Böser Zauber. Ulrich Wißmann

Böser Zauber - Ulrich Wißmann


Скачать книгу
und Boots. Begay bat Caldwalder, am Hogan zu bleiben, um nicht noch mehr Fußspuren zu verursachen und ging noch einmal zu dem Mobil Home. Die alten Tsosies hatten beide Mokassins getragen, der jüngere der Brüder Turnschuhe. Begay sah nach den Schuhen des älteren Bruders, der Boots getragen hatte, und ging dann wieder aus dem Haus, um sich den Boden in der Umgebung genauer anzusehen.

      Außer den Spuren von Caldwalder und ihm konnte er die Fußabdrücke der Tsosies und ihrer Söhne ausmachen. Nach einiger Zeit hatte er darüber hinaus die Abdrücke von sechs verschiedenen Schuhpaaren entdecken können. Es gab noch zwei Paare Boots, die sich durch Größe und Profil von denen des Tsosie-Jungen unterschieden, die Cowboystiefel und drei Paar Straßenschuhe. Es war gut, dass das FBI noch nicht eingetroffen war, so dass man all das noch klar erkennen konnte.

      Begay ging davon aus, dass es sechs Männer gewesen waren, die sich aufgeteilt hatten, um die Tsosies im Mobil Home und im Hogan gleichzeitig zu überfallen, damit niemand die Möglichkeit zur Flucht hatte. Da sich an den Gebäuden die Spuren vieler Menschen überlagerten, ging er jetzt im weiteren Umkreis auf die Suche, interessiert beobachtet von Caldwalder. Von Zeit zu Zeit ging er in die Hocke, um sich einen Abdruck genauer anzusehen oder fühlte mit der Hand das Profil. Erstaunlich war, dass zwei der Spuren offenbar schon einen Tag älter als die anderen waren. Gegen Morgen schlug sich Tau ab und wenn die Wärme des Tages die Feuchtigkeit trocknete, veränderte der Sand seine Struktur, es entstanden Brüche im Profil der Abdrücke und kleine Teile des Sandes, aus dem sie geformt waren, rutschten ab. Daran konnte Begay sehen, dass die Spuren der Straßenschuhe und eines Boots-Paares vom gestrigen Tag waren, die des anderen Boots-Trägers und des Mannes mit den Cowboystiefeln aber teilweise schon vom Tag davor.

      Hatten diese beiden am Tag vor dem Mord schon einmal die Lage sondiert? Außerdem fand Begay auch einige Abdrücke, die darauf schließen ließen, dass diese beiden auch heute, am Tag nach der Tat, noch einmal hier gewesen waren. Er konnte sich darauf keinen Reim machen. Er ging zu Caldwalder, um sein Wissen mit ihm zu teilen, der aber mit dieser Information auch nichts anzufangen wusste.

      „Das Auto der Täter ist ein größerer, amerikanischer Wagen“, erklärte Begay, „Ford, Cadillac, Chevy, so was in der Art. Nicht sehr geländetauglich. Ist ein Wunder, dass die damit überhaupt hierher und wieder weg gekommen sind!“

      „Das lässt darauf schließen, dass sie sich hier nicht besonders auskannten. Kommen sicher eher aus der Stadt. Dafür spricht ja auch die Art ihres Schuhwerks. Also keine Leute von hier“, meinte Caldwalder.

      „Nein“, antwortete Begay, „das hätte ich Ihnen gleich sagen können. Navahos töten nicht. Nur im Affekt, in Notwehr oder unter Alkoholeinfluss. So eine kaltblütig geplante Aktion ist da ziemlich ausgeschlossen.“

      „Ach, keine blutrünstigen Wilden wie im Fernsehen, was?“, fragte Caldwalder.

      „Sie gucken wohl immer noch die John-Ford-Filme?“, stichelte Begay. „Wir Navaho haben traditionell Angst vor Toten und dem Umgang mit ihnen“, erläuterte er. „Da ist so ein Verbrechen äußerst unwahrscheinlich! Sieht ja auch aus wie das Werk von Profis.“

      Caldwalder nickte: „Ja, Killer, oder Leute, die so was schon mal gemacht haben. Wir werden Abdrücke aller Fußabdrücke nehmen und natürlich von den Wagenspuren. Vielleicht kriegen wir das genaue Model raus. Wenn Sie hier fertig sind, sehe ich mich noch mal in den Gebäuden um, okay?“

      „Ja, ich bin hier fertig! Ich sehe mich dann mal in der weiteren Umgebung nach Spuren um.“

      Begay lief kreisförmig von dem Wohnbereich der Tsosies ausgehend ins umliegende Gelände. Er fand überall die Spuren der Familie, aber auch die der anderen sechs Personen, die offenbar auch die weitere Umgebung abgesucht hatten. Etwas weiter entfernt fand er außer Spuren der Tsosies nur noch die des Cowboystiefelträgers und auch wieder die Bootsspur, also die Spuren der beiden Männer, die offenbar vor und nach den anderen Tätern hier gewesen waren. Sie zogen sich weit vom Anwesen fort direkt auf den Rand eines Canyons zu. Begay stutzte, ging immer wieder in die Knie, fühlte den Boden mit den Fingern und folgte der Spur bis zur Abbruchkante der Schlucht, in der die Spuren sich verloren. Dann ging er zurück. Am Horizont war jetzt eine Staubwolke zu sehen. Aber Blackhats Plan war aufgegangen, er hatte in Ruhe alles untersuchen können, bevor die FBI-Mannschaft eintraf.

