4 Portraits (Pauli, Einstein, Planck und Heisenberg). Ernst Peter Fischer

4 Portraits (Pauli, Einstein, Planck und Heisenberg) - Ernst Peter Fischer


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wird durch die Einführung des physikalischen Weltbildes – und darin liegt seine Bedeutung – die Unsicherheit in der Voraussage eines Ereignisses der Sinnenwelt reduziert auf die Unsicherheit der Übertragung des Ereignisses aus der Sinnenwelt auf das Weltbild sowie der Rückübersetzung aus dem Weltbilde in die Sinnenwelt.“

      Das ist nicht immer leicht. Das ist schwierig, das muss jedes Mal neu erfunden werden. Deshalb ist die Frage, wie Wissenschaft popularisiert werden kann, nicht eine Frage, wie ich das einfach darstelle, sondern wie ich das anders darstelle, indem ich dieses Hin und Her, diese Rück- und Vorübertragungen genau berücksichtige. Das ist eine Aufgabe, die einem Physiker wie Planck, der sich an die Öffentlichkeit wendet, zukommt.

      Dem Physiker selbst kommt natürlich die Aufgabe zu, die statistische, die neuartige Kausalität, die in der Physik aufgekommen ist, mit scheinbar regellosen Abläufen noch besser zu verstehen. Aber das ist im Rahmen der Thermodynamik, die Planck mitentwickelt hat – seine wichtigsten Vorlesungen sind Vorlesungen über Wärmelehre, über Thermodynamik, die von diesen Phänomenen, wo sehr viele Partikel eine Rolle spielen, wo eine unübersichtliche Kausalität entsteht, aber doch Kausalität – eine seiner größten Leistungen.

      Was die Physik dazu beigetragen hat, das stellt er im nächsten Abschnitt dar.

      „Nach solchen und anderen großen Erfolgen schien begründete Hoffnung vorhanden, dass das Weltbild der klassischen Physik seiner Aufgabe im Wesentlichen gerecht werde und dass die Unsicherheiten, die bei der Übersetzung in die Sinnenwelt und aus der Sinnenwelt übrig bleiben, bei fort-schreitender Verfeinerung der Messungsmethoden immer mehr an Bedeutung verlieren würden. Diese Hoffnung ist durch das Auftreten des elementaren Wirkungsquantums mit einem Schlage – und zwar für immer – vernichtet worden.“

      Das ist seine Tragik. Das sind seine Leistung und seine Tragik. Er hebt diesen durchgängigen Kausalitätsspruch auf. Es entsteht eine neue Physik, die als Quantenmechanik eine Rolle spielt. Die mit Unbestimmtheiten operiert. Die keine tatsächliche präzise Kausalität, wie wir das gewohnt sind, zulässt. Die ein ganz neues Weltbild erzwingt. Diese Physik versucht Planck jetzt auch in diesem Vortrag zu analysieren und dabei entdeckt er etwas Fantastisches:

      „In dem Weltbilde der Quantenphysik herrscht der Determinismus eben so streng wie in dem der klassischen Physik, nur sind die benutzten Symbole andere und es wird mit anderen Rechnungsvorschriften operiert. Dementsprechend wird in der Quantenphysik, ebenso wie früher in der klassischen Physik, die Unsicherheit in der Voraussage von Ereignissen der Sinnenwelt reduziert auf die Unsicherheit des Zusammenhangs zwischen Weltbild und Sinnenwelt, d.h. auf die Unsicherheit der Übertragung der Symbole des Weltbildes auf die Sinnenwelt und umgekehrt. Dass diese doppelte Unsicherheit mit in Kauf genommen wird, ist der eindruckvollste Beweis für die Wichtigkeit der Aufgabe, den Determinismus zunächst einmal innerhalb des Weltbildes aufrecht zu erhalten.“

      Das ist ganz wichtig. Es gilt ja immer wieder für viele Leute, dass die Quantenmechanik und die Atomphysik indeterministisch, statistisch sind. Da ist irgendwo schon ein Körnchen Wahrheit drin. Aber tatsächlich besteht die neue Physik, die Planck durch seine Entdeckung des Quantums auf den Weg gebracht hat, aus ähnlichen mathematischen Strukturen wie die alte Newtonsche Physik und wenn die deterministsch ist, ist es die Quantenmechanik auch.

      Der Unterschied ist, dass die Newtonsche Physik von Dingen handelt, die wir vor uns haben. Sie redet von Massen, von Energien, von Kugeln und von Körpern, während die Quantenphysik von anderen Dingen redet, die wir nicht unmittelbar vor uns haben, für die wir nur Symbole haben. Das ist sozusagen ein Schritt in die Abstraktion hinein. Das erkennt Planck, aber es bleibt ein Determinismus. Nur ist es nicht der Determinismus, an den wir von Hause aus gewöhnt sind.

