Parallele Leben. Mira Kelley

Parallele Leben - Mira Kelley


Скачать книгу
Die Situation stellte eine große Belastung dar – für mein Leben und mein Bankkonto.

      Ein Jahr verging, die Schmerzen dagegen nicht. Eines Tages ließ mein Zahnarzt mich Platz nehmen und sagte: »Mira, wir müssen der Realität ins Auge schauen.« Es hatte keinen Sinn mehr, so weiterzumachen, und ich musste eine Entscheidung treffen. Sein Vorschlag lautete: Entweder eine Operation oder lebenslange Schmerzen aushalten. Bei einer Operation würde man mir den Kiefer brechen und mit Drähten wieder befestigen, ohne Garantie, dass die Schmerzen dadurch aufhörten. Ich sah keinen Sinn darin, etwas auseinanderzubrechen, was nicht zerbrochen war, schon gleich gar nicht angesichts der Aussage, dass nicht die Knochen und Gelenke, sondern die Muskeln das Problem waren. Aber ich hatte auch Angst, den Rest meines Lebens mit chronischen Schmerzen leben zu müssen. Beide Optionen kamen für mich nicht infrage.

      Die Synchronizitäten des Lebens kommen immer von alleine zusammen. Ich hatte Anfang dieser Woche direkt nach dem Besuch beim Zahnarzt einen Physiotherapietermin vereinbart, und als die Behandlung begann, tauchten in mir Fragen auf: »Was mache ich denn jetzt? Ich habe alles Mögliche ausprobiert und gemacht – oder etwa nicht?«

      In diesem Augenblick ging mir sozusagen ein Licht auf. Ich erinnerte mich an die Rückführung, die ich als Kind gemacht hatte, an das, was ich über Leute gelesen hatte, die nach einer solchen Rückführungserfahrung in frühere Leben wie durch ein Wunder geheilt waren. Ich wusste nicht mehr weiter, also suchte ich mir eine Reinkarnationstherapeutin in New York City und vereinbarte einen Termin.

      Meine erste Sitzung sollte eine Stunde dauern, aber wir hatten nur etwa 15 Minuten für die eigentliche Rückführung: Ich sollte zuerst die Therapeutin kennenlernen, wir mussten uns über mein Problem austauschten, und ich sollte mich wohlfühlen, bevor sie mich zurückführte; das Geschehene sollte zudem am Ende noch einmal durchgegangen werden (meine Sitzungen mit Klienten dauern inzwischen bis zu vier Stunden). Ich fühlte mich sehr gehetzt. Wir hatten auch noch keine wirklich vertrauensvolle Beziehung zueinander aufgebaut, somit machte ich dieses Mal keine Erfahrung mit einem früheren Leben. Doch ich war verzweifelt auf der Suche nach Hilfe, deshalb ließ ich mir einen weiteren Termin ein paar Tage später geben.

      In meiner zweiten Sitzung erlebte ich für einen ganz kurzen Moment ein vergangenes Leben. Ich sah mich als großen, starken Schwarzen. Um meinen Hals lag ein sehr schwerer Metallring; Handgelenke und Fußknöchel waren mit Schellen gefesselt. Am Halsring befanden sich Ketten, sie reichten bis hinunter zu den Hand- und Fußfesseln. Der Metallring war permanent da und fühlte sich sehr unangenehm an, er rieb am Kiefer. Genau die Stelle, wo ich in diesem Leben die Kieferschmerzen hatte, war ständig wund. In diesem Leben als Sklave war ich körperlich sehr stark, aber die unmenschliche Behandlung hatte mich seelisch gebrochen. Es war ein krasser Widerspruch zwischen meinem starken Körper und dem kraftlosen Geist, der in diesem Körper wohnte. Ich fühlte mich vollkommen hilflos. Ich hasste die Sklavenhalter, deren Eigentum ich war, nicht – ja, ich war ihnen sogar dankbar. Sie behandelten mich zwar nicht gut, aber sie gaben mir etwas zu essen, und das empfand ich als große Freundlichkeit. Ich war total dankbar dafür.

      In der Praxis der Reinkarnationstherapeutin liefen mir die Tränen übers Gesicht. Ich fühlte eine große Trauer – wegen mir und wegen dieses versklavten Mannes. Ich fühlte seinen Schmerz und seine gebrochene Seele. Wie konnte ein Mensch ein anderes Lebewesen so behandeln? Wie konnte ein Mensch einen anderen Menschen mit einem Metallring am Hals festketten? Wie konnte ich Menschen, die mich so offensichtlich misshandelten, so dankbar sein – nur weil sie mir etwas zu essen gaben? Wie konnte ich mich mit einem so starken Körper so total ohnmächtig fühlen? Warum machte ich nicht den Mund auf? Warum versuchte ich nicht, die Umstände zu ändern, zu rebellieren oder sogar wegzulaufen?

