi­schen Inselhauptstadt. Zu den Prunkstücken der Klassik gehört am Ende des Saales 27 die Skulp­turen­gruppe Pluto und Perse­phone (Seraphis/Isis) mit dem drei­köpfi­gen Hund Cerberus, dem Wächter der Unterwelt.

      Minoische Fresken, Korridor: Im brei­ten Korridor vor den Aus­stellungs­sälen sind die Reste der farben­präch­tigen Wand­fresken zu sehen, die das In­nere des Palastes von Knossós und ver­schie­dener an­de­rer Pa­läste und Vil­len schmück­ten. Sie stammen fast aus­schließlich aus der Neu­palast­zeit (1700-1450 v. Chr.).

Im Korridor der Fresken

      Im Korridor der Fresken

      Streng genommen muss man eigent­lich von Wandmalereien und nicht von Fres­ken spre­chen. Die Minoer pinselten ihre Farben nämlich nicht auf den noch feuch­ten Wand­verputz (al fresco - ital. = im Feuch­ten), wie es für echte Fres­ken­ma­lerei notwendig ist, sondern auf den be­reits trockenen Gips­belag. Wäh­rend sich „al fresco“-Malerei, die vor allem die ita­lienischen Re­naissance­künst­ler meis­terhaft einsetzten, un­trenn­bar mit dem Grund ver­bin­det und für Jahr­tau­sen­de dauerhaft kon­serviert ist, blätterten die mi­noi­schen Gemälde bald ab. So blie­ben nur karge Reste der teilweise über­lebens­gro­ßen Dar­stel­lun­gen er­halten. Schon im Auftrag des Entdeckers Sir Arthur Evans (→ Knos­sós) ging der Schweizer Künst­ler Gillieron An­fang des 20. Jh. in müh­samer Kleinar­beit daran, die ehema­ligen Gesamtkompo­si­tionen der Wand­bilder zu re­kon­struieren. Mit gro­ßer Akribie er­schloss er aus den spär­lichen Origi­nal­frag­menten die ur­sprüng­li­chen, groß­flächi­gen Wand­ge­mäl­de. Dem heu­tigen Be­trachter scheint es kaum mehr vorstell­bar, wie man aus den oft nur hand­tellergro­ßen Stücken me­ter­ho­he Figu­ren herleiten kann. Doch Gillieron konn­te aus dem Ver­gleich des gesam­ten erhal­tenen Mate­rials ge­wis­se, im­mer wie­der­keh­rende Re­gel­mä­ßig­keiten ablei­ten, die für alle Bilder zu­trafen und so die feh­len­den Teile schlüs­sig er­set­zen. Aller­dings wird mitt­lerweile in der For­schung vie­les davon in Frage gestellt - vor allem der „Prinz mit den Lilien“ ent­stammte wohl mehr der Fantasie von Evans, denn er setzte die Gestalt des Priester­königs aus Teilen mehrerer Bil­der zusammen. Immerhin soll die be­tö­ren­de Farben­pracht der Fresken authen­tisch sein. Auf den Original­stücken ist davon allerdings nur noch ein schwa­cher Ab­glanz zu entde­cken - die re­kons­truierten Teile über­strah­len sie bei weitem.

      Thematisch sind hauptsächlich Natur­szenen und Kulthandlungen dar­ge­stellt, Män­ner sind meist rot gemalt, Frauen haben weiße Haut. Üppiger Naturalis­mus, Freu­de an Farbe und Fan­tasie kenn­zeich­nen die Bilder - ein auffallender Ge­gen­satz zu den streng stilisierten Fres­ken der Ägyp­ter, von denen die Mi­noer diese Tech­nik an­geblich übernommen ha­ben.

      An der Nordwand sieht man Frag­mente des Prozessions­kor­ri­dors aus Knossós. Im Ori­gi­nal sollen es 500 (!) Fi­gu­ren gewesen sein, die sich in lan­gen Reihen auf die zen­tral ge­malte Prin­zessin oder Göttin zu­be­weg­ten. Sie halten Ge­fäße in der Hand, am Ende steht der bekannte Rhy­ton­trä­ger, von ihm ist sogar der Kopf er­halten.

      An der gegenüberlie­genden Wand trägt der sog. Prinz mit den Lilien einen Len­den­schurz und einen Kopfschmuck aus Lilien. Mit der Hand zieht er ein nicht erhaltenes Wesen hinter sich her, vielleicht einen sog. Greif, der die Macht des Mínos verkörperte (→ Link). Es wird spekuliert, dass es sich dabei um den Priester­könig von Knossós handeln könnte, doch die Darstellung des Prin­zen wird von der Wissenschaft stark in Frage gestellt. Die Lilienkrone, die Evans ihm aufs Haupt setzte, stammt z. B. wohl von einer Göttin oder Sphinx.

