Sei dir selbst eine Insel. Ayya Khema
draußen« finden müssten, um endlich unseren Frieden zu finden, um endlich zufrieden zu sein.
III
Miteinander sprechen
Es ist eine große Hilfe, gelegentlich gar keine Gespräche zu führen, geistig still zu sein, oder generell weniger zu reden. Der Buddha hat sich häufig über die Rechte Rede geäußert. Die Rechte Rede ist ein Bestandteil des Edlen Achtfachen Pfades und der Fünf Tugendregeln; auch in der Lehrrede vom Großen Segen (Mahā Maṅgala Sutta) ist sie erwähnt. Dort steht ebenfalls etwas über freundliche und höfliche Worte. Der Buddha hat dem sprachlichen Ausdruck und Umgang sogar eine ganze Lehrrede gewidmet, die sogenannte »Darlegung der Freiheit von allem Widerstreit«. Er hat sich zu diesem Thema geäußert, weil er zeigen wollte, dass Rede zu Kontroversen und Auseinandersetzungen führt, sobald wir nicht den richtigen Gebrauch von ihr machen.
Die meisten Menschen glauben, dass sie schon allein deswegen die Rechte Rede beherrschen, weil sie von ihrem Mundwerk Gebrauch machen können. Das ist ein Irrtum. Rechte Rede ist eine Kunst. Sie will gelernt sein. Und wie jede andere Fertigkeit oder Kunst kann jeder sie lernen, wenn er sich nur darum bemüht.
Rechte Rede hängt von unseren Denkprozessen ab. Damit nicht genug: Sie ist auch von unseren emotionalen Reaktionen abhängig, Wut zum Beispiel oder Zorn. Wer sich von seinem Zorn mitreißen lässt, wird in diesem besonderen Augenblick kaum die Rechte Rede beherrschen. Unsere Emotionen kommen in unserer Art zu reden zum Vorschein. Wer sich selbst wichtig nimmt, das heißt der typischen Ich-Verstärkung unterliegt, wird recht geschwollen daherreden. Wir müssen auf unsere Emotionen nicht weniger achten als auf unsere Gedanken. Allein ein Arahat, ein vollkommen Erleuchteter, wird die Rechte Rede in jeder Situation beherrschen. Das hält uns allerdings nicht davon ab, diese Vollkommenheit so gut wie möglich zu üben und zu erlernen.
Wir sollten niemandem schmeicheln und keine honigsüßen Worte benutzen. Das klingt falsch und ist es auch. Allerdings gibt es genug Menschen, die so sprechen. Vielleicht kennt ihr jemanden, der dies tut. Er ist leicht zu erkennen, denn er hat immer eine übertrieben liebenswürdige und beipflichtende Antwort parat. Er gibt sich alle Mühe, freundlich zu klingen. Was er sagt, ist nur nicht ganz glaubwürdig. Irgendetwas klingt falsch.
Interessant und bemerkenswert ist auch, dass die Sprache nur sieben Prozent unserer Kommunikation ausmacht, obwohl sie unserer Meinung nach doch unser Hauptkommunikationsmittel darstellt.
Ich habe dies von einer Frau gehört, die »Kommunikation« lehrt. Schon das allein sagt sehr viel über uns aus. Ihre Geschäfte laufen prächtig, ihre Workshops sind gut besucht. Das bedeutet doch, dass die Menschen nicht wissen, wie sie miteinander reden sollen, besonders wenn sie eng zusammenleben.
Aber es passiert wesentlich mehr zwischen uns als diese sieben Prozent verbale Kommunikation. 93 Prozent unserer Kommunikation sind nonverbal. Was bedeutet, dass wir unsere Gedanken und Emotionen sehr sorgfältig beobachten müssen. Unsere Gedanken und Emotionen bleiben nicht verborgen. Sie sind kein Geheimnis. Wir mögen uns zwar einreden, wir könnten es uns erlauben, zu denken und zu fühlen, was wir wollen. Wenn wir nicht darüber sprechen, wird die Umwelt auch nichts davon merken, so meinen wir. Dem ist leider nicht so. Das ist ein Irrtum.
Unsere Gedanken und Emotionen sind ein offenes Buch für jeden, der über ein kleines Maß an Bewusstheit verfügt. Wollen wir hoffen, dass wir hier alle über dieses Maß an Bewusstheit verfügen, schließlich meditieren wir ja schon seit einiger Zeit. Wir reagieren nicht allein auf die Worte, sondern auch auf die Gefühle, die sich dahinter verbergen. Und daraus können eine Menge Missverständnisse entstehen. Jemand sagt etwas. Ihm selbst ist vollkommen klar, was er damit meint. Sein Gesprächspartner hingegen fängt die damit vermischten Emotionen auf und versteht infolgedessen etwas ganz anderes. Bei einem Gespräch lassen sich solche Missverständnisse theoretisch sehr leicht ausbügeln. Man braucht nur zu fragen, was eigentlich gemeint war. Aber die Menschen fragen nicht genug. Sie verstehen etwas falsch und bleiben auf diesem Missverständnis sitzen. Daraus erwachsen Kälte und Gleichgültigkeit.
