Die Revolverreiter von Dodge City: Western Bibliothek 10 Romane. Pete Hackett

Die Revolverreiter von Dodge City: Western Bibliothek 10 Romane - Pete Hackett


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Die Rinder waren durstig, und immer wieder, versuchten einzelne Rudel aus der großen Gemeinschaft auszubrechen.

      Obwohl während dieser Tage die Bewachung der Gefangenen stark nachgelassen hatte, fanden Mary Lockwood, Mike Tipstone und Black Noel keine Gelegenheit zur Flucht. Ohne Pferde, Waffen und Proviant würden sie in der Weite des Indianerlandes verloren sein, und so war es besser, bei den Banditen zu bleiben – auch wenn sie ahnten, welches Schicksal diese skrupellosen Reiter am Ende des Trails für sie bereithielten.

      Am Wolf Creek endlich fand die Herde Wasser, und die Gefahr einer neuen Stampede war vorerst gebannt. In flotterem Tempo ging es jetzt weiter – achtzehn bis zwanzig Meilen am Tag. Sie durchquerten den Canadian River und ließen Camp Supply hinter sich.

      Am Rabbit Ear Creek gerieten sie in ein Gewitter, und diesmal war die Stampede nicht mehr aufzuhalten. Zwei Tage hatten sie anschließend zu arbeiten, um die verstreuten Tiere wieder zu sammeln.

      Nach der Durchquerung des Cimarron war das Ziel schon verhältnismäßig nahe gerückt. Erregung bemächtigte sich der Gefangenen. Die Banditen wirkten aufgeräumter. Sie trieben die Longhorns noch rascher voran. Das Land war nun mit saftigem Gras bewachsen, überall blinkten Wasserläufe im satten Grün. Trotz des schnelleren Tempos setzten die Rinder Fleisch an.

      Nachdem sie die Nachtlager am Snake Creek, Salt Creek, Bear Creek und Bluff Creek hinter sich gelassen hatten, erreichten sie den Mulberry Creek, von dem aus die Häuser von Dodge City im hitzeflimmernden Grasland zu sehen waren.

      Lee Torrence ließ den Küchenwagen in den Schatten einer Gruppe Pecan Nut Bäume fahren und ein Camp aufschlagen. Nach all den zermürbenden Tagen und Wochen der Ungewissheit begriffen die Gefangenen, dass an diesem Ort die Entscheidung fallen würde.

      *

      Torrence lenkte sein Pferd dicht an Mary Lockwood heran, verschränkte die Hände auf dem Sattelhorn und blickte aus kalten Augen auf sie hinab. Hinter ihm, am Mulberry Creek, weideten friedlich die Rinder. Die ganze Bande war im Camp versammelt. Trotzdem war es totenstill.

      Torrence deutete lässig zum Küchenwagen hinüber. Mike Tipstone und der Koch waren dort an den hohen Rädern festgebunden. Einige Schritte vor ihnen hatten ein paar Banditen Aufstellung genommen, jeder ein Gewehr oder einen Colt in der Faust.

      Torrence sagte hart: „Well, Mary, die Entscheidung liegt bei Ihnen! Wenn Sie unterschreiben, ist alles in Ordnung, und wir lassen euch ziehen! Tun Sie es nicht, dann gebe ich meinen Leuten den Befehl, auf Mike und Noel zu schießen!“

      Der Papierbogen in Marys Händen zitterte leicht. Die Rancherstochter schaute langsam zu den beiden letzten Männern ihrer Crew hinüber. Noel ließ den Kopf auf die Brust hängen. Der alte Tipstone starrte mit funkelnden Augen die Verbrecher an.

      „Miss Mary“, fragte er mit seiner krächzenden Stimme, „was sollen Sie da unterschreiben?“

      Torrence antwortete kalt an der Stelle des Mädchens: „Eine Urkunde, die mir den Besitz dieser Herde und der Lockwood Ranch garantiert!“

      Tipstone spie zornig aus.

      „Das sieht Ihnen ähnlich, Torrence! Ich wünsche nur, Sie müssen eines Tages dafür zahlen!“

      „Du wirst es jedenfalls nicht mehr erleben, Alter!“, lächelte der Verbrecher höhnisch.

      Tipstone zerrte grimmig an den Fesseln. Sie lockerten sich nicht. Er keuchte: „Miss Mary, tun Sie es nicht! Lassen Sie sich von diesem elenden Schurken nicht weichbekommen!“

      „Tipstone, bist du wirklich so verrückt, dafür dein Leben zu opfern?“, knurrte Slakeson rau.

