Die Revolverreiter von Dodge City: Western Bibliothek 10 Romane. Pete Hackett
„Sie sind zu wenig, um uns anzugreifen, Brod.“
„Trotzdem sollten wir zusehen, dass wir davonkommen. Als sie die Herde in Stampede jagten, haben wir ein paar von ihnen mit unseren Kugeln erwischt. Indsmen, die auf Rache aus sind, dürfen nicht unterschätzt werden!“
„Du hast recht, Brod. Well, Amigos, treibt die Herde zusammen. Wir brechen auf! Luke, schaff die Gefangenen auf den Wagen. Mary, Sie steigen ebenfalls auf – und versuchen Sie keine Dummheiten, sonst muss ich Sie auch binden lassen. Los, Leute, beeilt euch!“
Er spähte wieder zu den Comanchen hinüber, die ihre Mustangs noch an derselben Stelle verhielten. Hinter ihnen verschwamm die Linie des Horizonts in bläulichem Dunst.
„Vergiss deinen Freund Williams nicht!“, brummte Slakeson.
„Keine Sorge, Brod! Aber weißt du, eine Revolverkugel ist zu einfach für ihn.“
Grausamkeit malte sich auf Torrences verkniffener Miene. Sein Blick wanderte zwischen Greg und der Comanchenhorde hin und her. In Greg stieg eine beklemmende Ahnung auf. Seine Handflächen wurden feucht.
Slakeson knurrte finster: „Lee, du wirst doch mit ihm kein Risiko eingehen!“
„Risiko?“, lachte Torrence. Seine Mundwinkel verzogen sich hämisch. „Keineswegs. Das wird eine todsichere Sache!“
Seine Augen richteten sich stechend auf den Gefangenen. Er erklärte mit schwerer Betonung: „Williams wird nicht nur sterben, er wird uns gleichzeitig für eine Weile die Rothäute vom Leibe halten. Verstehst du, Brod? Wir lassen ihn hier zu Fuß und ohne Waffen zurück! Ich denke, die Comanchen werden viel Spaß daran haben, ihre Rachegefühle an ihm abzureagieren.“
Er lachte wieder, heiser und mit gehässigem Triumph.
Greg Williams begriff, dass er nicht nur die letzten, sondern auch die schlimmsten Minuten seines Lebens vor sich hatte.
*
Die Slakeson Banditen hatten die Herde in Bewegung gesetzt. In eine mächtige rote Staubwolke gehüllt, zogen die dreitausend Longhorns, von schnellen Reitern flankiert, in die endlose Ebene nördlich des Red Rivers hinein.
Mit hängenden Schultern, müde und zerschlagen stand Greg da und schaute dem mit einer neuen Plane überzogenen Küchenwagen nach, der in das dichte Wehen hineinrollte. Das dumpfe Getöse der stampfenden Rinderhufe verschluckte alle anderen Geräusche. Verschwommen bemerkte Greg eine heftige Bewegung auf dem Wagen. Eine schmale Gestalt war hochgeschnellt und versuchte, vom Bock abzuspringen. Am golden schimmernden Haar erkannte Greg Mary. Sie wurde brutal zurückgerissen.
Dann legten sich Staubschleier vor das Fahrzeug. Das weiße Planendach leuchtete noch einige Sekunden, schließlich war nichts mehr zu sehen. Das Grollen der Hufe wurde leiser wie ein abziehendes Gewitter.
Vor Gregs Augen stand noch immer die Szene, wie einer der Banditen Mary rücksichtslos auf den Wagen gezerrt hatte. Ihr Gesicht schien nahe vor ihm – ein Gesicht, dem Furcht und Sorge nichts von seiner natürlichen Schönheit nehmen konnten.
Plötzlich wurde Greg eines klar: Mary war nicht die kühle herrische Frau, als die sie sich meistens gegeben hatte. Sie hatte diese Rolle nur gespielt, um die Aufgabe zu meistern, die ihr nach dem Tod ihres Vaters zugefallen war. Sie war gescheitert. Und mit pochendem Herzen fragte sich Greg, welches Schicksal auf sie warten mochte.
Das harte Hämmern von Hufen machte den Sekunden seiner trüben Versunkenheit ein Ende. Er wandte hastig den Kopf.
Die Comanchen hatten ihre Mustangs vorangetrieben. Ohne Eile ritten sie näher, sich völlig ihrer absoluten Überlegenheit bewusst. Gewehrläufe blinkten über zottigen Pferdemähnen, Pfeile waren schussbereit auf Bogensehnen gelegt.
Gregs Schultern verkrampften sich. Das Getrappel der unbeschlagenen Hufe füllte schmerzhaft seine Ohren. Fieberhaft ließ er den Blick über die Grasfläche schweifen, in der verzweifelten Hoffnung, irgendwo eine achtlos zurückgelassene Waffe zu entdecken. Vergeblich!
