Sei dir selbst eine Insel. Ayya Khema

Sei dir selbst eine Insel - Ayya Khema


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im Garten arbeiten oder irgendetwas anderes tun. Allerdings werden wir nur dann zu innerer Harmonie gelangen, wenn wir zufrieden sind. Unzufriedenheit erzeugt Missklänge. Daran ist nichts zu ändern. Das ist nur folgerichtig.

      Innere Zufriedenheit wiederum kann nicht von äußeren Faktoren abhängen. Diese sind niemals fehlerlos. Und das wäre auch völlig unmöglich. Zwei Monate lang war es hier viel zu heiß. Also hat sich jede darüber beklagt, dass sie zu viele Pflanzen zu bewässern hatte. Jetzt hat sich die Trockenheit in ihr Gegenteil verkehrt: Es regnet zu viel. Alles ist schmutzig, schlammig, matschig. Wo nur, wo, könnten wir die Idealsituation finden, den vollkommenen Augenblick? Es gibt ihn nicht.

      Wir werden vergeblich nach den äußeren Voraussetzungen suchen, die uns vollkommen zufriedenstellen. Wir suchen am falschen Ort. Wir müssen die innere Voraussetzung entdecken, die uns zufrieden macht, und diese innere Voraussetzung benötigt zu ihrer Erfüllung mehrere Faktoren, zum Beispiel Unabhängigkeit. Ich meine hier nicht finanzielle Unabhängigkeit, die vielleicht andere Unabwägbarkeiten mit sich bringt. Nein, ich spreche von emotionaler Unabhängigkeit, die wir nur gewinnen, wenn wir nicht mehr auf äußere Zustimmung angewiesen sind.

      Wir wissen einfach, dass wir immer unser Bestes zu geben versuchen, und wenn uns dann irgendwer seine Zustimmung oder Anerkennung verweigert und uns kritisiert, lässt sich daran auch nichts ändern. Schade zwar, aber so ist es nun einmal. Der Buddha ist auch nicht überall nur auf Zustimmung gestoßen. Aber er hat gesagt: »Ich hadere nicht mit der Welt, die Welt hadert mit mir.« Er hat es akzeptiert, wenn Menschen mit ihm oder mit seiner Lehre uneins waren. Er hat gewusst, dass nicht jeder einverstanden sein kann.

      Zufriedenheit ist eine innere Qualität, die uns in einer Weise unabhängig macht, dass wir nun nicht mehr nach Unterstützung von außen Ausschau halten. Wir tun unser Bestes. Manchmal ist das Beste mehr als genug, manchmal nicht genug. Manchmal will es einfach nicht klappen. Auch damit müssen wir uns abfinden, ganz gleich ob die anderen dies gutheißen oder nicht.

      Wir können nicht darauf warten. Im Übrigen: Wie sollten wir darauf auch warten können? Sie werden niemals alle beisammen sein. Und im Allgemeinen sind die Menschen auch niemals alle einer Meinung. Wenn wir also gelegentlich nicht so viel zustande bringen, wie wir gedacht hatten, ist dies nicht weiter schlimm; kein Grund, unzufrieden zu sein. Wahrscheinlich ist es nur eine gute Lernerfahrung: »Dieses Mal habe ich nicht so viel geschafft, wie ich dachte, schaffen zu können.«

      Ohne Liebe gibt es keine innere Zufriedenheit. Wer sich nach Liebe sehnt, ist emotional abhängig und unzufrieden, denn er hat nicht, was er gern haben möchte. Und wenn er dann bekommt, was er sich ersehnt, ist er wahrscheinlich immer noch unzufrieden, weil es ja eigentlich mehr sein sollte oder weniger. Aber selbst wenn es denn endlich genau die richtige Menge Liebe ist, ist sie doch immer noch nicht dauerhaft genug, sondern eben wechselhaft. Sich nach Liebe zu sehnen ist eine schrecklich unbefriedigende Sache und wird niemals das Gefühl letztlicher Befriedigung schenken. Manchmal gelingt der Versuch, manchmal aber auch nicht. Was allerdings immer gelingt, ist Lieben. Lieben führt immer zu emotionaler Unabhängigkeit und Zufriedenheit. Wir können einen anderen Menschen lieben, ganz gleich, ob er diese Liebe annimmt oder nicht. Wenn wir andere Menschen lieben, hat das noch nicht einmal unbedingt etwas mit ihnen zu tun: Es ist eine Eigenschaft unseres Herzens.

      Zufriedenheit beruht also auf Liebe, darauf, dass wir in unserem Herzen ein Feld der Harmonie hervorbringen. Dieses Feld der Harmonie sollte viele verschiedene Blumen tragen: Liebe, emotionale Unabhängigkeit, Zufriedenheit mit uns selbst, mit dem Menschen also, der wir nun einmal sind. Die Harmonie beruht nicht darauf, dass wir uns nach Liebe und Anerkennung verzehren. Im Gegenteil: Wir schenken Anerkennung und Liebe. Das ist so simpel. Und es funktioniert, weil es einfach funktionieren muss. Was könnte funktionieren, wenn nicht dies? Es macht uns großzügig. Und es funktioniert, weil es bedeutet, dass wir geben.

