Die Revolverreiter von Dodge City: Western Bibliothek 10 Romane. Pete Hackett
erkannte er sofort – ein Gesicht mit einer gezackten Narbe auf der rechten Wange. Das war Brod Slakeson!
Slakeson knurrte seinen Begleitern etwas zu. Sie sprangen von den Gäulen weg und senkten ihre Hände auf die Kolben der tiefgeschnallten Colts.
Greg zielte mit dem 45er auf Torrences Genick und rief scharf: „Lasst eure Eisen nur stecken, sonst geht es eurem Freund schlecht!“
Torrence wollte anhalten, aber Greg befahl ihm weiterzugehen. Die drei Banditen tauschten funkelnde Blicke. Slakeson sagte leise wieder etwas, was Greg nicht verstand. Erst als sie auf gleicher Höhe mit dem Küchenwagen waren, befahl Greg seinem Gefangenen stehenzubleiben.
„Schnallt eure Gurte ab!“, befahl er den Desperados.
Slakeson bewegte seine kräftigen Schultern. Gegen das grelle Sonnenlicht blinzelte er Greg lauernd an.
„Dir hat wohl die Sonne das Gehirn ausgedörrt, was? Komm, mein Junge, steig schön brav vom Pferd und lass dir ein paar kalte Umschläge machen!“
„Das hat Zeit bis nachher!“, erwiderte Greg trocken. „Zuerst schnallt ihr ab – oder es knallt!“
In diesem Augenblick trat Mary Lockwood hinter dem Küchenwagen hervor. Sie hielt ein Gewehr in den Händen, und die Mündung zielte auf Greg.
*
„Es ist genug, Williams!“, sagte sie kalt. „Werfen Sie Ihren Colt weg.“
Gregs Lippen wurden ganz schmal. Eine Falte erschien zwischen seinen Augenbrauen.
„Miss Mary! Lassen Sie mich erklären …“
„Das ist nicht notwendig, Williams! Ich weiß Bescheid!“
Slakeson grinste seinen Komplizen heimlich zu. Torrence ließ die erhobenen Arme sinken.
Er keuchte hastig: „Was Ihnen dieser Schuft auch erzählen will, Miss Mary – glauben Sie ihm kein Wort.“
„Wo ist Dillon, Lee?“
„Dillon?“, schnaufte der Vormann. „Williams hat ihn erschossen – heimtückisch über den Haufen geschossen, dieser verwünschte Schurke!“
Mary Lockwood wurde blass. Das Gewehr in ihren Händen zitterte leicht.
„Darüber werden Sie Rechenschaft geben müssen, Williams!“, sagte sie tonlos.
„Ich hab’ ihn nicht mehr daran hindern können!“, redete Torrence überstürzt weiter. „Und jetzt will er mir diese Schuld in die Schuhe schieben! Deshalb …“
„Torrence!“, unterbrach ihn Greg gepresst. „Noch ein Wort …“
Mary rief heftig: „Schluss mit Ihren Drohungen. Williams! Glauben Sie nur nicht, dass ich nur bluffe! Sie sollten mich inzwischen besser kennen!“
Die Minute, da er sie in seinen Armen gehalten und geküsst hatte, war wieder ganz deutlich für ihn. Er schaute in ihre vor Empörung und Entschlossenheit blitzenden Augen, und ein bleierner Druck breitete sich in seiner Magengrube aus.
Er versuchte es nochmals. „Miss Mary, Torrence lügt! Ich habe nicht …“
Sie schüttelte den Kopf.
„Es hat keinen Sinn mehr für Sie, Williams!“, erklärte sie leise. Im Hintergrund ihrer Stimme schwang ein Hauch bitterer Enttäuschung.
„Dillon hat mir, bevor er euch folgte, seinen Verdacht gegen Sie mitgeteilt! Sein Tod nützt Ihnen nichts mehr, Williams! Ich werde dafür sorgen, dass Sie kein Unheil mehr stiften! Und jetzt werfen Sie endlich Ihre Waffe fort!“
Sein Herz klopfte in harten Stößen. Fieberhaft suchte er nach einer Möglichkeit, dem Mädchen kurz alles klarzumachen. Es war sinnlos. Während er nochmals zum Sprechen ansetzte, peitschte Marys Gewehr.
Die Kugel pfiff dicht an Gregs Kopf vorbei. Blitzschnell repetierte das Mädchen, und schon zielte der Gewehrlauf wieder auf Greg.