      Die wichtigste Botschaft aus dieser Erfahrung bestand in dem Mangel an persönlicher Stärke, den ich gespürt hatte. Als ich aus der Trance aufwachte und auf der Couch der Therapeutin saß, fragte ich sie: »Was bedeutet es, stark zu sein?« Sie konnte mir keine Antwort geben (ich führe inzwischen meine Klienten mit Fragen zu einem besseren Verständnis, aber sie arbeitete nicht so). Ihre Reaktion auf meine Frage war: »Das müssen Sie selbst herausfinden.«

      Das war die einzige Vision in meiner zweiten Sitzung mit der Reinkarnationstherapeutin, doch es war eine sehr kathartische Erfahrung. Den ganzen Tag über fragte ich mich immer wieder: »Was bedeutet es, stark zu sein?« Ich fand keine klaren Antworten, aber ich konnte meinen Emotionen und meinen Tränen freien Lauf lassen.

      Wie mir im Rückblick klar wird, war diese Frage für meine berufliche Erfahrung bis zu diesem Zeitpunkt von entscheidender Bedeutung. Ich war eine junge Anwältin und galt in der Abteilung für Unternehmensrecht als eine der besten. Bei allen Beurteilungen lobten meine Vorgesetzten meine Arbeitsmoral, mein anwaltliches Können und meine Fähigkeit, Klienten und geschäftliche Angelegenheit zu managen. Dennoch kam keine Gehaltserhöhung, sodass ich das Gleiche wie meine Kollegen verdiente, und meinem großen Wunsch, in ein anderes Büro umzuziehen, kamen sie auch nicht nach, obwohl mehrere Büros frei standen. Anstatt dass ich wegen meiner Loyalität gefördert wurde, fühlte ich mich ohnmächtig, genauso wie der Sklave. Ich hatte meine Kollegen sehr gern und wollte nicht auf den Komfort und die Sicherheit verzichten, die mir die Kanzlei bot, aber ich bekam nicht das, was ich wollte. Den Mund aufmachen hatte nichts geholfen. Wenn ich so weitermachte, würde ich mir unter Umständen auch schaden, und so konnte ich nur meine Gefühle hinunterschlucken und weiterhin eine gute Arbeiterin sein.

      Auf diesen emotionalen Problemen kaute ich sozusagen Tag für Tag herum, und mein Kiefer wollte die Schmerzen loswerden. Wie ich später erkannte (darauf gehe ich in diesem Buch ausführlich ein), beginnen alle unsere physischen Beschwerden auf der emotionalen Ebene. Jegliches körperliche Unbehagen ist ein Hinweis auf etwas, das wir innerlich verarbeiten und auflösen müssen. Wenn wir uns unseren Herausforderungen nicht bewusst stellen, werden sie im Körper in Form von gesundheitlichen Problemen widergespiegelt.

      Inzwischen sind die Zusammenhänge zwischen meinen Kämpfen als Sklave und meinen Kämpfen im gegenwärtigen Leben für mich offensichtlich.

      Die Reinkarnationstherapeutin bat zwar nicht um Heilung für meinen Kiefer, aber die Sitzung brachte mir die Erkenntnis, dass ich stark bin und Optionen habe. Als ich am nächsten Tag aufwachte, tat mir das erste Mal seit über einem Jahr der Kiefer nicht weh.

      Sehr schnell kehrte ich zu einem normalen Leben zurück. Ich setzte die Schmerztabletten ab, schlief ohne Zahnschutz, und mit der Physiotherapie war ein für alle Mal Schluss. Bei meinem nächsten Besuch beim Zahnarzt wusste er nicht, was er von meiner Gesundung halten sollte, und nannte es ein Wunder.

      Und mir wurde klar, dass ich jederzeit zu einer anderen Firma wechseln konnte; ich musste das Muster der Ohnmacht, die ich als Sklave erlebt hatte, nicht wiederholen und konnte mich stattdessen beruflich als gleichberechtigt und stark betrachten. Dadurch löste sich das Problem auf emotionaler und physischer Ebene, und ich konnte weitergehen.

      Bekam ich eine Antwort auf meine Frage, was es heißt, stark zu sein? Meine Erfahrung mit dem Leben als Sklave sowie die berufliche Situation ließen mich erkennen, dass wahre Macht etwas ganz anderes ist als die Macht, von der im Politikunterricht in der Schule die Rede war. Wie ich inzwischen weiß, bedeutet mächtig und stark zu sein, sich selbst treu zu sein, und hat nichts damit zu tun, andere zu beherrschen. Menschen, die andere kontrollieren und manipulieren, tun das, weil sie sich machtlos und ohnmächtig fühlen. Sie glauben, sie könnten ihre Ziele nicht erreichen, ohne sich und andere zu verletzen. Doch wahre Stärke braucht nur den sehnlichen Wunsch sowie Zulassen und Vertrauen. Wahre Stärke erfordert nur die Ausrichtung auf die herrliche Schöpferkraft der Quelle. Für einen echten Führer bedeutet Macht, von einer Position der Integrität aus zu führen, in dem Wunsch, auch andere zu ermächtigen.

      Ich lernte diese einfache, aber tiefgründige Lektion durch meine körperlichen Schmerzen. Ich lernte, dass Stärke aus der Erkenntnis meiner wahren Natur erwächst, und nur ich selbst kann mich für dieses Wissen über meine machtvolle, starke Essenz öffnen.

      •••

      Das passierte vor sieben Jahren. Ich bin bis heute schmerzfrei. In all den Jahren habe ich meinem Zahnarzt nie erzählt, wie ich meinen Kiefer geheilt habe. Damals fühlte ich mich nicht wohl dabei, offen über


Скачать книгу