Einigen - der schönste Punkt der Welt. Arthur Maibach
einzelnen Abschnitte können auch einzeln als Ganzes gelesen werden, so waren gewisse Wiederholungen nicht zu umgehen.
Einen grossen Dank verdienen auch all die vor allem älteren Bewohnerinnen und Bewohner, die mich zu einem persönlichen Gespräch eingeladen haben. Konnte ich doch viele wunderbare Geschichten über die Menschen, ihre Berufe und das Leben in Einigen hören. Diese Geschichten will ich der kommenden Generation weitergeben.
Danken will ich auch Stephan Arnold, der diese Arbeit gelesen hat und einen grossen Teil zum Gelingen dieses Buches beitrug. Aber auch meiner Frau Dora danke ich von Herzen für all ihr Verständnis, für die Zeit, wo sie auf mich verzichten oder warten musste.
Mit den Augen des Dichters
Vor mir liegt das Buch «Geliebte Erde» von Hans Müller Einigen aufgeschlagen. Unter dem Titel «Ich hab ein Holzhaus» finden wir folgende Worte: «Wo denn? Am Thunersee, im Berner Oberland, sechshundert Meter über der menschlichen Eitelkeit, links, zwischen Spiez und Thun. Warum? Ja, weil es der schönste Punkt der Welt ist, ganz einfach.» Wie recht Hans Müller Einigen mit diesen Worten hat. War doch die erste Bezeichnung für diesen Ort am Thunersee «Zum Paradies». Da wo die Wunderquelle in den See rann, da wo Menschen gesund wurden. Diesem Ort gab man den Namen zum Paradies. Hier wurde die erste Kirche erbaut, vor über tausend Jahren. Diese unsere Kirche gehört zu den ältesten der Schweiz und wurde zu Beginn der Christianisierung in der Thunersee-Gegend gebaut. So ist es nicht verwunderlich, dass ein weitgereister Mann, der Wien die schönste Stadt Europas nennt, der New York, Hollywood, London, Berlin, München, Paris, Rom und all die gigantischen Sehenswürdigkeiten der Welt sah, sich in Einigen niederliess. Müller, ein Mann mit feinem Gefühl, erkannte die Kraft, die von diesem Ort ausging, und wollte den Rest seines Lebens am schönsten Punkt der Welt verbringen. Hier schrieb er auch sein noch heute bekanntestes Bühnenstück «Im Weissen Rössl».
Hans Müller liebte die Schweiz. Im Besonderen aber einen Flecken Erde am Thunersee. So sei mir erlaubt, mit den Worten des Meisters dies zum Ausdruck zu bringen: «Lang, lang her! Wie oft habe ich seitdem meinen Fuss in dieses lichteste, beste Zimmer Europas gesetzt! Immer wieder suchte und fand ich das Erlebnis der Schweiz; auf Skibrettern von Arosa hinuntersausend … in einem Segelboot vor Luzern … auf der Oschwand des Malers Cuno Amiet … bei der Landgemeinde in Appenzell … mit Freunden vor der Trattoria Ticinese in Bissone roten Nostrano trinkend … am Grabe Pestalozzis … in der Käserei von Oberdiesbach … in der Tonhalle Zürich… auf dem Pferdemarkt von Wimmis … in der St. Nikolauskirche zu Freiburg … zwischen den Büchern der Baslerstadtbibliothek … im Hospiz St. Bernhard nächtigend … ach, und viel weiter drüben: in der 71. Strasse von New York, wo eine winzige St. Galler Wirtsstube echte ‹Röschti›, Mundharmonika-gequiek und das rasende Heimweh verkauft … oder in Tetuan, im spanischen Marokko, in Madame Gardels kleinem Hotel National, das so sauber gehalten wird, als stünde es auf der Heimatwiese der Wirtin, zu Haudères im Kanton Wallis. Überall hier und dort liess jenes kernige, unfrömmlerische, wesentliche Wesen sich erkennen, das vom Sonntag in den Montag einen gangbaren Steg baut. Jeder Sinn für Freiheit, aus dem zugleich Besonnenheit entspringt. Und eine blutvolle Art unbefohlenen, man möchte sagen unliterarischen Humors, dem auch noch im Komischen das Komische nicht entgeht. Zuletzt dann aber, vor nun bald zehn Jahren, wurde mir das bis anhin nur Erlebte zum eigenen Leben: als ich in der Schweiz mein Häuschen fand. Und dazu achtzehnhundertzweiundneunzig Quadratmeter grünen Umschwung am Thunersee. Eine Wahlheimat bedeutet mehr als eine Geburtheimat. Man hat sich durch die Welt bis an diesen Punkt hindurchgeschlagen, endlich landet man in einem Hafen nach dem eigenen Kompass. Und nun möchte man nie, nie mehr auf unbekannte, drohende Meere hinaussegeln.»
