Call me Baby. Katharina B. Gross

Call me Baby - Katharina B. Gross


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krächze ich ins Headset.

      »Puh, hätte echt nicht gedacht, dass es so gut wird. Danke«, antwortet der Fremde und legt auf, ehe ich das Missverständnis aufklären kann. Nur langsam setze ich das Headset ab, mein Herz rast immer noch und das Blut rauscht noch in meinen Ohren. Dieses Gespräch kommt mir so unwirklich vor … Allein mein halbsteifer Schwanz verrät, dass ich es mir nicht eingebildet habe.

      »Hey, was machst du denn noch hier?«, fragt plötzlich jemand hinter mir. Erschrocken springe ich vom Stuhl auf und drehe mich blitzschnell um. Michael steht vor mir und mustert mich mit hochgezogenen Brauen.

      »Ähm … ich … ein Kunde«, erkläre ich stammelnd und mit glühenden Wangen. Hoffentlich glaubt er mir, denn ich bin noch nie ein guter Lügner gewesen. »Ein Kunde hat noch angerufen. Eine Beschwerde wegen einer kaputten Waschmaschine.«

      »Ach so.« Michael zuckt bloß mit den Schultern, scheint jedoch nicht weiter auf das Thema eingehen zu wollen. »Wir sollten langsam gehen. Ich hätte beinahe die Bürotür verschlossen, wenn ich das Licht nicht gesehen hätte. Du hast Glück, dass ich noch mal zur Toilette musste und umgekehrt bin.«

      »Das macht ja nichts, immerhin habe ich ebenfalls einen Schlüssel«, entgegne ich. Gemeinsam verlassen wir das Großraumbüro, das Michael hinter uns abschließt. Dann gehen wir aus dem Gebäude.

      ***

      »Hey, Tobi. Hattest du gestern noch einen netten Abend?«, fragt mich Michael, als ich mich am nächsten Abend auf den Platz neben ihn fallen lasse und den Rechner hochfahre. Er ist bester Laune, was man von mir nicht gerade behaupten kann.

      »Ja, ganz wunderbar«, antworte ich ironisch und verdrehe die Augen. Dieser blöde Telefonanruf gestern Abend hat mich doch ziemlich verwirrt zurückgelassen. Ich stand immer noch unter Strom und konnte einfach an nichts anderes denken, als ich von der Arbeit nach Hause gekommen bin. Selbst als ich bereits im Bett la, hallte das Stöhnen des Fremden immer noch in meinen Ohren.

      »Klingt nicht gerade vielversprechend. Aber na ja, viel vom Feierabend hat man ja sowieso nicht, wenn man so spät nach Hause kommt. Ich bin auch immer froh, wenn die Kids dann schon im Bett sind und nicht noch laut tobend durchs Haus rennen.« Mein Kollege zuckt mit den Schultern und wendet sich wieder seinem Monitor zu. Ich bin froh, dass er mich nicht noch weiter über die gestrige Situation ausfragt, denn sollte ihm doch etwas wegen des seltsamen Sextelefonats aufgefallen sein, wäre es superpeinlich!

      Als mein Telefon klingelt, zucke ich erschrocken zusammen. Sogleich beschleunigt sich mein Puls und mein Herz schlägt einen Takt schneller. Ob es wieder der Typ von gestern ist? Das Telefon klingelt unaufhörlich, während ich hastig das Headset aufsetze. Zögernd schwebt die Mausanzeige über dem Button, das Gespräch entgegenzunehmen.

      »Was ist denn mit dir los heute? Angst vor dem Telefon, oder was?«, fragt Michael erstaunt, der sich ein wenig zu mir rüber gelehnt hat. Ich schüttele den Kopf und nehme das Gespräch entgegen.

      »Hallo?«, frage ich aufgeregter als sonst.

      »Hallo?«, entgegnet eine Frauenstimme. »Wo bin ich denn gelandet?«

      Irritiert versucht mein Hirn zu verarbeiten, was hier gerade vor sich geht. Es ist gar nicht der Mann von gestern, sondern nur eine Kundin. Plötzlich macht sich Enttäuschung in mir breit. Ich habe tatsächlich gehofft, wieder seine Stimme zu hören. Aber er hat sich bloß verwählt. Wäre also echt ein Zufall, wenn er noch mal hier landen sollte.

      »Ähm … also … Sie sind hier bei der CA Media Allstar AG«, beginne ich meinen Spruch aufzusagen, werde von der Frau jedoch harsch unterbrochen.

      »Erst lässt man mich endlos lange in der Leitung warten und dann werde ich nicht mal anständig begrüßt! Was ist das nur für ein Service?« Tja, und dann geht es tatsächlich um eine kaputte Waschmaschine …

      ***

      Der Rest meiner Schicht verläuft ereignislos. Ich nehme Beschwerden entgegen, leite sie weiter, wenn sich das Problem nicht sofort lösen lässt, und bearbeite ein paar Reklamationen. Es ist recht viel los, sodass mir keine Zeit bleibt, an das gestrige Telefonat zu denken.

