Schweiß, Schlamm und Endorphine. Iris Hadbawnik

Schweiß, Schlamm und Endorphine - Iris Hadbawnik


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bis zum Zweiten Weltkrieg überwiegend von Angehörigen der Militärs betrieben wurde. Aber auch hier finden sich Parallelen zum heutigen Hindernislauf, denn beim Querfeldeinlauf, dem sogenannten Crosslauf, mussten die Sportler ein profiliertes Gelände abseits befestigter Wege, mit natürlichen Hindernissen bewältigen. Bis heute kämpft der Moderne Fünfkampf jedoch um Popularität, und es stand bereits zweimal zur Diskussion, ihn aus dem Olympia-Programm zu streichen.

      Einige Jahre später, im Jahr 1946, hatte der französische Offizier Henri Debrus die Idee, einen sportlichen Wettkampf ausschließlich für die Armee zu organisieren. Inspiriert wurde er dabei vom anspruchsvollen körperlichen und technischen Training der niederländischen Fallschirmjäger. Diese mussten mit ihrem Fallschirm über einer gekennzeichneten Zone abspringen und anschließend eine Strecke von 20 Kilometern, gespickt mit zahlreichen Hindernissen und Kampfübungen, bewältigen. Debrus ließ das Fallschirmspringen weg und modifizierte die einzelnen Disziplinen nach seiner Vorstellung von einem idealen Grundlagentraining für den modernen Soldaten. Fähigkeiten wie Fechten und Reiten empfand er nach dem Zweiten Weltkrieg als obsolet. Daher kann aus militärischer Sicht der Militärische Fünfkampf als eine Weiterentwicklung des Modernen Fünfkampfs betrachtet werden.

      Der Militärische Fünfkampf nach CIOR-Reglement besteht bis heute aus:

      • Überwinden der Hindernislaufbahn Land: 500 Meter, 20 international genormte Hindernisse (in Uniform)

      • Hindernisschwimmen: 50 Meter, 4 Hindernisse sind zu untertauchen und zu überwinden (in Uniform)

      • Schießen: Langwaffe – 200 Meter liegend freihändig, Kurzwaffe – 50 Meter stehend

      • Werfen: Handgranaten-Zielwurf

      • Orientierungslauf: 12 bis 16 Kilometer (in Uniform)

      Der Militärische Fünfkampf nach CISM-Reglement ist militärisch etwas entschärft, obwohl er weltweit nur von Sportsoldaten (Zeit- und Berufssoldaten) durchgeführt wird. Gestartet wird immer in Sportkleidung. Der Orientierungslauf ist durch einen Geländelauf (Crosslauf, 8 Kilometer Männer, 4 Kilometer Frauen) ersetzt und das Pistolenschießen entfällt.

      Der erste Wettkampf fand 1947 in Freiburg, in der französischen Besatzungszone in Deutschland, statt. Teilnehmende Länder waren Belgien, Frankreich und die Niederlande. Seit 1950 werden jährlich Weltmeisterschaften abgehalten. Seitdem wuchs die Gemeinschaft des Militärischen Fünfkampfes stetig an und zählt zurzeit über 30 Länder. Obwohl der Sport in Deutschland nicht so verbreitet ist wie in anderen Ländern, gibt es mit den aktiven Sportsoldaten des Conseil International du Sport Militaire (CISM) und den Reservisten der Confédération Interalliée des Officiers de Réserve (CIOR oder AESOR) zwei Gruppen, die ihm erfolgreich nachgehen. Seit den Weltmeisterschaften 1991 in Oslo nehmen auch Frauen an den Wettkämpfen teil.

      Soldat beim Hindernisschwimmen

      Der erste Teilnehmer aus Deutschland, der beim Tough Guy in England an den Start ging, war kein geringerer als Stefan Schlett. Seit über 35 Jahren betreibt er Extremsport und ist Spezialist für alle Sportarten zu Land, zu Luft und im Wasser. Stefan hat auf allen sieben Kontinenten Marathonläufe absolviert und ist der erste Mensch, der den höchsten (Mount Everest, Nepal), den tiefsten (See-Ge-nezareth, Israel), den nördlichsten (Spitzbergen, Norwegen) und den südlichsten (Antarktis) Marathon gelaufen ist. Bereits 1985 startete er beim legendären Ironman auf Hawaii. Er finishte den Badwater Ultramarathon (217 Kilometer durch das Tal des Todes), die Xerox-Challenge (Durchquerung Neuseelands per Mountainbike, Kajak, Rennrad und zu Fuß; 2.444 Kilometer in 22 Tagen) und belegte bei der Weltpremiere des Deca Ultra Triathlons, also des zehnfachen Ironman, in Mexiko den 2. Rang. Er bestritt insgesamt vier Kontinentaldurchquerungen: das Trans America Footrace (4.724 Kilometer in 64 Tagen), das Trans Australia Footrace (4.293 Kilometer in 63 Tagen), das Trans Europa Footrace (5.036 Kilometer in 64 Tagen), sowie die Tour d’Afrique (11.919 Kilometer per Mountainbike in 121 Tagen), und er siegte beim 1.000-Meilen-Rennen in New York. Bis heute hat er vierzehn Mal am Grand Raid de la Réunion teilgenommen, er hat den Mount McKinley, den Kilimandscharo und den Elbrus bestiegen und knapp 500 Fallschirmsprünge absolviert.

