4 Portraits (Pauli, Einstein, Planck und Heisenberg). Ernst Peter Fischer

4 Portraits (Pauli, Einstein, Planck und Heisenberg) - Ernst Peter Fischer


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ich an sein Lebenswerk denke, habe ich das Gefühl, ich müsste mich vor ihm verneigen. Ich möchte Sie einladen, Max Planck näher kennen zu lernen, vor allen Dingen dadurch, dass wir seine eigenen Worte hören.

      Planck hat sich bis kurz vor seinem Tode – er ist mit 89 Jahren gestorben – größten Mühen unterzogen, um Vorträge zu halten. Er wollte, dass die Menschen sein Denken kennen lernen. Er wollte, dass die Menschen etwas über die Wissenschaft erfahren. Er hat sich vor das Publikum gestellt und dabei wunderbare Texte entworfen, die sozusagen philosophierend über die neue Physik erzählen.

      Leider werden diese Texte nicht gelesen. Sie werden von seinen Fach-Kollegen nicht gelesen, weil sich die mit Fachwissen beschäftigen. Sie werden von Philosophen nicht gelesen, weil Philosophen allgemeinverständliche Texte nicht lesen. Das ist sozusagen „unter ihrem Niveau“. Gerade bei Planck allerdings irren sie sich sehr.

      Und sie werden vom Publikum nicht gelesen, weil sie kaum zugänglich sind oder nur in viel zu teuren Büchern.

      Aber es lohnt sich, Planck kennen zu lernen. Er hat sich viele Gedanken über die Frage gemacht, wie man überhaupt Wissenschaft vermitteln kann. Er war Jahrzehnte lang der Meinung, dass Wissenschaft eigentlich überhaupt nicht populär sein kann. Denn wie soll man jemandem, der nie in einem Laboratorium gewesen ist, der sich nie die Mühe einer theoretischen Rechnung gemacht hat, erläutern, was da eigentlich passiert. Wie verzweifelt man in der wissenschaftlichen Vorgehensweise zuweilen ist.

      Auch Planck glaubte nicht, dass es leicht ist, die exakte Sprache, die die Wissenschaft auszeichnet, in einer allgemein verständlichen Weise zu vermitteln. Wenn z.B. in der Physik von „Beweisen“ oder von „Nachweisen“ die Rede ist, dann sind das sehr präzis gemeinte Begriffe, die ganz bestimmte Regeln und Genauigkeiten enthalten, die natürlich im allgemeinen Sprachgebrauch verschwinden.

      Was wird da nicht alles bewiesen. Auf was wird nicht alles hingewiesen. Wofür gibt es nicht alles Evidenzwerte im Allgemeinen, um uns zu verständigen. In der Wissenschaft ist das anders und deshalb ist es sehr, sehr schwierig, Wissenschaft zu vermitteln. Planck war der Meinung, dass Wissenschaft ihrem Wesen nach unpopulär ist. Aber die Wissenschaftler selbst sind natürlich nicht unpopulär. Er selbst wollte populär sein. Er wollte vor die Leute treten.

      Er wollte den Menschen erklären, was er eigentlich macht, was er denkt und was dabei heraus kommt, wenn jemand wie er und seine Kollegen über Atome nachdenken. Wenn sie über Raum und Zeit nachdenken, wenn sie gewissermaßen das Weltbild entwerfen, auf dessen Basis sich dann unsere Gesellschaft weiter entwickelt und sogar auch wirtschaftliche Erfolge erzielen lassen.

      Das alles ist bei Planck gegeben. Er durchlebte eine spannende Zeit der deutschen und europäischen Geschichte. Er ist einer jener Männer, die nicht nur einfach zwischen Lieben und Leiden, Triumph und Tragik, sondern überhaupt zwischen zwei Welten stehen. Er ist in der Mitte des 19. Jahrhunderts, genauer 1858, geboren, durchlebt gewissermaßen die Epoche der Kaiserzeit, ist ein fest überzeugter Anhänger der preußischen Staatsidee und stirbt 1947. Also hat er nicht nur den ersten, sondern auch den zweiten Weltkrieg erlebt.

      Am Ende der grauenhaften nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, die sich zwischen diesen beiden Weltkriegen etabliert und die Weimarer Republik hinweggefegt hat, wird deutlich, welchen ungeheuren, widerspruchsvollen und katastrophenreichen Lebensweg Planck gegangen ist. Welche widerspruchsvollen Ereignisse sich im Hintergrund dieses großen Lebens abgespielt haben. Denn die entscheidende Station hat Planck genau in der Mitte seines Lebens erreicht. Im Jahr 1900, als er entdeckt, dass die herkömmliche Physik des vorangegangenen 19. Jahrhunderts, die er bewundert, wie kein anderer, eigentlich nicht hinreicht, um ein ganz einfaches Phänomen zu erklären.

