Call me Baby. Katharina B. Gross

Call me Baby - Katharina B. Gross


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jemand leise schnarchend neben mir. Als erstes hebe ich die Decke ein Stück an und schaue an mir herunter, ohne den Fremden näher zu betrachten. Bis auf meine Shorts bin ich nackt. Auch der Mann neben mir trägt nichts weiter als enganliegende Pants, die sich um seine beachtliche Morgenlatte spannen. O Gott! Was ist hier gestern Nacht passiert? Ich schlucke hart bei diesem Anblick und traue mich kaum, ihm ins Gesicht zu schauen. Mein Blick haftet wie hypnotisiert auf der Beule zwischen seinen Beinen.

      Erneut versuche ich, mich im Bett aufzusetzen. Ein dumpfer Schmerz pocht hinter meinen Schläfen. Meine Kehle ist trocken, die Zunge ein pelziges Etwas. Zudem habe ich schrecklichen Durst.

      »Wasser …«, krächze ich. Der Mann neben mir regt sich, dreht sich weg und tastet mit einer Hand neben dem Bett herum, bis er mir eine angebrochene Flasche Wasser reicht. Ich greife nach ihr und leere sie in wenigen Zügen.

      »Guten Morgen«, brummt er dann und richtet sich ebenfalls auf, das Gesicht mir zugewandt. Jetzt erkenne ich, dass es Kevin ist. Entgeistert starre ich ihn an. Ich habe keinen blassen Schimmer, was wir hier gestern Nacht getrieben haben. Wir haben nicht wenig Alkohol getrunken und Kevin hat mir das Haus gezeigt … Und dann? Egal wie sehr ich mein Hirn anstrenge, ich habe einen totalen Filmriss, was die gestrige Nacht betrifft. Was ist zwischen uns passiert? Hatten wir vermutlich sogar Sex? Wir tragen zwar beide noch unsere Unterwäsche, aber wer weiß? In meinem Kopf herrscht gähnende Leere und ich kann mich einfach nicht erinnern, was passiert ist. Oh, Scheiße, Scheiße, Scheiße! Eigentlich bin ich überhaupt nicht der Typ für One-Night-Stands, denn bis auf diese seltsame Telefonsexsache letzte Woche ist jeglicher intimer Kontakt mit Männern immer mit einer festen Beziehung verbunden gewesen.

      »Na, so schlimm sehe ich doch wirklich nicht aus, dass du so entsetzt dreinblicken musst, oder? Gestern schien es so, als könntest du mich noch ganz gut leiden.« Kevin schmunzelt und fährt sich mit den Händen übers Gesicht, um den Schlaf zu vertreiben. Seine blonden Haare stehen ihm wirr vom Kopf ab. Er gähnt herzhaft und streckt sich dabei, sodass ich in den Genuss komme, seinen nackten Oberkörper zu begutachten. Er wirkt ziemlich gelassen und im Gegensatz zu mir geht es ihm wohl gar nicht so schlecht nach der Party.

      »Was … also … was haben wir … gemacht?«, presse ich stockend hervor, weil ich diese Ungewissheit nicht länger ertrage.

      Kevin mustert mich überrascht, dann lacht er auf. »Du kannst dich echt nicht erinnern?«

      Ich schüttele den Kopf. Verdammt, wie viel Alkohol muss ich getrunken haben, dass ich so einen Totalblackout habe?

      »Du willst wissen, ob wir Sex hatten, richtig?«, mutmaßt er und trifft damit genau ins Schwarze. Ich nicke mit hochrotem Kopf, etwas Anderes bringe ich im Moment nicht zustande. Ein freches Grinsen umspielt Kevins Lippen, er nähert sich mir, dann legt er seine Hand auf die Bettdecke, an die Stelle, an der er wohl meinen Oberschenkel vermutet.

      »Keine Sorge, es ist nicht viel zwischen uns gelaufen, auch wenn ich nicht abgeneigt war, muss ich gestehen. Du kannst verdammt gut blasen.«

      Erschrocken starre ich ihn an. Ich habe Kevin einen geblasen? Daran müsste ich mich doch erinnern können! Kevins Lachen wird immer lauter, während ich angestrengt versuche, mich an vergangene Nacht zu erinnern. Leider klingelt gar nichts bei mir.

      »Spaß, Mann. Ich mach doch nur Spaß.« Kevin lacht sich über meinen Gesichtsausdruck halbtot. »Ich hab dich nur verarscht. Du musst mal dein Gesicht sehen, Tobi. Als ob es so schlimm wäre, mir einen zu blasen. Also echt. Darüber hat sich mein Ex auch nie beschwert. Ich habe einen ziemlich tollen Schwanz, kannst dich gerne davon überzeugen.«

      Erleichtert atme ich aus.

      »Bist du bescheuert? Mir ist vor Schreck beinahe das Herz stehengeblieben, Mann«, entgegne ich mit einem bösen Blick auf Kevin. Der hat ja echt Nerven mir so früh am Morgen einen Schrecken einzujagen. Vor allem dann, wenn ich an fürchterlichen Kopfschmerzen leide. Natürlich finde ich Kevin sexy … aber ich kenne ihn gerade mal ein paar Stunden, sodass ich nicht richtig einschätzen kann, was er über mich denkt. Aber okay, diesen Fremden am Telefon – den kenne ich noch weniger und muss gestehen, dass ich seine Stimme ziemlich anziehend finde, weshalb sie mir nicht aus dem Kopf geht. Aber Kevin ist real, er sitzt halbnackt neben mir und lacht mich an. Da sollte ich nicht an einen anderen Mann denken müssen, der mir einmal sexy ins Ohr gestöhnt hat.