      An derselben Wand hängt das wun­der­bare Fresko Drei Blaue Damen.

      Die kleine Pariserin aus dem Piano Nobile in Knos­sós ist eins der berühm­testen Fres­ken des Palastes. Es stellt eine Pries­te­rin dar, wie man an dem kul­tischen Kno­ten im Haar erkennt. Die Ausgräber sahen aber in ihr eine junge attraktive Frau, die sie sich am besten in Paris, dem da­ma­li­gen Zent­rum von Eleganz und Mode, vor­stel­len konn­ten.

      Griechisch-römische Abteilung, Saal 14 bis 25: Die umfangreiche Sammlung umfasst Stücke von der geometrischen über die archaische bis zur klassischen, hellenistischen und römischen Epoche (10.-1. Jh. v. Chr.). In der geometrischen Epoche (900-650 v. Chr.) verschmolzen mi­noische, grie­chi­sche und orien­ta­lische Einflüsse mit­ein­an­der, eine eigent­lich kretische Kunst gab es nicht mehr. Die Keramik war wuch­ti­ger und strenger als bei den Mi­noern, teil­weise abge­mildert durch die ver­spiel­ten orien­talischen Motive.

      Saal 17 Die großen, gehämmerten Bronze­schilde am Ende des Saales (Vitrine 171/172) thematisieren den Geburtsmythos des Zeus und wurden in der Idäischen Höhle oberhalb der Nída-Hochebene gefunden (→ Link).

      Saal 18 Hier fällt ein kleiner, runder Schrein auf, in dem eine Gottheit mit erhobenen Hän­den steht, beobachtet durch eine Öffnung in der Decke von zwei Menschen, davor liegt ein Hund, wahrscheinlich der Wächter des Heilig­tums (Vitrine 183).

      Saal 19 Viel beachtet ist die kleine Vase, die ein Liebenspaar in kindlich-naiver Darstellung zeigt, das gerne als Theseus und Ariadne bezeichnet wird (Vitrine 193)

      Weitere Säle In Saal 20 ist der Mosaik­boden einer römischen Villa in Chersónissos ausgestellt. In Saal 21 beeindruckt die große Sammlung Münzen, sowohl kretischen wie nicht-kretischen Ur­sprungs. In Saal 22 steht die ausdrucks­starke Bronzestatue ei­nes Ju­gend­lichen aus hellenistischer Zeit, der - wohl wegen seines frühen Todes - Schmerz und Trauer ausstrahlt. Saal 23 zeigt schließlich einen Teil der umfangreichen Privatsammlung des Arztes Dr. Giamalakis von der prä­histo­rischen Zeit bis zur Moderne, darunter zahl­reiche minoische Siegelsteine.

      Bei der Renovierung des Museums wur­den die Grundmauern der Kirche des ehemali­gen venezianischen Klos­ters San Francesco aus dem 13. Jh. frei­gelegt, sie sind im östlichen Außen­bereich zu sehen. Hier lebte als Mönch einige Zeit der spätere Gegenpapst Alexander V. (→ Link). Das Kloster wur­de unter den Osmanen in eine Moschee um­gewandelt, später durch Erd­beben beschädigt und 1937 schließ­lich abgerissen.

      Die Sammlung schließt zeitlich an das Archäologische Museum an und be­her­bergt eine Vielzahl von Stücken aus der kretischen Geschichte - vom Früh­chris­ten­tum über die byzan­tinische, ve­ne­zianische und os­ma­ni­sche Epoche bis zum 20. Jh., darunter sogar zwei klei­ne Gemälde des be­rühmten „El Greco“ - die beiden ein­zi­gen, die Kre­ta besitzt.

      Un­ter­ge­bracht ist das Museum im herr­schaftlichen Haus der Familie Kalokerinos aus dem 19. Jh., das west­lich vom venezianischen Hafen direkt an der Uferstraße steht. Mitte der 1990er Jahre wurde ein Seitenflügel in mo­derner Glasarchitek­tur ange­baut, in dem sich auch der Eingang befindet. Es gibt 23 Raumeinheiten, zwei Säle für Wechselausstellungen und ein Café.

      ♦ April bis Okt. Mo und Mi-Fr 10-17 Uhr, Sa/So 11-17 Uhr, Di geschl. Eintritt ca. 5 €, Schül./Stud. u. Senioren über 65 J. ca. 3 €, Kinder unter 12 J. frei. Tel. 2810-283219, www.historical-museum.gr.


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