      Dieses einfache Phänomen besteht darin, dass man bei einem Körper, den man erhitzt, beobachten kann, wie er anfängt zu glühen und zu strahlen. Zum Beispiel, wenn Sie –viele kennen das noch aus ihrer eigenen Kindheit – einen Kohleofen haben und ein Stück Brikett.

      Sie können aber auch an ein Stück Metall denken: Wenn Sie das Metall erhitzen, wird es zuerst nur warm und heiß. Dann aber fängt es an zu glühen. Zuerst glüht es rötlich, dann wird es gelblich, dann glüht es weiß und schließlich schmilzt es. Die Physik möchte erklären, wie die Wellenlänge des Lichtes, das von diesem erhitzten Körper ausgeht, mit der jeweiligen Temperatur, die dieser Körper hat, zusammenhängt.

      Im 19. Jahrhundert war mit genauesten, vielfältig wiederholten Messungen festgestellt worden, dass es dafür ein allgemeines Gesetz geben musste. Die Strahlung ist unabhängig vom Material. Die Messkurve, welche die Temperatur und die Strahlung, die Lichtwellenlänge also, miteinander verbindet, ist vollkommen unabhängig davon, ob ich Eisen, Briketts oder irgendeinen anderen Körper verwende. Dahinter musste ein universales Gesetz versteckt sein.

      Planck wollte dieses universale Gesetz entdecken. Er formulierte dazu im Jahre 1900 die merkwürdige Annahme, dass die Wechselwirkung zwischen dem Licht und der Materie nicht kontinuierlich stattfindet, sondern sprunghaft vor sich geht.

      Das ist der berühmte „Quantensprung“: Materie, die erwärmt wird, kann Energie in Form von Licht nicht durch ein kontinuierliches Fließen abgeben, sondern nur sprunghaft.

      Der Begriff „Quantensprung“ wird heute inflationär benutzt. Zum Beispiel von Ökonomen, die auf irgendwelchen Aktionärsversammlungen behaupten, das Unternehmen stünde kurz vor einem „Quantensprung“. Daran sieht man wieder genau das Problem, das Planck immer angesprochen hat, dass nämlich die Wissenschaftssprache und die öffentliche Sprache eigentlich nicht zueinander finden können.

      In der Wissenschaftssprache ist ein Quantensprung das Kleinste, was geschehen kann. Es bewegt sich meistens hin zu einem Grundzustand. In diesem verharrt das System für alle Zeiten fest.

      Aber genau das will ja ein Unternehmen nicht. Es will einen großen Sprung nach vorne in eine aktive, dynamische Phase machen. Der „Quantensprung“ des Volkes ist also das Gegenteil des Quantensprungs von Planck.

      Hier liegt das Problem, wenn man versucht, Wissenschaft zu vermitteln. Trotzdem kann man natürlich darüber nachdenken, was das menschliche Denken möglich macht. Was im menschlichen Denken sozusagen Lust auf Quantensprünge macht oder was bei Planck Unlust auf Quantensprünge macht. Er wollte diese Quantensprünge nicht. Er wollte nicht, dass die Natur sich unstetig verhält. Er hat den Vorschlag, dass der Energieaustausch zwischen der Materie und dem Licht unstetig vor sich geht, nur in einem Akt der Verzweiflung gemacht.

      Allerdings war dieser Akt der Verzweiflung sehr erfolgreich. Man konnte anschließend tatsächlich erklären, was passiert. Wie das Licht zustande kommt, das durch Erwärmung der Materie induziert wird. Und man hatte insgesamt die Möglichkeit, eine ganz neue Art der Physik aufzustellen, auf die ich noch etwas näher eingehen werde.

      Planck hat sich auf der einen Seite gefreut, denn was kann einen Physiker mehr erfreuen, als dass er eine erfolgreiche Theorie über die Wirklichkeit des Materiellen liefert. Es hat ihn aber auch geärgert, weil seine ursprüngliche Vorstellung einer kontinuierlichen, immer stetigen Natur damit verschwunden ist. Es war plötzlich eine Lücke da und über diese Lücke konnte man nichts wissen. Es ist eine merkwürdige Grundeinstellung, die Planck der Wissenschaft geliefert hat, ohne sie wirklich voll akzeptieren zu können. Eine ungeheuer spannende Situation, die ihn sehr beschäftigt haben muss. Trotz seiner großen Leistungsfähigkeit war er sozusagen dauernd seelisch angespannt.

      Dass die Physiker selbst mit dieser Entdeckung nicht so gut zu Recht gekommen sind, obwohl sie ja eigentlich die Jahrhundert-Entdeckung darstellt, sieht man daran, dass Planck den Nobelpreis für diese Entdeckung nicht sofort bekommen hat, sondern erst 18 Jahre später. D.h. man hat 18 Jahre daran gezweifelt, ob das, was Planck da entdeckt hat, tatsächlich ein


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