Im Urlaub ist es nie langweilig. Ilona Focali

Im Urlaub ist es nie langweilig - Ilona Focali


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er bereits eine Schale Wasser geschlabbert.

      „Gleich, gleich“, beruhigte ich ihn.

      Dann standen wir endlich vor dem Schalter der Autovermietung ganz am Ende der Halle. Auch hier schien es Verzögerungen zu geben. Nach einer Stunde des Wartens war besagter Mann, der uns zu unserem gebuchten Auto bringen sollte, immer noch nicht eingetroffen.

      Die Blicke und Bilder von Hundchen wurden nun immer drängender und ließen etwas sehr Unschönes ahnen. So machte ich energisch allen klar, dass ich jetzt mit dem Hund das Gebäude verlassen würde, wo auch immer ich eine Tür nach draußen fände. Und die fand ich auch, ein paar Schritte weiter.

      Rasenfläche – wenn auch nur ein paar Quadratmeter – und ein Baum, das war wundervoll und reichte völlig aus. Unser Hund schüttelte sich erleichtert.

      Die Tür allerdings, durch die wir hinausgegangen waren, war kein Eingang und von Beamten bewacht, die dem Hund zwar leicht amüsiert beim Pinkeln zugesehen hatten, uns aber nun nicht wieder hineinließen. Vorschrift ist halt Vorschrift. Sie schickten uns mehrere hundert Meter weiter, diesmal „nach vorne“, wo ich mich dann zusammen mit vielen Reisenden, Massen an Gepäckstücken und Chaos noch einmal der ganzen Prozedur der Sicherheitskontrollen unterziehen musste. Es half auch nichts, darauf hinzuweisen, dass ich sozusagen kein Reisender wie alle anderen hier, sondern schon längst angekommen und nur eben mit Hundchen Gassi gewesen war.

      Schuhe aus, Gürtel ab, Leinengeschirr vom Hund ab, Handtasche in die Schale … Zum Glück hatte ich meinen Pass dabei. In all den Jahren, in denen wir um die ganze Welt gereist waren, habe ich es mir angewöhnt, immer meinen Pass bei mir zu tragen.

      Hundchen sah sein Herrchen schon von Weitem, der immer noch auf derselben Bank saß und wartete.

      „Du sitzt ja immer noch da! Ist der Typ noch nicht gekommen?“, fragte ich, inzwischen leicht genervt.

      „Nein, die haben da irgendwelche Probleme“, antwortete mein Mann, der erstaunlicherweise die Ruhe behielt. „Hat der Hund sein Geschäft machen können?“

      „Ja, zum Glück gab es einen Baum mit etwas Rasen. Der Baum steht jetzt unter Wasser. Zum Glück hatte ich meinen Pass dabei, sonst wäre ich gar nicht wieder in die Halle gekommen. Musste das ganze Prozedere noch einmal über mich ergehen lassen mit Abtasten und Schuhe ausziehen und so weiter, stell dir vor!“

      „Hab dir noch hinterhergerufen, ob du deinen Pass dabei hast, aber du warst dann so schnell verschwunden. Ist doch richtig, dass so viele Kontrollen gemacht werden. Passiert ja genug.“

      „Ja, da hast du wohl Recht“, sagte ich und blickte zum Schalter unserer Autovermietungsfirma.

      Bis wir unser Auto bekamen, dauerte es dann noch mal eine Stunde, eine echte, keine gefühlte. Dann war es so weit, der langersehnte Mann war endlich da!

      Zusammen mit einer Gruppe von vier Personen – drei Männern ohne Gepäck, mit Bordkoffern, und einer sehr hübschen, jungen Frau in rotem Etuikleid und hohen Absätzen, die ein Model sein musste, so wie sie sich bewegte – verließen wir die Flughafenhalle in Richtung Parkhaus.

      Mein Mann hatte schwer zu kämpfen mit dem Gepäckwagen. Er schwört auf Gepäckwagen. Allerdings hätten wir die zwei Koffer und die Hundetasche auch ziehen können. Das wäre wesentlich einfacher gewesen, denn es war jedes Mal ein gefährlicher Kraftakt, den Wagen von den Bordsteigen – und davon gab es sechs bis zum Parkhaus – herunterzurollen.

      Die kleine Gruppe war längst nicht mehr zu sehen. Ich hatte mir nur in etwa die Richtung gemerkt, in die sie verschwunden war, und atmete mal wieder tief durch. Irgendwann hatte mein Mann „die Faxen dicke“ (auch so ein Ausspruch meines Vaters) und begann, die Koffer vom Wagen herunterzuheben – mitten auf der Fahrbahn. Ich rettete die Koffer, Taschen, Hundchen und mich auf die nächste Verkehrsinsel, während mein Mann versuchte, den Gepäckwagen irgendwo abzustellen – ja, aber wo eigentlich? Es gab keinerlei Abstellmöglichkeit, ohne dass ein heranbrausendes Auto (und das ist das normale Tempo dort) hineingefahren wäre. Schließlich fand er eine kleine sichere Ecke am Beginn des Parkhauses, das wir inzwischen erreicht hatten, und überließ das Gefährt dort sich selbst.

