Atemlose Spannung für den Urlaub: Vier Krimis: Krimi Quartett. Alfred Bekker
ich fest.
26
“Was nimmst du?”
“Wie immer.”
“Du bist auch keiner, der die Abwechslung liebt, was?”
“Nicht, was Drinks angeht.”
Der Mann mit den verkürzten Finger saß in einer Bar in Berlin. Die Einrichtung erinnerte an einen irischen Pub. Der Mann hinter dem Tresen stellte ein Glas hin. Aber der Mann mit dem verkürzten Finger achtete nicht darauf. Er sah zu den Fernseher, der im Hintergrund lief. Es kamen die lokalen Nachrichten.
“Hey, mach mal lauter!”
“Seit wann interessiert dich, was in der großen weiten Welt passiert?”
“Quatsch nicht so viel und mach lauter!”
“Nur weil du es bist!”
“Weder die Polizei von Quardenburg noch das BKA machten Angaben dazu, ob es bei der Explosion der Autobombe Opfer gegeben hat”, sagte die Sprecherin im Studio. “Mein Kollege Achim Hänsels ist vor Ort. Achim, die Ermittlungsbehörden geben sich sehr zugeknöpft. Können Sie das bestätigen?”
“Ja, es gibt nur das sehr dürre Statement eines BKA-Pressesprechers. Dabei wird insbesondere keine Angabe dazu gemacht, ob der Besitzer des explodierten Fahrzeugs zum Zeitpunkt der Detonation bereits im Fahrzeug saß oder nicht. Ich habe selbst mit Anwohnern gesprochen und dazu sehr widersprüchliche Aussagen bekommen. Wir werden also weiterhin auf eine offizielle Stellungnahme warten müssen.”
“Achim, es soll inzwischen Gerüchte darüber geben, wer der Besitzer des explodierten Fahrzeugs ist.”
“Ja, unbestätigten Meldungen zu Folge soll es sich um einen Gerichtsmediziner handeln, der an der BKA Bundesakademie hier in Quardenburg tätig ist. Näheres konnte unser Team bisher leider noch nicht in Erfahrung bringen…”
“Schlimm, was da wieder passiert ist”, meinte der Kerl hinter der Bar.
“Ja”, murmelte der Mann mit dem verkürzten Finger, dessen Hand jetzt um das Glas fasste und es gedankenverloren zum Mund führte.
“Ich finde man sollte mehr gegen den weltweiten Terrorismus tun. So wie der MdB, auf den kürzlich geschossen wurde! Ich komme jetzt nicht auf den Namen, aber sein Gesicht war oft im Fernsehen…”
“Jeder versucht sein Bestes”, sagte der Mann mit dem verkürzten Finger und stellte sein Glas auf den Tresen.
27
Rudi und ich konnten Wildenbacher dazu überreden, in dieser Nacht nicht zu Hause zu übernachten. Was auch immer der Grund dafür sein mochte, dass er offensichtlich auf irgendeiner Todesliste stand, es war damit zu rechnen, dass es nicht bei diesem Versuch bleiben würde.
Wildenbacher wurde von zwei BKA-Kommissaren nach Hause begleitet und packte ein paar Sachen. Anschließend brachte man ihn zu einer konspirativen Wohnung im Südwesten von Berlin. Das BKA unterhält solche Wohnungen, um beispielsweise gefährdete Zeugen kurzfristig sicher unterbringen zu können. Die beiden Kommissare würden dafür regelmäßig abgelöst werden. Wildenbacher stand unter BKA-Schutz, auch wenn ihm das überhaupt nicht gefiel. Mein Eindruck war, dass er viel lieber einfach seinem Job in der Quardenburger Bundesakademie nachgegangen wäre.
Rudi und ich verließen Quardenburg etwas später als Wildenbacher und seine Bewacher. Mit Lin-Tai sprachen wir zuvor noch ausführlich darüber, unter welchen Kriterien jetzt die Suche nach dem Attentäter weitergehen sollte.
Kurz nachdem wir Quardenburg verlassen hatten, bekamen wir einen Anruf von Kriminaldirektor Hoch.
“Der MdB ist gerade gestorben”, erklärte unser Chef. “Wenn Sie nachher noch zu Wildenbacher fahren, dann bringen Sie ihm möglichst schonend bei, dass seine Erste-Hilfe-Bemühungen letztlich vergebens gewesen sind.”
