Call me Baby. Katharina B. Gross

Call me Baby - Katharina B. Gross


Скачать книгу
setze mich dem beinahe dreijährigen Jungen gegenüber an den Küchentisch, schnappe mir ein Brötchen aus dem Brotkorb und bestreiche es dick mit Nutella. Felix lacht mich an, wartet dabei geduldig auf sein Frühstück.

      »Kevin, was hast du denn mit Tobi angestellt?«, will Maria von mir wissen. Ihre Stimme klingt vorwurfsvoll. »Der arme Junge ist Hals über Kopf von hier geflüchtet, ohne auch nur einen Bissen zu essen.« Sie füllt eine Portion von dem Milchreis in ein Schälchen und stellt es vor ihrem Sohn ab, der erwartungsvoll zum Löffel greift, ehe sie sich ebenfalls an den Tisch setzt. Ich zucke bloß mit den Schultern und beiße in mein Brötchen.

      »Ich war ausnahmsweise ganz brav heute Nacht. Hab ihn nicht angerührt«, beteuere ich mit unschuldigem Augenaufschlag. Maria verdreht die Augen.

      »Anscheinend hast du es deinem unwiderstehlichen Charme zu verdanken, dass die Männer alle Reißaus vor dir nehmen«, neckt sie mich frech. Ich weiß ja, dass sie es nicht böse meint, doch mein Herz zieht sich bei ihren Worten trotzdem zusammen. Eher bin ich es wohl, der die Männer von sich stößt. Aber ist es nicht besser, einen Schlussstrich zu ziehen, als sich immer weiter zu verletzen?

      »Sag mal, wann suchst du dir endlich eine neue Bleibe? Du willst doch nicht ewig in unserem Gästezimmer hausen, oder?«, meint Maria nachdenklich. »Ist doch auch nicht so schön, wenn du deine Bekanntschaften immer in ein fremdes Haus mitbringen musst.«

      »Ich bringe doch keine Bekanntschaften mehr mit.« Ich seufze schwer. Seit nunmehr fast zwei Monaten lebe ich wieder bei meinem Bruder, weil ich es nach dem Streit mit Niklas nicht mehr in der WG ausgehalten habe. Ich konnte seine Tränen nicht länger ertragen, weil ich es war, der ihm das Herz gebrochen hat. Es war einfach zu viel für mich. Auch mein eigener Schmerz war unerträglich. Genau aus diesem Grund habe ich mich bisher von Männern ferngehalten – bis Tobias gestern hier aufgetaucht ist.

      »Liebe Maria. Sag bloß, dir gefällt meine Kinderbetreuung nicht mehr? Immerhin kannst du so ohne Weiteres nachmittags arbeiten gehen, ohne einen Babysitter zu organisieren. Bis Felix in den Kindergarten kommt, dauert es noch ein halbes Jahr«, erwidere ich kauend. Nachdem ich mein Brötchen verputzt habe, lecke ich mir das Nutella aus den Mundwinkeln.

      »Natürlich ist es schön, dass du auf die Kleinen aufpasst. Aber ich mache mir Sorgen um dich. Willst du dich denn nicht wieder mit Niklas vertragen? Seit zwei Monaten läufst du hier mit einer Trauermiene durch die Gegend, wenn du glaubst, keiner würde zusehen. Glaub nicht, dass es uns nicht aufgefallen ist.« Sie legt ihre Hand auf meine, doch ich lasse diese Berührung nur kurz zu. Mich mit ihm vertragen? Wie gern würde ich es tun. Doch das kann ich nicht. Ich habe ihn verletzt und er ist ohne mich einfach viel besser dran.

      »Oder du versuchst, jemand Neues kennenzulernen«, ertönt die Stimme meines Bruders von der Tür. Er betritt die Küche, streicht Felix kurz über den Kopf und setzt sich dann mir gegenüber. Lara kommt ebenfalls herein und zieht einen der Küchenstühle mit voller Wucht zurück, sodass die Stuhlbeine auf den Fliesen quietschen.

      »Wie wär’s denn mit Tobi? Er ist echt ein lieber Kerl«, fragt er mich, das stürmische Verhalten seiner Tochter ignorierend. Da hat Michael recht. Ich habe mich gestern in seiner Gegenwart sehr wohl gefühlt. Vielleicht sollte ich wirklich einen Schlussstrich ziehen und neu beginnen? Mit Tobias könnte ich mir etwas Längerfristiges durchaus vorstellen, sollte er ebenfalls Interesse haben. Es war keine Liebe auf den ersten Blick, doch die Anziehungskraft zwischen uns habe ich deutlich gespürt. Er ist echt sympathisch, sieht gut aus und hat eine angenehm ruhige Art. Auch wenn er gestern alles andere als ruhig war nach dem ganzen Alkohol.

      »Du könntest ihn ja mal anrufen«, schlägt mir mein Bruder zwinkernd vor. Ich nicke nachdenklich. Vielleicht sollte ich das tun …

      Kapitel 3

      -Kevin-

      Zwei Jahre zuvor

      Es war damals noch nicht so lange her, dass ich aus unserem kleinen Dörfchen in der Nähe von Leipzig nach Berlin zu meinem Bruder gezogen war. Hier hatte sich für mich die Chance ergeben, als Geselle in einer größeren Kfz-Werkstatt neu anzufangen. Michael hatte mir vorerst Asyl in seinem Haus gewährt, doch bald würde ich mich um eine eigene Wohnung kümmern müssen, um die Gastfreundschaft seiner Familie nicht überzustrapazieren. Für Maria war es schon stressig genug mit den beiden Kindern, da musste sie sich nicht auch noch um einen zusätzlichen Gast kümmern.

