Die Tränen der Rocky Mountain Eiche. Charles M. Shawin

Die Tränen der Rocky Mountain Eiche - Charles M. Shawin


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Stamm. Gleichzeitig verkörperten sie Grausamkeit. Und sie brachten den Tod. Daran ließ die Bemalung ihrer Gesichter keinen Zweifel.

      Das Erste, was Dave angesichts dieser bedrohlichen Übermacht empfand, war Angst. Pure, nackte Angst. Auch die anderen auf den Booten empfanden nicht anders. Doch geschickt verbargen sie sie, weil sie der Umgang mit Indianern gelehrt hatte, niemals Angst zu zeigen. Ein furchtloser Gegner flößte Respekt ein. Manchmal gelang es dadurch, den Feind abzuschrecken. Niemand rührte die Gewehre an, doch lagen sie jedem griffbereit in der Nähe. Ein einziges Zeichen des Angriffs, und sie würden sie an sich reißen.

      Zu fliehen war nicht ratsam. Dadurch musste der Kampfinstinkt der Blackfeet, die jetzt noch reglos am Ufer standen, erst recht geweckt werden. Obendrein waren sie hervorragende Bogenschützen, und auf dem Wasser boten die Trapper ein sicheres Ziel. Bell hielt es deshalb für das Beste, an Land zu gehen. Vielleicht konnte er die Indianer mit Reden von einem Angriff abhalten.

      Nachdem die Boote festgezurrt waren, wateten der Captain, Booker und Long Reed ohne Waffen ans Ufer. Bell begrüßte die Indianer mit erhobener Hand. Die drei Weißen setzten sich, worauf sich fünf Blackfeet ihnen gegenüber niederließen. Einer von ihnen hatte sein Gesicht vollkommen schwarz gefärbt. Ein Kranz Adlerfedern steckte ihm senkrecht im Haar.

      Da Bell die Sprache der Blackfeet nicht beherrschte, drückte er sich mit Zeichen aus. Er stellte sich und seine zwei Gefährten vor und bekundete, dieses Gebiet nur durchfahren zu wollen. Schon bald

      würden sie es wieder verlassen. Dass sie Pelzhändler waren, verschwieg er.

      Der Krieger mit dem schwarzen Gesicht nannte sich Itska-oto-wapsi – Kämpft mit einem Lächeln. Er schien aus irgendeinem Grund zornig zu sein, doch war er bereit, mit den Eindringlingen zu reden. Er wollte wissen, ob Bell und seine Truppe zu den dreißig Männern gehörten, die vor wenigen Wochen zu Pferde durch ihr Land gezogen waren.

      „Nein”, antwortete Bell. Zur Verdeutlichung schüttelte er den Kopf.

      „Dann seid ihr keine Händler?”, fragte der Indianer mit den Händen.

      Dies war eine verzwickte Frage. Wenn die Indianer die Boote durchsuchten, mussten sie auch die Handelswaren finden, die mitgenommen worden waren, um sie gegen Felle zu tauschen. Die Frage verneinen konnte Bell deshalb nicht. Und gab er zu, Händler zu sein, nahm Itska-oto-wapsi an, sie seien Teil jener Händlertruppe, auf die die Blackfeet anscheinend nicht gut zu sprechen waren.

      „Wir sind allein. Wir haben nichts mit den dreißig anderen Männern zu tun”, teilte der Captain in Zeichen mit.

      Der Blackfoot glaubte das nicht. Er unterschied nicht zwischen den verschiedenen Companien oder sogar zwischen einzelnen Truppen. Für ihn war ein Weißer wie der andere.

      Mit ruckartigen Handbewegungen, die seinen Zorn verdeutlichten, fragte er nochmals: „Seid ihr Händler?”

      Bell sah Booker und Reed hilfesuchend an. Aber auch sie wussten sich keinen Rat.

      „Ja, wir sind Händler”, sagte Bell schließlich, fügte aber wieder hinzu: „Wir sind allein unterwegs.”

      Nichts verriet die Gedanken der Indianer. Die Farben, die in einer dicken Kruste aufgetragen waren, wirkten wie Masken.

      Plötzlich war es still. Niemand wusste, was nun geschehen würde. Paul Jackly, der neben Dave stand, griff hinter der Bordwand nach seinem Gewehr.

      „Willst du uns umbringen?”, raunte ihm Dave zu.

      Als sich Jackly jetzt zu ihm wandte, erkannte Dave Angst in seinen Augen. Todesangst.