“Wildenbacher wird das schon verkraften”, meinte ich.
“Ich könnte mir denken, dass ihm das alles sehr viel mehr an die Nieren geht, als er sich das nach außen anmerken lässt”, vermutete Kriminaldirektor Hoch. “Und für uns bedeutet das, dass der Druck der Öffentlichkeit noch erheblich wachen wird. In einer halben Stunde gibt es eine Pressekonferenz, auf der die Nachricht von Moldenburgs Tod offiziell bekannt gegeben wird. Und danach wird hier der Teufel los sein! Darauf kann man wetten.”
“Wildenbacher ist der Schlüssel zu dem Fall”, sagte ich. “Und es muss etwas mit dem Mord an Franz Lutterbeck zu tun haben, der schließlich mit derselben Waffe getötet wurde, mit der auf den MdB gefeuert wurde.”
“Jedenfalls können wir uns wohl nicht mehr sicher sein, dass dies wirklich ein Fall ist, der irgendetwas mit internationalem Terrorismus zu tun hat”, meinte Kriminaldirektor Hoch. “Aber wer immer so etwas jetzt in der Öffentlichkeit verkündet, dem wird man dann vorhalten, dass da nur irgendetwas vertuscht werden soll.”
“Wir werden mit Wildenbacher sprechen”, versicherte ich. “Wenn jemand Lutterbeck und Wildenbacher tot sehen will, dann muss die beiden noch mehr verbinden als der Geburtsort in Bayern und die gemeinsame Zeit auf der Gesamtschule.”
“Ehrlich gesagt wusste ich gar nicht, dass es in Bayern überhaupt Gesamtschulen gibt.”
“Die Zeiten ändern sich!”
“Anscheinend.”
“Ich meine, es ist ja eine Weile her, dass Gerold Wildenbacher zur Schule ging!”
Rudi hatte mit Handy im Internet recherchiert. “Die Schule, auf die Wildenbacher und Lutterbeck gingen war eine traditionsreiche Privat-Gesamtschule. Und er hat bei früherer Gelegenheit mir gegenüber mal erwähnt, dass er zuvor vom Gymnasium runtergeflogen ist. Wegen problematischem Sozialverhalten.”
“So?”
“Er hat sich viel geprügelt.”
“Kann ich mir bei unserem sanftmütigen Doc kaum vorstellen!”
“Ist so. Aber du kannst ihn ja selber mal danach fragen.”
“Besser ein andernmal.”
“Ich glaube auch...”
28
Wir brachten etwas Fast Food mit, als wir die Wohnung erreichten, in der Wildenbacher jetzt erstmal untergebracht werden würde. Die beiden Kommissars, die zu seiner Bewachung abgestellt waren, freuten sich zumindest darüber. Rudi und mir knurrte ebenfalls der Magen. Nur Wildenbacher schien kaum Appetit zu haben.
Er ging die ganze Zeit auf und ab.
“Denken Sie nach, Gerold! Wer könnte gleichzeitig Sie und Franz Lutterbeck im Visier gehabt haben?”, verlangte ich. “Wir haben immer nach Gemeinsamkeiten zwischen MdB Moldenburg und Lutterbeck gesucht, aber das war eine Sackgasse.”
“Franz Lutterbeck war ein sehr guter Staatsanwalt und in dieser Eigenschaft hatten wir in einer ganzen Reihe von Fällen miteinander zu tun”, sagte Wildenbacher.
“Auch Fälle, in denen Verurteilungen vielleicht auf Ihren gerichtsmedizinischen Gutachten basierten?”, hakte ich nach.
“Das waren sogar in der Regel Fälle, in denen meine Gutachten ganz erheblich zu den Verurteilungen der Täter beigetragen haben. Vom irren Triebtäter bis zum Clan-Boss war alles dabei. Und davon abgesehen liegen diese Fälle auch alle schon länger zurück. Schließlich hat Lutterbeck dann ja eine anderen Weg eingeschlagen und ist zu einer Art juristischen Koryphäe der Regierung geworden oder wie immer man das auch beurteilen will.” Wildenbacher fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Dann fuhr er fort: “Bevor ich da jetzt selbst was aus dem Hut zaubere, wird Lin-Tai mit Sicherheit eine Liste der Fälle zusammengestellt haben, an denen Franz und ich gemeinsam in irgendeiner