      »Tobi, hast du vielleicht Lust, am Samstagabend bei uns vorbeizuschauen? Meine Frau hat Geburtstag und wir feiern ein wenig. Wie wär’s?« fragt mich Michael nach Feierabend. »Bei dieser Gelegenheit könnte ich dir auch meinen Bruder Kevin vorstellen.«

      Ich überlege kurz. Warum eigentlich nicht? Ich war schon lange nicht mehr unter Leuten, da ich wegen der Arbeit und der Uni in letzter Zeit viel um die Ohren habe. Mein Kollege weiß schon eine ganze Weile, dass ich schwul bin. Ich habe es einmal erwähnt, als er mir von seinem jüngeren Bruder erzählt hat, der sich vor Kurzem von seinem langjährigen Freund getrennt hat. Dementsprechend wundert es mich auch nicht, dass er diesen Kevin direkt zur Sprache bringt.

      »Sehr gerne«, sage ich nach kurzem Überlegen. Obwohl Michael fast fünfzehn Jahre älter ist, verstehe ich mich echt gut mit ihm. Und wenn sein Bruder nur halb so sympathisch ist, könnte ein kurzer Blick auf ihn nicht schaden.

      Michael verabschiedet sich von mir. Heute bin ich wieder der Letzte im Büro. Ich fahre meinen Rechner herunter, schalte das Licht aus und verlasse den Raum. Kaum habe ich die Tür hinter mir geschlossen, höre ich ein leises Klingeln. Habe ich mich verhört? Verwirrt öffne ich die Tür wieder einen Spalt und spähe in die Dunkelheit hinein, horche in den Raum und versuche zu erahnen, woher das Geräusch kommt. Tatsächlich kommt das Klingeln von meinem Arbeitsplatz ganz hinten am Fenster. Mit wild pochendem Herzen gehe ich zurück an meinen Schreibtisch und greife nach dem Headset.

      »Hallo?«, rufe ich aufgeregt, vergesse komplett meine gewohnte Begrüßung aufzusagen, weil ich verwirrt bin, dass jetzt noch jemand hier anruft. Insgeheim hoffe ich, dass es der Fremde von gestern Abend ist.

      »Oh, so stürmisch?«, entgegnet eine tiefe Stimme am anderen Ende. Sein leises Lachen lässt mich unweigerlich erschaudern.

      »Ähm … ja …« Ich weiß gar nicht, was ich ihm sagen soll. Vielleicht einfach das Missverständnis aufklären, dass dies hier keine Sexhotline ist? Ich zögere einen Moment zu lange.

      »Okay. Wir können gleich loslegen, Baby. Warte, ich mach’s mir nur etwas bequemer. So, bin so weit.«

      Ich lasse mich auf den Stuhl sinken und presse den Kopfhörer des Headsets dicht an mein Ohr. Was erwartet er jetzt von mir? Dirty Talk? Ich bin ein wenig überfordert und habe keine Ahnung, was ich sagen oder tun soll. Mein Kopf ist wie leergefegt, meine Hände fangen an zu schwitzen, sodass ich meine Finger in meine Jeans kralle.

      »Ähm, soll ich schon mal anfangen … und du steigst dann ein?«, hakt der Mann etwas zögerlich nach. Seine Stimme wirkt belegt und rau, bebt ein wenig. Ich kann erahnen, dass Erregung darin mitschwingt. Die Vorstellung, dass der Fremde sich vermutlich gerade nackt in einem großen Bett rekelt, bringt mein Blut in Wallung. Dennoch habe ich ein mieses Gefühl bei dem, was ich hier tue. Ich kann von Glück reden, allein im Büro zu sein. Gestern wurde ich nicht erwischt und heute sollte ich es wirklich nicht drauf ankommen lassen, auch wenn mich der Typ am anderen Ende der Leitung total neugierig macht. Trotzdem wäre es besser, die Sache zu beenden, damit ich ruhig schlafen kann, ohne diese Angst im Nacken, wegen dieser Geschichte gekündigt zu werden.

      »Also, ich …«, krächze ich nervös und muss mich räuspern, um meine Stimme fester klingen zu lassen. »Ich glaube, du hast dich verwählt. Hier ist das Service Center der CA Media Allstar AG – und wenn du nicht gerade eine Waschmaschine oder einen Staubsauger kaufen willst, glaube ich, dass wir dieses Gespräch besser beenden sollten.«

      Mit angehaltenem Atem warte ich auf eine Antwort. Zwei, drei Herzschläge lang geschieht gar nichts, ich höre nur mein eigenes lautes Atmen, dann knackt es und die Leitung ist plötzlich tot. Die Anspannung fällt von mir ab und ich sacke auf dem Stuhl in mich zusammen. Irgendwie weiß ich jetzt nicht, ob ich erleichtert darüber sein soll oder enttäuscht, weil ich dieses seltsame Missverständnis geklärt habe, denn der Fremde hatte etwas in mir ausgelöst, das ich ewig nicht mehr gespürt habe. Kribbelnde Aufregung und körperliches Verlangen.

      Heftig


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