      Außer meinem Bruder und seiner Frau kannte ich noch niemanden in der Stadt, also nahmen mich meine Kollegen von der Autowerkstatt unter ihre Fittiche. Ich verstand mich auf Anhieb prima mit den Jungs und es schien für sie kein Problem zu sein, dass ich mich nicht für hübsche Blondinen mit großen Brüsten erwärmen konnte, sondern auf Männer stand.

      »So bist du wenigstens aus dem Rennen und es bleibt mehr Beute für uns«, erklärte Peter mir, als wir eines Samstagabends mit den anderen durch die Stadt zogen. Peter war ein typischer Weiberheld, aber eigentlich ganz in Ordnung. Ich war wirklich heilfroh, dass meine sexuelle Orientierung nicht meine Arbeit beeinflusste. Außerdem fühlte ich mich hier total wohl, die Arbeit machte Spaß und die Stadt hatte etwas Pulsierendes, das mich wie magisch anzog. Vor allem das Nachtleben war aufregend.

      Meine Kollegen nahmen mich auch an diesem Abend wieder mit zum Feiern. Wir waren alle ungefähr im selben Alter und hatten viel Spaß zusammen. Ich hatte schon reichlich mit den Jungs in einer Kneipe vorgetrunken.

      »Leute, wollen wir noch weiterziehen und bei bisschen tanzen?«, fragte Peter in die Runde, nachdem wir unsere Getränke gezahlt hatten.

      »Hoffst du wieder darauf eine abzuschleppen, du Weiberheld?«, entgegnete Klaus mit einem frechen Grinsen. Auch ich musste schmunzeln, denn mittlerweile kannte ich Peter. Natürlich hoffte er auf einen One-Night-Stand. Ich machte mir da keine großen Hoffnungen, denn es war unwahrscheinlich, in einem Club auf einen schwulen Kerl zu treffen, solange ich mit meinen Kollegen unterwegs war. Außerdem glaubte ich kaum, dass mir mein Traumprinz in einer Disco über den Weg laufen würde. Zwar hatte ich überhaupt nichts gegen gelegentliche One-Night-Stands einzuwenden, aber eigentlich war ich schon auf der Suche nach etwas Festem.

      Einstimmig beschlossen wir, Peters Vorschlag anzunehmen, denn der Abend war noch jung und wir bereits gut angetrunken. Ein bisschen Tanzen würde da auf jeden Fall nicht schaden. Als wir lachend durch die Straßen zogen, in der sich Bars und Clubs aneinanderreihten, bemerkte ich einen Mann, der meinen Blick sofort auf sich lenkte. Er stand nur wenige Meter von mir entfernt vor dem Eingang eines Clubs und unterhielt sich mit einem anderen Mann, der mir den Rücken zuwandte. Der Fremde war groß und schlank, mit braunen Haaren, die ihm zerzaust vom Kopf abstanden. Der Dreitagebart ließ ihn verwegen aussehen. Wie vom Blitz getroffen blieb ich mitten auf dem Gehweg stehen und starrte ihn an. Unsere Blicke trafen sich für einen kurzen Moment und ich glaubte, ein Lächeln in seinem schönen Gesicht zu erkennen, ehe er mit seiner Begleitung im Club verschwand.

      »Hey, Mann. Wo bleibst du denn?«, wollte Klaus wissen, als er sich nach mir umsah. Mir war klar, dass die Jungs woanders hingehen wollten. Da vor dem Eingang, in dem der Fremde verschwunden war, fast ausschließlich Männer auf den Einlass warteten, musst es sich um einen Schwulenclub handeln.

      »Ich denke, ich klinke mich für heute aus. Zieht ihr ruhig weiter, ich würde nämlich gerne hier rein«, antwortete ich und zeigte auf den Clubeingang. Klaus überlegte kurz, dann zuckte er mit den Schultern. Auch Peter schien damit einverstanden, nun getrennte Wege zu gehen. Nachdem ich mich von den beiden verabschiedet hatte, reihte ich mich in die Schlange der Wartenden ein. Große Hoffnungen, dem Fremden nochmals über den Weg zu laufen, hatte ich zwar nicht, doch ich könnte mich dennoch ein wenig umsehen, um Spaß zu haben.

      Bereits nach Betreten des Clubs drängten sich viele Besucher an mir vorbei, die von der lauten Musik angetrieben wurden. Der große Mainroom war gerammelt voll mit tanzenden, halbnackten Männern, die sich ungeniert aneinander rieben. Mit Blicken suchte ich die Menge ab, konnte den Mann jedoch nicht ausfindig machen. Also beschloss ich, mich vorerst an die Bar zu setzen und die Lage zu checken, bevor ich mich auf die Tanzfläche wagte. An der Bar bestellte ich einen Tequila-Shot und schaute mich noch einmal um.

      »Du


Скачать книгу