Hinter jedem Wort stehen Gefühle. Körpersprache untermalt jedes Wort. Jeder hat eine ganz eigene Körpersprache. Es gibt keinen Menschen, der in dieser Hinsicht genau dieselbe Sprache sprechen würde wie ein anderer. Wir können der Körpersprache sehr viel entnehmen. Wir müssen nur darauf achten: auf den Gesichtsausdruck, auf die Stimmfärbung und so weiter.
Worte und sprachlicher Ausdruck sind begrenzt. Eintausend Wörter reichen aus, um eine Zeitung in einer fremden Sprache zu lesen; jede beliebige Zeitung in jeder beliebigen Sprache. Eintausend Worte sind nicht sehr viel. Mehr brauchen wir nicht, um uns auszudrücken, im Allgemeinen sogar eher weniger. Worte sind also nicht gerade ein besonders subtiles Kommunikationsmittel. Ihre Feinheiten bleiben uns verschlossen, weil wir nicht über den Wortschatz verfügen, der notwendig wäre, um uns allein mit Worten verständlich zu machen. Niemand erwartet, dass seine Worte genügen, um ihn zu verstehen. Niemand reagiert nur auf Worte.
Die Sprache ist so ungeheuer wichtig, weil wir durch sie miteinander in Beziehung treten. Wohlgemerkt, Sprache in dem vielschichtigen Sinn, den wir gerade herausgearbeitet haben.
Wenn Menschen zusammenleben, müssen sie sich verbunden fühlen und entsprechend verhalten. Das Gemeinschaftsleben stellt gewisse Anforderungen. Zu beachten ist, dass wir uns nicht ein paar Menschen herauspicken, mit denen wir innigeren Kontakt pflegen. Wir müssen diese Art von Kontakt mit jedem Mitglied der Gemeinschaft pflegen.
Oft wählen wir uns aus einem Dutzend Leuten eine oder zwei oder drei Personen aus, auf die wir uns näher einlassen und sagen uns: »Das sind wohl die Besten. Mit ihnen scheine ich gut auszukommen, also halte ich mich auch an sie. Über die anderen will ich einfach hinwegsehen. Ich werde nicht gemein zu ihnen sein, aber ich werde auch nicht viel mit ihnen reden.« Das ist keine gemeinschaftsförderliche Art des Gruppenumgangs. Gemeinschaft heißt: alle zusammen. Jedes Mitglied der Gemeinschaft hat die Pflicht und das Privileg zu lernen, mit jedem anderen Mitglied der Gemeinschaft gesunde und mitmenschliche Beziehungen zu pflegen.
Wie nun können wir diese Beziehungen gesund, zu einem Erfolg machen? Wie können wir miteinander umgehen, dass keine oder zumindest so selten wie möglich Missverständnisse auftreten? Wie sollten wir uns verhalten, dass wir an unserem Zusammensein Freude haben?
Die Lehrrede von der Liebenden Güte (Karaṇīya Mettā Sutta) gibt uns einen Hinweis. Es beschreibt den Heilssucher als einen Menschen, der leicht ansprechbar ist. Habt ihr schon einmal darüber nachgedacht, was dies bedeutet? Leicht ansprechbar ist der Mensch, der seinen eigenen Standpunkt bereitwillig aufgibt und sich in die Lage des anderen hineinversetzen kann. Mit diesem Menschen kann man reden. Er wird auch bereit und fähig sein, jederzeit zuzugeben, dass er einen Fehler gemacht hat, und diesen Fehler ehrlich bedauern. Wenn er sagt, dass ihm etwas leid tut, meint er es auch. Außerdem wird er auf Vorhaltungen nicht gleich aufbrausend antworten, sondern erst einmal zuhören.
Wer leicht ansprechbar ist, kann wirklich hinhören. Wenn wir angesprochen werden, müssen wir hinhören, was man uns sagt. Wir müssen zuhören. Zuhören und bloß hören sind jedoch nicht ein und dasselbe. Ich sage zu dir oder zu dir oder zu dir: »Du hörst mir nicht zu!« Du antwortest: »Oh, ich höre schon, was du mir sagen willst.« Bemerkt ihr den Unterschied? Es ist nicht dasselbe »Hören« gemeint. Natürlich hören wir irgendetwas. Klangschwingungen rauschen durch unsere Ohrmuscheln. Aber das ist noch kein Zuhören. Zuhören ist etwas ganz anderes.
Wenn zwei Menschen miteinander sprechen, sollten sie einander zuhören. Zuhören heißt, dass wir das Gesagte so aufnehmen, wie es tatsächlich gesagt wird, anstatt sogleich unseren eigenen Kommentar dazu zu vernehmen. Das ist überhaupt einer der schlimmsten Verstöße gegen das Zuhören, besonders wenn wir uns an sich für einen guten Zuhörer halten. Zuhören heißt, dass wir vollkommen leer sind, und vielleicht noch, dass wir, wenn notwendig, einfühlsam auf das Gehörte reagieren. Aber zuweilen ist nicht einmal dies nötig. Zuweilen müssen wir das Gesagte nur auf uns wirken lassen. Wie die Rechte Rede ist auch das Zuhören eine besondere Fertigkeit, ja eine Kunst.
Es geht nicht allein darum zu hören, was uns geschildert wird. Wir müssen ganz und gar bei dem anderen Menschen sein, uns ihm