Einigen-Lied
us em Chindergarte
Mys Dörfli, wo-ni läbe,
isch dr schönscht Platz uf der Wält!
I wett mit niemerem tuusche
ou nid um e Huuffe Gäld.
I ghöre d’Kander ruusche,
im See spieglet s Himmels-Zält.
I bi so glücklich u so froh,
dass i grad hie, grad hie uf d’Wält bi cho!
Mis Dörfli, wo-ni läbe,
isch dr schönscht Platz uf der Wält!
I wett mit niemerem tuusche
ou nid um e Huufe Gäld.
I ghöre d’Glogge lüüte
vom Chilchli Sankt Michael.
We d’wosch dr Himmel uf Ärde gseh,
so chumm i ds Paradies am Wendelsee!
Text von Maria Ringgenberg (1929 – 1984). Sie war ab 1969 im Kindergarten Einigen als Kindergärtnerin tätig.
«I bi so glücklich und so froh, dass i grad hie, grad hie uf d’Wält bi cho!» Dieses Lied wurde im Kindergarten geübt und von den Kindern auf dem Nachhauseweg aus voller Kehle gesungen. Was kann es Schöneres geben, als Kinder singen zu hören. Glückliche Kinder, die singen: «Ich bin so glücklich und so froh …»
Ortsname
Als ich vor Jahren nach Einigen zog, stellte ich fest, dass ältere Bewohner ein «Z» vor das Wort Einigen stellten. «Zinigwald», «Zinigen» waren Bezeichnungen, die mir zu Ohren kamen. Als dann Fahnen angeschafft wurden, um unser Dorf für einen Grossanlass herauszuputzen, es handelte sich um das Zeitfahren der Tour de Suisse im Jahre 1997, hatte ich den Auftrag, das Originalwappen ausfindig zu machen. So lernte ich Herrn Otto Aeschbacher kennen, der mir das Interesse an der Dorfgeschichte von Einigen weckte und das Buch «Einigen» von Hans Gustav Keller überreichte. Ein Buch, das ich nicht nur las, sondern studierte. Auf Seite 24 fand ich eine sehr ausführliche Beschreibung unseres Ortsnamens. Er schreibt, dass wahrscheinlich der Ortsname ein Zeugnis der germanischen Besiedelung sei. Er wird im Laufe der Jahrhunderte wie folgt geschrieben:
Ceningen (1228)
Ceiningin (1236)
Ceiningen (1272)
Ceningue (1285)
Sceiningen (1318)
Zeiningen (1336)
Zeinungen und Zeiningen (1338)
Zeningen (1453)
Zeiningen (1477)
Zeiningen (1578)
Zeynigen (1607)
Einigen (1654)
Zeinigen (1710)
Zeynigen (1713)
Einnigen (1725)
Einigen (1750)
Zeinigen oder Einigen (1765)
Einingen (1766)
Zeinigen (1796)
Einigen (1797)
Einigen (1838)
Die heute (1944) gebräuchliche Form des Ortsnamens ist «Einigen». Doch bemerkten die Herausgeber der «Fontes rerum Bernensium» (der bernischen Geschichtsquellen), «in der Volkssprache» werde «noch jetzt Zeinigen» statt Einigen gesprochen, und 1934 ist mir von einem Ortskundigen versichert worden, dass «alte Leute noch Zeinigen, nicht Einigen sagen.»1
Um das Jahr 1450 hat Elogius Kiburger in der «Strätlinger Chronik» erzählt, der Ort habe ursprünglich «im Paradies» geheissen, und die Kirche «Sant Michel im Paradies». Diese Bezeichnung komme von der Fruchtbarkeit und des guten Wassers, besonders aber des heiligen Brunnens wegen.
Die Bearbeiter des «Schweizerischen Idiotikons» leiten den Ortsnamen Einigen von «Einigi» = Einzigkeit, Verlassenheit, Einsamkeit ab.
1 Hans Gustav Keller, Einigen,