      Das ist für ihn alles ganz klar. Das ist beruhigend für ihn. Aber das eigentliche Problem, das dahinter steckt, das zum Menschen hinführt, geht aus den Schlussbemerkungen hervor, die wir jetzt noch hören:

      „Wie steht es dann aber mit der Freiheit des menschlichen Willens? Wird dieser nicht durch die geschilderte Anschauung aufgehoben und damit der Mensch zu einem blutlosen Automaten degradiert? Diese Frage ist zu naheliegend und zu wichtig, als dass ich – obwohl mir schon öfter Veranlas-sung gegeben war, zu ihr Stellung zu nehmen – hier darauf verzichten möchte, mit einigen Worten auf sie einzugehen.

      Nach meiner Meinung besteht nicht der geringste Wider-spruch zwischen dem Walten einer strengen Kausalität in dem hier behandelten Sinne und der Freiheit des mensch-lichen Willens. Denn das Kausalgesetz einerseits und die Willensfreiheit andererseits, beziehen sich auf ganz verschiedenartige Fragen. Während man, wie wir gesehen haben, zum Verständnis einer strengen Kausalität im Weltgeschehen der Annahme eines idealen, alles durchschauenden Geistes bedarf, ist die Frage, ob der Wille frei ist oder nicht, lediglich eine Angelegenheit des Selbstbewusstseins. Sie kann also nur durch das eigene Ich entschieden werden. Der Begriff der menschlichen Willensfreiheit hat nur den Sinn, dass der Mensch sich selbst innerlich frei fühlt – und ob das der Fall ist, kann nur er selber wissen.

      Damit steht nicht im Widerspruch, dass seine Willensmotive von einem idealen Geiste vollständig durchschaut werden können. Wer sich durch eine solche Vorstellung in seiner sittlichen Würde geschmälert fühlt, der vergisst die himmelhohe Erhabenheit des idealen Geistes über seine eigene Intelligenz. Der eindruckvollste Beweis für die Unabhängigkeit des eigenen Willens vom Kausalgesetz ergibt sich wohl dann, wenn man einmal den Versuch macht, auf dem Wege gesteigerter Selbsterkenntnis, nur mit Hilfe des Kausalgesetzes, die eigenen Willensmotive und Handlungen vorauszubestimmen. Ein solcher Versuch ist von vorneherein zum Scheitern verurteilt, weil jede Anwendung des Kausalgesetzes auf den eigenen Willen und jede daraus gewonnene Erkenntnis selber als Willensmotiv wirkt und dadurch das gesuchte Resultat immer wieder von neuem verändert.

      Es ist daher auch durchaus falsch, die Unmöglichkeit der rein kausalen Vorausbestimmungen eigener Handlungen einem Mangel an Einsicht zuzuschreiben, der vielleicht später einmal, bei gehöriger Steigerung der Intelligenz, behoben werden könnte. Das wäre ebenso, als wenn man in der Physik die Unmöglichkeit, die Lage und die Geschwindigkeit eines Elektrons gleichzeitig genau zu bestimmen, einer Unvollkommenheit der Messungsmethoden zuschreiben wollte. Nein, die Unmöglichkeit, eigene zukünftige Handlungen rein kausal abzuleiten, beruht nicht auf einem Mangel an Einsicht, sondern auf dem einfachen Satz, dass zur Untersuchung eines Objekts keine Methode tauglich ist, durch deren Anwendung das Objekt wesentlich verändert wird.

      Daher kann sich der denkende Mensch endgültig die maßgebende Entscheidung für seine Willenshandlugen niemals aus dem Kausalgesetz holen, sondern immer nur aus einem ganz anderen Gesetz, dem Sittengesetz, welches auf einem besonderen Boden erwächst und welches mit wissenschaftlichen Methoden allein überhaupt nicht zu fassen ist.“

      Ich glaube, dass diese Sätze von Planck jeder Neurobiologe, der heute noch einmal die Frage zwischen Determiniertheit und Willensfreiheit diskutiert, lesen sollten. Dann würden 99,9 Prozent der Diskussionen, die wir heute zu diesem Thema führen, überflüssig. Planck hat das alles schon gesagt. Planck hat das wunderbar gesagt und wir sollten von Planck lernen. Es lohnt sich, von Planck zu lernen.

      Planck verbindet so viele verschiedene Welten: die aristokratische Zeit des Wilhelminismus, die demokratische Zeit der Weimarer Republik, die traditionelle Sicht der Physik, die kreative, konstruktive Physik der Quantenmechanik. Er verbindet auch eine kausale Ordnung, die er aus seiner physikalischen Welt übernommen hat und die Möglichkeit, sein Leben selbst zu bestimmen.

      Planck ist eigentlich ein großes Vorbild für uns als Physiker, als Politiker, als ein Denker, meinetwegen auch als Pädagoge und vor allen Dingen als Mensch. Wir können viel von ihm lernen. Ich möchte mich immer noch vor ihm verneigen.

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