      Kevins Lachen verklingt und er wird wieder ernst. Seine blauen Augen fixieren mich.

      »Tobi, mal ehrlich? Es ist wirklich nichts gelaufen zwischen uns. Du warst gestern Abend ziemlich hinüber. Hast ständig von so einem Kerl geredet, mit dem du Telefonsex hattest. In diesem Zustand hätte ich dich nicht angerührt, schließlich habe auch ich meinen Stolz.«

      Oje, das auch noch! Ich habe mich wohl wirklich nicht gerade beliebt gemacht bei Kevin.

      »Außerdem wolltest du in deinem Zustand noch alleine nach Hause fahren. Zum Glück konnte Michael dich zum Bleiben überreden«, klärt er mich auf und rückt etwas näher zu mir, um mich in seinen Arm zu ziehen. »Und ich konnte die Situation doch nicht einfach so ausnutzen, dass du vom ganzen Alkohol nicht mehr wusstest, was du eigentlich tust. So einer bin ich nicht, auch wenn ich zugeben muss, dass du mir gefällst.« Ohne groß darüber nachzudenken schmiege ich mich an ihn. Die Wärme seines Körpers ist angenehm und sein Geständnis lässt mein Herz einen Takt höherschlagen.

      »Nachdem ich dich in mein Zimmer geführt habe, bist du auf dem Bett direkt eingeschlafen. Ich habe dich ausgezogen und einfach schlafen lassen«, ergänzt er und streicht mir durchs Haar.

      Mit geschlossenen Augen genieße ich diesen Moment der Ruhe. Nicht jeder Mann hätte so cool reagiert wie Kevin, sondern meine missliche Lage sicher ausgenutzt …

      Kapitel 2

      -Kevin-

      Tobias ist gegangen. Dass er mir sofort geglaubt hat, wir hätten es gestern Nacht getrieben, musste ich einfach ausnutzen, um ihn ein bisschen zu ärgern, was er mir zum Glück nicht krummgenommen hat. So konnte er mir wenigstens für einen kurzen Moment die Leere aus meinem Herzen vertreiben, die ich seit der Trennung von meinem Freund empfinde. Und, Scheiße, Tobias hat mich in diesem Moment an ihn erinnert, als er mich so verwirrt angesehen hat, die schokobraunen Haare vom Schlafen zerzaust und der Blick noch etwas müde.

      Seufzend drehe ich mich auf die Seite und vergrabe mein Gesicht in dem Kissen, auf dem Tobias geschlafen hat. Atme seinen Geruch ein, der noch schwach an dem Stoff haftet. Schon wieder muss ich an meinen Ex denken. An den Tag vor zwei Jahren, an dem wir uns kennen gelernt haben. Gott, wie sehr er mich bei unserer ersten Begegnung in seinen Bann gezogen hat. Die Wärme in seinem Blick, das schüchterne Lächeln auf seinen Lippen. Unser erster Kuss. Es tut immer noch weh, an ihn zu denken, auch wenn die Trennung bald zwei Monate zurückliegt. Trotzdem ist er mir immer noch nah, obwohl ich derjenige gewesen bin, der Schluss gemacht hat. Aber so ging es einfach nicht mehr weiter. Ich durfte ihn nicht noch mehr verletzen.

      Mit einem Seufzen schlage ich die Decke zurück und schwinge meine Beine aus dem Bett. Langsam sollte ich wirklich aufstehen. Es ist sicher schon spät, was mir mein Magen nun ebenfalls bestätigt. Das Frühstück ist längst überfällig. Schnell ziehe ich mir eine Jogginghose und ein T-Shirt über, dann begebe ich mich in die Küche. Doch die Gedanken an meinen Ex schwirren immer noch in meinem Kopf umher, ohne dass ich es verhindern kann.

      Niklas hat am Morgen nach unserem One-Night-Stand, der nun schon so lange zurückliegt, ähnlich erschrocken reagiert wie Tobias vorhin. Nicht, weil er den Sex vermutlich bereute, denn ich glaube kaum, dass er so etwas Spontanes zum ersten Mal getan hatte. Sondern wegen der Tatsache, in einem fremden Bett erwacht zu sein. Vermutlich überraschte es ihn, dass ich ihn mit zu mir nach Hause nahm, statt ihn in einem billigen Hotel zu ficken. Glücklicherweise konnte ich ihm damals noch seine Handynummer entlocken, bevor er Hals über Kopf das Haus verließ. Dass ich ihn wiedersehen wollte, stand für mich fest.

      Meine Schwägerin Maria steht am Herd und rührt in einem Topf, aus dem es herrlich nach Milchreis duftet. Der Tisch ist bereits gedeckt, obwohl sich noch nicht alle Mitglieder der Familie versammelt haben. Michael muss sicher noch mit Lara im Bad sein, denn


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