      Stefan Schlett beim Tough Guy 1997

      Und obwohl er über genügend Extremsport-Erfahrung verfügt und in seinem Leben sicher vieles gesehen und erlebt hat, veröffentlichte er nach seinem erfolgreichen Finish beim Tough Guy Race im Januar 1997 eine siebenseitige Reportage in der Fit for Life, dem Schweizer Fachmagazin für Lauf- und Ausdauersport, in dem es heißt: »[…] Eine endlose Serie von Wassergräben und -löchern wird immer wieder von kurzen und steilen Laufpassagen unterbrochen, um den Körper auf Betriebstemperatur zu halten. Kaum hat man sich von der letzten Gemeinheit erholt, folgt die nächste. Der Designer dieses Streckenabschnittes muss ein professioneller Sadist sein! In meiner Zeit als Soldat habe ich viele Hindernisbahnen kennengelernt, war sogar auf Kursen der Special Forces in den Vereinigten Staaten unterwegs. Aber das hier stellt noch einmal eine Steigerung dar. […]« Gleichzeitig prophezeite Stefan, dass es einen solchen Lauf in Deutschland niemals geben würde. Dafür nannte er mehrere stichhaltige Gründe. Zum einen würde keiner eine solche Veranstaltung genehmigen, geschweige denn versichern. Infolgedessen würde kein Veranstalter ein solches Risiko zur Organisation eines derartigen Laufes auf sich nehmen. Und zu guter Letzt war sich Stefan zu einhundert Prozent sicher, dass sich »der verwöhnte deutsche Volksläufer nicht auf solch primitive Spielchen herablassen würde«. Er sollte sich gewaltig irren.

      Und weil das Erlebnis so intensiv und das Rennen so außergewöhnlich war, kehrte Stefan noch zweimal nach England zurück. 1999 sogar mit einem deutschen Filmteam im Schlepptau, das eine halbstündige Reportage über den Lauf produzierte. Spätestens jetzt, als die bewegten Bilder in aller Härte des Rennens in den deutschen Wohnzimmern Einzug hielten, konnte sich der Veranstalter des Tough Guy vor deutschen Läufern kaum mehr retten.

      Etwa 14 Jahre später startete Stefan beim Braveheart Battle, einem Rennen in Münnerstadt, bei dem es auf 26 Kilometern Länge 45 Hindernisse und rund 2.400 Höhenmeter zu überwinden galt. Nach seinem Finish verglich er das Rennen mit seinem Vorbild Tough Guy: »[…] Um 11.11 Uhr wurden die Höllenfürsten und -fürstinnen mit diabolischem Gebrüll auf das Schlachtfeld losgelassen. Schon nach knapp 2 Kilometern gab’s ein erfrischendes Vollbad in der Lauer (Wassertemperatur 6 Grad Celsius), 11 weitere Tauchbäder sollten noch folgen. Nach den Schockfrostungen an den Wassergräben wurden jeweils derart anspruchsvolle Hindernisse in den Weg gestellt, dass der Body, kurz vor dem Erfrierungstod stehend, wieder aufgeheizt wurde. Zwischendurch fanden sich immer wieder längere Laufeinheiten zum Erholen. Dieser Wettbewerb ist um einiges heftiger als der Tough Guy, wie ich ihn noch aus 1999 kenne. Braveheart ist Tough Guy 2.0. Ach was, 3.0. Ultralang, ultrastark, ultrahart und ultrageil. Jedes Hindernis ein Genuss, jeder Cent Startgeld eine Topinvestition. Und dann die ganzen Irren, Kostümierten, Angemalten – einfach herrlich so viel Lebensfreude! Fazit: Gelobt sei, was hart macht – Extrem-Hindernisläufe sind einfach oberaffengeil! […]«

      MOTIVATION OCR: WAS REIZT DICH IN DEINEM ALTER IMMER NOCH AN DERARTIGEN »KAMPFEINSÄTZEN«?

      Stefan Schlett (Jg. 1962), Extremsportler und erster Deutscher beim Tough Guy

      »Erstens fühle ich mich im 35. Jahr meiner Extremsportkarriere noch fit genug dafür. Zweitens ist es – wie man hier in Bayern zu sagen pflegt – eine ›Brunsgaudi‹. Zudem ist es ein Ganzkörpereinsatz, bei dem vor allem auch die koordinativen und technischen Fähigkeiten gefordert werden. Und nicht zuletzt das Hirn. Strategisch intelligentes Verhalten, mentale Stärke und Kältemanagement tragen wesentlich zum Erfolg bei. Sozusagen athletisches Multitasking. Im Gegensatz zu den üblichen Volks- und Straßenläufen, die dagegen recht altbacken wirken, sind die Schlamm- und Hindernisläufe eine neue und äußerst reizvolle Abwechslung und vor allem Herausforderung. Ich bin der Meinung, dass jeder gesunde, gut trainierte


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