Die Herde mit dem Planwagen war schon mehr als zwei Meilen entfernt, und die Indianer kamen in dicht geschlossener Gruppe unaufhaltsam näher. Sekundenlang dachte er daran, hier reglos auf sie zu warten, um alles schnell hinter sich zu bringen: Ein einsamer weißer Mann, waffenlos und in zerfetzter Kleidung, der keine Chance gegen die Übermacht der roten Reiter besaß.
Doch noch immer brannte der Wille zum Überleben in ihm. Ein wildes Gefühl, gegen das der klare Verstand unterlag. Nach all den höllischen Tagen, die seit jenem bitteren Revolverkampf im Big Bend hinter ihm lagen, bäumte sich alles in ihm dagegen auf, dieses Ende zu finden!
Während das Tappen der Hufe lauter wurde, warf er sich mit zusammengebissenen Zähnen herum und begann, zu rennen. Hinter ihm zitterte ein schriller Schrei durch das Klopfen der Hufe. Die Indianerpferde wurden schneller. Der Kriegsruf wurde aus den Kehlen der anderen Comanchen wiederholt.
Greg schaute schnell über die Schulter. Die Indianer waren ausgeschwärmt. Waffenschwingend sprengten sie in breiter Front heran.
Er hetzte keuchend weiter. Mit den hochhackigen Reitstiefeln fiel ihm das Laufen schwer. Sein Atem ging rasselnd. Das schwarze Haar klebte schweißnass an seinem Kopf. Vor seinen Augen schien sich die hitzeflimmernde Ebene zu heben und zu senken.
Nirgends gab es Deckung. Da war nur weites flaches Land, rötliche Erde mit verdorrtem Gras bewachsen, und darüber die blaue Kuppel des Firmaments mit dem riesigen Feuerball der Sonne. Und hinter ihm schwoll das Trommeln der Mustanghufe immer mehr an, das Geschrei der Indianer gellte schriller in seinen Ohren.
Jeden Augenblick war er auf das Peitschen des tödlichen Schusses gefasst. Und obwohl er genau wusste, wie sinnlos es war, rannte er noch immer – ein wehrloses Wild vor der Linie der erbarmungslosen Jäger.
Ein Schatten fiel über ihn.
Keuchend wandte Greg erneut den Kopf. Aus geweiteten Augen sah er den großen breitschultrigen Comanchen, der sich aus der Reihe der übrigen Reiter gelöst hatte und nur noch eine Pferdelänge hinter ihm war. Das breitflächige braune Gesicht mit den wildglitzernden schwarzen Augen prägte sich Greg überdeutlich ein.
Die rechte Faust des Indianers schwang einen Tomahawk empor.
Instinktiv warf sich Greg mitten im vollsten Lauf einfach zu Boden. Der Aufprall war hart, sein zerschundener Körper schmerzte. Schräg über ihm zerschnitt ein blitzender Gegenstand zischend die Luft.
Der Tomahawk verfehlte ihn. Die wirbelnden Mustanghufe waren zum Greifen nahe. Staub wolkte vor seinem Gesicht. Durch den zerflatternden Staub sah er den großen Comanchen nur wenige Yard vor sich.
Der Indianer bremste seinen Gaul so hart, dass das Tier in die Hanken knickte. Der Reiter wollte den Mustang mit hartem Ruck herumreißen, um den Weißen erneut anzugreifen.
Da handelte Greg bereits! Ehe das Pferd die Bewegung ausführen konnte, war Greg hinter ihm. Ein wilder, verzweifelter Satz – und er landete hinter dem Indianer auf dem Mustangrücken.
Der Comanche ließ die Zügel fallen, wirbelte herum, und da war wieder die blitzende Schneide seines Kriegsbeils schräg über Greg Williams’ Kopf!
Gregs geballte Rechte stieß wuchtig nach oben und erwischte den Indianer genau am Kinn. Die schwarzen Augen des Reiters wurden plötzlich starr. Lautlos kippte er seitlich vom Pferd ins verdorrte Gras.
Das Tier wollte zur Seite ausbrechen. Greg packte blitzschnell die Zügel und presste seine Schenkel eisern gegen den drahtigen Leib des Mustangs.
Gregs Schläfen brannten in heißer Erregung, als er merkte, dass der Gaul ihm gehorchte. Dann wurde er sich des brandenden Kriegsgeheuls bewusst, das dicht hinter ihm war. Er duckte sich tief auf den Mustanghals und schlug dem Tier die Stiefelabsätze in die Weichen.
Im nächsten Moment fuhr ihm ein Pfeil in die linke Schulter.
*
In zähflüssiger Langsamkeit bewegte sich die Longhorn Herde nordwärts durch das trockene