      „Du kannst denken, was du willst, verdammter Bandit!“, zischte der graubärtige Cowboy. „Aber ich würde alles auf mich nehmen, um eure schmutzigen Pläne zu durchkreuzen! Miss Mary, denken Sie daran, dass Sie vor dem Nichts stehen, wenn Sie auf die Forderung dieses Verbrechers eingehen! Sie sollen nicht …“

      „Lee, ein Wort, und ich bringe ihn zum Schweigen!“, rief Brod Slakeson scharf.

      Torrence winkte kaltlächelnd ab.

      „Vielleicht ist Tipstone schon zu alt, um noch den Tod zu fürchten. Aber wollen Sie wirklich schuld an seinem Tod sein, Mary? Und da ist auch noch Black Noel, nicht wahr? Der arme Kerl stirbt fast schon vor Angst!“ Torrence lachte leise.

      „Wie kann ein Mann nur so gemein sein!“, flüsterte Mary.

      Torrence zuckte die Achseln. „Das ist alles ein Geschäft für mich, nicht mehr. Mary, ich gebe Ihnen noch zehn Sekunden Zeit zum Nachdenken! Wenn Sie dann nicht unterschreiben, werden Mike und Noel sterben. Also?“

      „Bringen Sie mir Feder und Tinte!“, antwortete das Mädchen tonlos.

      „Nein!“, rief Tipstone. „Nein, tun Sie es nicht!“

      „Luke!“, winkte Torrence zum Wagen hinüber.

      Ein Desperado kam mit einem glatten Brett heran, auf dem eine Schreibfeder in einem Tintenglas steckte. „Wir haben für alles gesorgt!“, grinste er schief und blieb vor dem Mädchen stehen.

      Einen flüchtigen Moment noch zögerte Mary, dann unterschrieb sie die Urkunde.

      *

      Hastig beugte sich Torrence vom Sattel herab und riss ihr das Papier aus den Fingern. Seine Augen leuchteten triumphierend.

      „Brod, du kannst ihr Fesseln anlegen!“

      Mary wich einen Schritt zurück.

      „Was soll das? Ich dachte …“

      Slakeson war schon hinter ihr und riss ihr rau lachend die Arme auf den Rücken.

      Torrence wendete sein Pferd. Er sagte trocken: „Ich reite in die Stadt, Brod, und regle den Verkauf. Du weißt, was ihr inzwischen zu tun habt.“

      „Okay, Lee!“ Mit schnellen geschickten Bewegungen schlang der narbige Bandit Lederriemen um Marys Handgelenke.

      „Es muss wie ein Unfall aussehen, Brod!“

      „Ich weiß, Lee, ich weiß!“

      Das Begreifen trieb alle Farbe aus dem schmalen Gesicht Marys.

      „Lee!“, gellte sie in aufflammendem Entsetzen. „Sie Teufel, das dürfen Sie nicht tun!“

      Torrence verhielt sein Pferd. Sein Blick bohrte sich eisig in Marys Augen.

      „Dachten Sie wirklich, ich würde euch lebend davonkommen lassen? Sie sollten doch inzwischen erkannt haben, dass ein Mann wie ich stets ganze Arbeit leistet!“

      Sie brachte kein Wort mehr hervor. Zungenschnalzend trieb Torrence sein Pferd davon. Slakeson zerrte das Mädchen zum Küchenwagen hinüber.

      Old Mike Tipstone murmelte: „Ich habe es geahnt! Von Anfang an habe ich das geahnt!“

      Zum ersten Mal lag tiefe Hoffnungslosigkeit in seinem Tonfall.

      *

      Als Mary ebenfalls am Wagen festgebunden war, schleppte Slakeson ein kleines dickbauchiges Fass heran und rollte es unter das Fahrzeug. Die Augen der drei Gefangenen folgten seinen Bewegungen, und als sie die Zündschnur sahen, die vom Fass aus unter dem Wagen hervorlief, wussten sie, was auf sie wartete.

      Slakeson grinste gemein.

      „Pulver!“, sagte er rau. „Ein Trost bleibt euch: Ihr werdet nichts mehr spüren! Und für den Marshal von Dodge City wird es wie ein bedauerlicher Unfall aussehen!“

      Er holte Streichhölzer hervor, riss eines an und hielt das Flämmchen an die Lunte. Ein roter Funken glühte auf. Er fraß sich langsam auf das Fass zu.

      Slakeson drehte sich schnell den anderen Desperados zu.

      „In die Sättel, Jungs! Wir treiben die Herde auf die andere Seite des Creeks! Beeilt euch, gleich wird es …“

      Mitten im Satz verstummte er.


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