„Wollen Sie mich wirklich dazu zwingen, Sie vom Pferd zu schießen?“
Aufseufzend ließ Greg seinen 45er ins Gras klatschen. Brod Slakeson grinste jetzt übers ganze Gesicht. Seine beiden Kumpane holten ihre Revolver heraus. Torrence machte, dass er schnell aus Gregs Nähe kam. Droben auf dem Bock des Küchenwagens stand Black Noel und beobachtete fassungslos und mit geöffnetem Mund die ganze Szene.
„Das haben Sie gut gemacht, Miss Mary“, sagte Torrence zu der Rancherstochter. „Williams, los, ’runter vom Gaul! Jetzt läuft das Spiel in umgekehrter …“
Er kam nicht weiter. Greg sah, dass Mary das Gewehr gesenkt hatte, und ließ sich geschmeidig auf ihrer Seite, die den Revolvern der Banditen abgewandt war, aus dem Sattel gleiten.
Nach Indianerart hing er seitlich am Pferd, eine Hand um den Sattelknauf gekrampft und nur einen Fuß im Steigbügel.
„Yaaaahuuuu!“, gellte er dem Pferd in die Ohren.
Der Gaul schnellte aus dem Stand in Galopp. Die trommelnden Hufe rissen Staubspiralen hoch.
Torrence schrie wild: „Schießt! Höllenfeuer, so schießt doch endlich!“
Das Pferd fegte an Mary Lockwood vorbei. Sie schwang das Gewehr hoch, der Schuss peitschte, aber die Kugel strich über den leeren Sattel weg. Dann bellten die Revolver der Banditen. Erschrocken merkte Greg, wie ein Zucken durch den gestreckten Pferdeleib ging, und erwartete, dass das Tier im nächsten Moment zusammenbrechen würde.
Das Pferd rannte jedoch weiter, und dann hatten sie bereits den Küchenwagen zwischen sich und den Gegnern. Durch das Stakkato der Hufe drang Slakesons Gebrüll: „Auf die Pferde, verflucht noch mal! Lasst den Kerl nicht entkommen! So beeilt euch doch!“
Greg nahm sich nicht die Zeit zurückzuschauen. Die rötliche Erde mit der dünnen verdorrten Grasnarbe schien unter ihm wegzufliegen. Staub hüllte ihn ein. Hinter ihm war das Krachen der Schüsse verstummt.
Ein merkwürdig schaler Geschmack füllte Gregs Mundhöhle. Er war wieder der Gehetzte, der Mörder, auf dessen Kopf zweitausend Dollar ausgesetzt waren! Er hatte im letzten Moment versucht, Torrences heimtückischen Plan zu durchkreuzen – aber es war zu spät gewesen.
Völlig ahnungslos musste er das Mädchen zurücklassen. Und wenn sie durch die Banditen ruiniert wurde, war er mitschuldig. Flüchtig dachte er daran umzukehren. Aber ohne Waffen war das glatter Selbstmord. Und überdies würde Mary Lockwood ihm nur mit der Waffe in der Hand gegenübertreten!
Zähneknirschend zog er sich in den Sattel und schaute über die Schulter. In dichtgeschlossener Kavalkade kamen die Verfolger herangefegt.
Als er sich wieder nach vorne wandte, stellte er fest, dass es kein Entrinnen mehr gab! Eine breite Reiterfront war aus dem wehenden Staub aufgetaucht und versperrte ihm den Weg: der Rest von Slakesons Banditencrew.
*
Entschlossen, auch die letzte Möglichkeit auszuschöpfen, riss Greg sein Pferd zur Seite und versuchte, aus der tödlichen Zange zu entwischen. Doch der Schuss, der den Gaul vorhin gestreift hatte, forderte jetzt seinen Zoll. Das Tier wurde langsamer und begann zu stolpern.
Und von zwei Seiten rückte das Hämmern der Hufe immer näher.
Greg konnte jetzt schon die angespannten Gesichter über den Pferdehälsen erkennen. raue Rufe drangen durch das Hufgetrappel. Revolverläufe richteten sich auf ihn.
Dann krachte der erste Schuss.
Nur wenige Handbreit vor seinem abgehetzten Gaul klatschte die Kugel in die Erde. Wiehernd prallte das Pferd zurück, knickte in die Hanken und wirbelte die Vorderhufe durch die Luft. Greg riss den Oberkörper nach vorne und umkrampfte fest die Zügel.
Ein dünnes Zischen war plötzlich über ihm. Er wollte sich flach auf den Pferdehals werfen, da ließ sich das Tier auf die Vorderhufe zurückfallen. Der heftige Ruck ging durch Gregs ganzen Körper.
Und dann hatte sich die