      Doch nichts geschah. Die Blackfeet verhielten sich ruhig. Ob sie nun glaubten, dass Bells Truppe tatsächlich nichts mit der anderen Truppe, mit denen die Blackfeet offensichtlich schlechte Erfahrungen gemacht hatten, zu tun hatte, war ungewiss.

      Noch immer war es still. Die Stille war grausamer als jedes Wortgefecht. Bell spürte die Blicke der vierzig Krieger auf seiner Haut brennen. Er musste handeln. Diese Stille erdrückte ihn sonst. Und die Indianer mussten annehmen, durch sein Schweigen versuche er etwas zu verbergen. Dieser Zwang, die Stille zu durchbrechen, dieser Zwang zum Handeln verleitete Captain Orlando Bell nun etwas zu tun, was in dieser Situation nicht so klug war. Er befahl Dave, eines der Säckchen mit Geschenken an Land zu bringen.

      Dave suchte in der Frachtbox herum. Er fand zwei Säckchen, die aussahen wie jenes, das sie den Mandanen gegeben hatten. Man war vorbereitet auf solche Zwischenfälle und hoffte, die Säckchen – für einen Amerikaner enthielten sie nur wertlosen Plunder – würden den Frieden sichern.

      Er nahm eines, sprang vom Boot und watete durch das Wasser ans Ufer. Sein Gewehr ließ er im Boot zurück.

      Dave übergab die Geschenke an Itska-oto-wapsi. Als er sich zu ihm beugte, begegnete ihm dessen Blick, der stark und unerschrocken war. In Daves Augen lag Angst. Der Blackfoot schien dies zu bemerken, denn trotz der schwarzen Gesichtsfarbe erkannte Dave, dass der Indianer grinste. Den Krieger, der ‚Kämpft mit einem Lächeln‘ hieß, amüsierte Daves Furcht.

      „Itska-oto-wapsi soll sehen, dass wir ohne böse Absicht kommen”, erklärten Bells Hände.

      Nachdem das Säckchen aufgeschnürt war, begutachteten die Indianer die Glasperlen, Messer und Pfeilspitzen. Sogar ein Päckchen Tabak lag dabei. Sie schienen aber nicht sehr beeindruckt davon. Sie betrachteten die Geschenke als eine Art Wegezoll, anscheinend war es ihnen aber zu wenig.

      Ein Blackfoot, dessen untere Gesichtshälfte gelb bemalt war, hob die Hand, an der zwei Finger ausgestreckt waren: Er forderte zwei Säckchen.

      Bell wusste genau, wie weit er gehen durfte. Auf keinen Fall durfte er sich einschüchtern lassen. Gab er ihnen ein zweites Säckchen, forderten sie ein drittes. Wie er jetzt langsam zu begreifen begann, war schon das erste zu viel gewesen. Die Blackfeet waren auf Kriegsfuß, die paar Geschenke konnten sie nicht plötzlich friedlich stimmen. Sie verrieten ihnen aber, dass sich vermutlich noch mehr auf den Booten befand. Bell konnte seinen Fehler nur dadurch gutmachen, indem er ihnen die kalte Stirn bot. Unerschrockenheit flößte den Indianern noch immer am meisten Respekt ein.

      „Nein!” Bell wischte mit der flachen Hand durch die Luft, um seine Ablehnung zu bekräftigen.

      Wieder streckte der Blackfoot mit der gelben Gesichtshälfte die zwei Finger empor. Er knurrte drohend, und seine Augen funkelten vor Wut.

      „Nein!”, wiederholte Bell mit fester Stimme.

      Die Indianer sahen sich an. Ihre Blicke schienen zu beratschlagen.

      Und wieder war es still. Wie die bedrückende Stille bei einem Ge-

      witter, von der man genau weiß, dass jeden Augenblick ein gewaltiger Donner die Luft zerreißt.

      Die fünf Indianer sprangen auf. Eine Zeit lang noch lagen ihre finsteren Blicke drohend auf den Händlern. Dave hörte, wie Itska-oto-wapsi seinem Nebenmann etwas zuflüsterte, verstehen konnte er aber nichts.

      Ohne ein weiteres Wort an Bell wandten sich die Blackfeet um und verschwanden kurz darauf im Wald. Die Geschenke nahmen sie mit.

      Der Captain, Dave, Booker und Reed stiegen wieder an Bord. Eine Minute später stießen die Ruder dumpf ins Wasser. Geredet wurde nicht. Doch alle wussten es: Die Blackfeet würden wiederkommen. Und zwar schon bald.

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