      Sobald jemand an uns herantritt und etwas von uns will, fühlen wir uns bedroht. Das »Ich« fühlt sich bedroht: »Wenn ich jetzt gebe, was man von mir will, werde ich mich eingeschränkt und kleiner fühlen.« Daraus entsteht Disharmonie. Stellt euch einmal vor, es steht jemand mit einer Pistole in der Hand vor uns und fordert unser Hab und Gut. Wir würden uns doch bedroht fühlen, oder etwa nicht? Und so ähnlich fühlen wir uns auch, wenn jemand auf uns zukommt und unsere Liebe von uns haben will. Verschenken wir dagegen Liebe und Anerkennung, bedrohen wir erstens die anderen nicht und müssen zweitens auch nicht auf der ständigen Suche danach durch die Gegend irren. Diese innere Zufriedenheit im eigenen Herzen ist der einzige Weg zu einem harmonischen Leben. Wie könnten wir überhaupt mit irgendeinem Menschen friedlich und harmonisch zusammenleben, wenn wir nicht einmal mit uns selbst dazu in der Lage sind? Wir müssen mit uns selbst in Einklang leben. Mit wem sonst?

      Gelegentlich fühlen wir uns physisch nicht ganz wohl. Das ist kein Grund, unzufrieden zu sein. »Ich bin der Krankheit unterworfen.« Wir rezitieren diesen Satz jeden Abend. Das heißt aber nicht, dass ich darüber unglücklich und unzufrieden werden muss. Die Natur des Körpers macht Krankheit unvermeidlich. Also, der Körper fühlt sich nicht wohl – mehr nicht. Der Körper hat Schwierigkeiten. Das ist nicht ungewöhnlich. Der Körper hat immer irgendwelche Schwierigkeiten.

      Ein andermal glaubt der Geist vielleicht, dass er irgendetwas braucht. Nun gut, dann lasst den Geist dies eben einfach glauben. Das heißt nicht, dass ihr euch darin verstricken müsst. Sobald ihr euch darauf einlasst, dem Leiden zu glauben, das Körper und Geist hervorbringen, werdet ihr keinen Augenblick mehr zufrieden sein. Wo könntet ihr dann auch Zufriedenheit finden? Zufriedenheit hat nichts mit einem eigenen Haus, der Natur oder den Menschen zu tun, denen ihr begegnet. Zufriedenheit hat nur eine Heimat: euer eigenes Herz; und nur eine Grundlage: die Einsicht, dass wir ein Feld der Harmonie um uns aufbauen und uns mit dem Gefühl tiefer Befriedigung beglücken, wenn wir Liebe und Anerkennung verströmen. Dies ist wahre Lebenskunst.

      Wahre Lebenskunst will gelernt sein. Wir können sie uns aneignen, wenn wir dazu bereit sind, uns selbst in den anderen zu begegnen. Wie könnten wir wissen, wie wir ausschauen, hätten wir nicht einen Spiegel, der es uns zeigt? Um uns selbst zu sehen, brauchen wir den Spiegel der Begegnung, das Spiegelbild unseres eigenen Seins in den anderen. Die Unstimmigkeiten, die wir mit anderen Menschen haben, sind eine Spiegelung unseres eigenen Spiegelbildes. Leben wir mit uns selbst in Einklang, wird unser Verhältnis zu den anderen ebenfalls keine Missklänge aufweisen. Dies ist dann schlechterdings unmöglich. Unser Spiegelbild lügt nicht.

      In einer Lehrrede spricht der Buddha von drei Mönchen, die wie Milch und Wasser zusammenlebten. Sie verschmolzen vollkommen miteinander. Es herrschte absolute Harmonie zwischen ihnen, weil keiner seinen eigenen Willen durchsetzen wollte. Nun, diese drei waren Arahats. Es wäre vielleicht zu viel von uns verlangt, wenn wir es ihnen sofort gleichtun wollten. Immerhin vermittelt uns diese Geschichte eine Vorstellung von dem Ziel, das wir anstreben. Und dies ist notwendig. Wir würden nämlich immer nur unserem eigenen Geist glauben, wenn wir keine Vorstellung von unserem Ziel hätten. Wir würden meinen, dass unsere negativen Einstellungen und Reaktionen vollkommen gerechtfertigt sind, weil irgendjemand irgendetwas getan hat, das schlecht für uns oder doch zumindest unangenehm war.

      Harmonie wird an vielen Stellen erwähnt. Für ein glückliches Leben ist sie ein wesentlicher Faktor. Manchmal hängen die Menschen an ihrem Leiden, an ihrem Dukkha. Das ist eine weitverbreitete Krankheit. Wer begreift, wie dumm sie ist, wird die Finger davon lassen. Alle Lebewesen streben nach Glück. Man braucht nicht einmal ein Mensch zu sein, um glücklich und zufrieden leben zu wollen.

      Wir versuchen es mit Meditation, damit wir uns glücklicher fühlen, als wir vorher waren. Aber wir können nicht den ganzen Tag sitzen und meditieren. Manchmal scheint die Meditation auch verschüttete Erinnerungen an den Tag zu bringen, die wir nicht einmal anschauen wollen. Und wir haben auch zuweilen das Gefühl, dass uns unsere Meditation mehr Dukkha einbringt, als wir ohnehin schon haben. Aber dies scheint nur so, weil wir uns endlich unser Leiden eingestehen. Gestehen wir uns ein, dass wir leiden, müssen wir automatisch Mitgefühl für das Leiden aller anderen Wesen empfinden. Es kann gar nicht anders sein. Mensch sein heißt leiden. Es mag zwar verschiedene Entwicklungsstufen geben, aber Kinder sind nun einmal Kinder, ganz gleich ob sie ins erste, zweite oder dritte Schuljahr gehen.

      Da wir Dukkha an uns und in uns selbst finden, wären wir sehr


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