      Er traf Caldwalder am Hogan.

      „Noch was rausgefunden?“, fragte Begay.

      „Eigentlich nicht“, gab Caldwalder zu. „Bin ja kein Indianer! Und Sie?“

      „Ja, ich habe noch mehr Spuren der beiden, die am Tag vor dem Verbrechen und heute hier gewesen sind, gefunden. Da ist mir einiges Interessantes aufgefallen! Die beiden sind noch ziemlich jung, so um die zwanzig, während die anderen Männer alle älter sind.“

      Inzwischen war der Tross von Staatsfahrzeugen angekommen. Caldwalder hatte den Männern kurz zugewinkt, die jetzt in alle Richtungen ausschwärmten, um Spuren sicherzustellen, oder, wie Begay bei sich dachte, zu verwischen.

      Caldwalder sah Begay fragend an.

      „Kann man an der Art, wie sie laufen, sehen“, erläuterte der. „Der Mann mit den Boots ist groß und schlank. Der eine mit den Straßenschuhen ist untersetzt, vielleicht sogar etwas dick und einer hinkt ein bisschen. Und die sind alle so dreißig bis vierzig Jahre alt.“

      Caldwalder stand der Mund offen. „Jetzt sagen Sie mir nur noch, wie viel Bargeld sie alle in der Tasche hatten!“

      „Der Untersetzte hatte nur ‘ne Kreditkarte dabei, der Große hatte …“

      „Ja, ja, den Film hab‘ ich auch gesehen“, grinste Caldwalder,

      „Halbblut, mit Val Kilmer und Graham Greene.“

      „Mist“, meinte Begay, „das wollte ich immer schon mal machen!“

      „Ist auch zu schön, wie Graham Greene dem weißen Bullen an Hand der Fußspuren auftischt, der Mörder hätte einen Dollar fünfundsechzig oder so in der Tasche gehabt“, lachte Caldwalder.

      „Aber was ich noch sehen konnte, ist, dass die beiden jungen

      Männer in Richtung des Canyons da hinten“, er zeigte in die Richtung, in der er die Spuren gefunden hatte, „gelaufen sind.

      Also wirklich gerannt, hatten es sehr eilig!“

      „Vielleicht sind sie vor den anderen geflohen“, dachte Caldwalder laut nach.

      „Kann sein. Möglicherweise war der Mord gar nicht geplant oder sie wussten nichts davon und haben kalte Füße gekriegt“, mutmaßte Begay.

      „Tja, oder sie gehörten gar nicht zu der Bande. Kann es sein, dass die Tsosies noch zwei erwachsene Söhne hatten?“, fragte der Agent.

      „Keine Ahnung. Oder Bekannte, die zu Besuch waren“, ergänzte Begay. „Das werden wir herausbekommen. Jedenfalls würde das erklären, warum diese beiden schon vorher und hinterher hier waren. Dann hätten wir zwei Augenzeugen für die Tat!“

      „Die wir nur noch finden müssen! Und die jetzt auf der Flucht sind“, meinte Caldwalder nachdenklich.

       IV

      Von unterwegs hatte Begay Blackhat angerufen, ihm Bericht erstattet und ihn gebeten, herauszufinden, wie viele Personen zur Familie Tsosie gehört hatten.

      „Das wird nicht einfach“, hatte Blackhat geantwortet, „sie haben ja offiziell im Hopi-Gebiet gelebt und illegal dort gesiedelt. Insofern ist kein Bezirk für sie zuständig! Aber ich werde sehen, was sich machen lässt.“

      Die Navaho-Reservation war in Bezirke aufgeteilt, von denen Repräsentanten in den Stammesrat entsandt wurden, und die Einwohnerdaten verwalteten diese einzelnen Bezirke. Die Tsosies fielen aus diesem Muster heraus, da sie auf Land gelebt hatten, dass offiziell nicht zur Navaho-Reservation und seinen Bezirken gehörte.

      Als Begay zu Hause ankam, lag schon eine Nachricht von Blackhat für ihn vor. Da er den ganzen Tag nichts gegessen hatte, machte er sich schnell einen „Indian Taco“ mit Hammelfleisch


Скачать книгу