      Dann machten wir uns auf die Suche nach der Gruppe. Als wir sie gefunden hatten, saßen die drei Männer und das hübsche Model bereits in einem kleinen weißen Auto. Davor stand besagter junger Mann der Autovermietung und telefonierte wild gestikulierend mit seinem Chef.

      Uns konnte heute nichts mehr erschüttern, auch nicht, dass es bereits 23 Uhr war, uns noch eine zweistündige Fahrt bevorstand und der Autoverkehr schon bei Tageslicht als katastrophal bezeichnet werden kann, von nachts gar nicht zu reden. Wir standen ruhig da und warteten geduldig auf das Ende des Telefongesprächs.

      Danach rollte der junge Mann mit den Augen und forderte die vier Personen auf, aus dem weißen Auto wieder auszusteigen. Das Model lächelte mich an und ich lächelte zurück, das Handgepäck der Gruppe wurde aus dem Kofferraum wieder ausgeladen, dafür kamen unsere zwei Koffer hinein und gleichzeitig wurden wir eilig ins Innere des Autos geschoben, das keineswegs dem entsprach, was mein Mann gebucht hatte.

      In halsbrecherischer Fahrt und unter Schimpfen, dass der „vertrottelte Idiot am Serviceschalter“ die ganze Firma ruiniere, ging es zu einem Parkplatz außerhalb des Flughafengeländes, wo dann noch einmal Papiere unterschrieben wurden und nach einer Kurzunterweisung mein Mann das Steuer des Autos übernahm.

      Ich staune immer wieder, wie Männer (und ich kenne wirklich nur wenige Frauen) scheinbar jedes Auto fahren können, ohne sich lange damit vertraut machen zu müssen.

      Für meinen Mann jedenfalls, der nach einer kurzen Neuorientierung – „Wo ist denn hier überhaupt die Ausfahrt?“ und „Moment mal, müssen wir jetzt nach rechts oder links?“ – losfuhr, hatte ich nur noch große Bewunderung, dass er sich so gekonnt ins Fahrwasser des brodelnden Verkehrs warf und sich nun heroisch Kilometer um Kilometer vorwärtskämpfte. Bis ich merkte, dass er sich sogar pudelwohl dabei fühlte …

      Also, ich glaube, und das ist mein voller Ernst, dass türkische Männer ein spezielles Gen haben müssen, ein sogenanntes „Autofahrer-Gen“. Das kann man nicht erlernen, das muss ihnen im Blut liegen.

      Auch nach über fünfundvierzig Ehejahren und vielen Autoreisen in der Türkei weiß ich immer noch nicht, wie sie sich untereinander auf der Straße verständigen. Muss wohl wirklich so eine Art „Blutsprache“ sein, eine Art Geheimcode nach dem Motto:

      Kleiner Finger hoch: „Achtung!“ Zeigefinger hoch: „Bleib zurück, ich wechsle rüber auf deine Fahrbahn!“ Wenn das nichts nützt, dann hängt man den Arm aus dem Fenster, setzt mit der Hand das Stopp-Zeichen und mit der anderen Hand drückt man voll auf die Hupe – das wichtigste Teil am Auto überhaupt, wenn man vorankommen will. Den Mittelfinger sollte man besser nicht benutzen, es sei denn, man hätte Lust auf eine handfeste Keilerei.

      So vertraute ich mich wie immer den Fahrkünsten meines Mannes an, schloss die Augen, atmete tief in den Bauch und lächelte entzückt ob des vertrauten Geruchs dieses Landes, in dem ich mich schon immer sehr wohlgefühlt habe.

      Meine Hand streichelte Hundchen, der völlig geschafft auf meinem Schoß lag und ebenfalls voller Vertrauen auf Herrchens Fahrkünste die Fahrt über sich ergehen ließ.

      * * *

      „Als das Auto vorfuhr und eine Frau ausstieg, habe ich gedacht, da ist unsere Gelin (Schwiegertochter/Braut, auch nach fünfundvierzig Ehejahren), aber das war ja eine alte Frau!“, sagte Tante Vim.

      Toll, um das zu hören, war ich nun fünfhundert Kilometer von Istanbul in das kleine Ferienörtchen südlich von Izmir gefahren, mit halsbrecherischen Überholmanövern in einem Leihauto, das zu wünschen übrig ließ, um rechtzeitig zu ihrem achtzigsten Geburtstag zu kommen. Am liebsten wäre ich gleich wieder ins Auto eingestiegen und nach Istanbul zurückgefahren. Aber dann dachte ich daran, dass ich hier zum einen doch wohl sehr mit meinem Ego reagierte und zum anderen dies eben Tante Vim war, wie sie leibte und lebte. Sie konnte schon immer gut austeilen, sagte, was sie dachte (und das entsprang meist einer sehr subjektiven Wahrnehmung), reagierte dagegen aber zutiefst beleidigt


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