Atemlose Spannung für den Urlaub: Vier Krimis: Krimi Quartett. Alfred Bekker
gegeben hat noch irgendein Detail in Erinnerung, das uns helfen könnte, ihn zu identifizieren?”, fragte Rudi.
“Seinen Namen hat er nicht gesagt.”
“Das dachten wir uns schon”, fuhr Rudi fort. “Aber vielleicht haben Sie eine Handynummer, oder Sie erinnern sich an den Wagen, den er gefahren hat, das Nummernschild, der Typ, irgendwelche besonderen Kennzeichnen an der Person selbst.”
“Mit seinem kleinen Finger rechts stimmte was nicht. Der war irgendwie… zu kurz. Verkrüppelt oder so.”
“Und sonst?”
Er überlegte kurz und schüttelte dann den Kopf. “Ich sag’ Ihnen Bescheid, wenn ich mich noch an was erinnere.”
20
Nachdem wir den Verhörraum verlassen hatten, telefonierte ich zuerst mit Förnheim. Es ging darum, die Angaben von Norbert Merendan zu bestätigen. Persönlich zweifelte ich nicht daran, dass seine Story der Wahrheit entsprach. Sie erschien mir zumindest sehr plausibel. Aber der Teufel steckte häufig im Detail.
Danach telefonierte ich mit Lin-Tai Gansenbrink in Quardenburg. Es ging jetzt in erster Linie darum, dass der Mann mit dem verkürzten Finger identifiziert wurde, denn das war mit großer Wahrscheinlichkeit der Täter.
Zumindest der ausführende Täter.
Dass er nur auf sich allein gestellt gehandelt hatte, war hingegen nicht anzunehmen. Vielmehr war es wahrscheinlich, dass er nur Teil eines größeren Netzwerkes war.
“Ich habe alle Datenbanken durchforstet, die dafür in Frage kommen, Harry”, erklärte mir Lin-Tai. “Die Merkmale Körpergröße plus verkürzter kleiner Finger ergeben leider keinen Treffer. Jedenfalls nicht gemeinsam.”
“Das heißt, unser Täter ist noch nicht erkennungsdienstlich behandelt worden”, stellte ich fest.
“Falls das der Fall ist, haben wir schlechte Karten. Wir können natürlich Anfragen an das Ausland richten. Aber Sie wissen ja, wie das ist. So etwas kann etwas länger dauern. Und selbst in den Datenbanken ausländische Polizeieinheiten herumzuforschen ist zwar möglich, aber…”
“Ich weiß schon, Lin-Tai. Unerlaubt.”
“Ich wollte eigentlich sagen uferlos”, gab Lin-Tai zurück. “Einen kleinen Anhaltspunkt, in welchem der 194 Staaten auf der Welt man anfangen sollte, wäre da natürlich nicht schlecht.”
“Das klingt nicht danach, als könnten wir da mit schnellen Erfolgen rechnen.”
“Ich fürchte, wir brauchen zusätzliche Informationen über den Killer. In der Liste der international gesuchten Terror-Verdächtigen und in der erweiterten Liste der sogenannten Gefährder gibt es mehrere Dutzend Personen, deren Körpergröße exakt mit der des Verdächtigen auf dem Video übereinstimmt. Es gibt sogar einen mit einem verkürzten kleinen Finger - allerdings an der falschen Hand. Und abgesehen davon sitzt der Kerl auch seit vier Jahren in einem französischen Gefängnis.”
“Ich wette, Sie können da noch einiges rausholen…”
“...wenn ich meine Filter und Algorithmen etwas verfeinere?”
“So ungefähr hatte ich mir das vorgestellt, Lin-Tai.”
“Ich werde ein verfeinertes telemetrisches Vergleichsprogramm auf die Terrorverdächtigen anwenden, das weitere Messungen miteinbezieht. Zum Beispiel das Verhältnis der Arm- zur Beinlänge und solche Dinge. Alles, was sich anhand von Fotos feststellen oder berechnen lässt. Aber das dauert. Und ich kann keinen Erfolg versprechen.”
“Schade. Sie klingen sonst etwas optimistischer.”
“Harry, was mich nach wie vor beunruhigt, sind die mathematischen Ausbreitungsmuster bestimmter Reaktionen in den sozialen Netzwerken, die einfach dieses Mal nicht auftreten. Ich dachte zuerst, dass es vielleicht eine verzögerte Reaktion gibt.”
“Die ist nicht eingetreten?”
“Null Komma Null! Gar nichts! Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, dass die ganze Fahndung vielleicht in eine vollkommen verkehrte Richtung gehen könnte?”
“In dieser Gefahr steht man immer.”
“Wir sollten diese Möglichkeit nicht außer Acht lassen.”
21
Etwas später besuchten wir die Klinik, in der MdB Moldenburg untergebracht worden war.
Über seinen Zustand waren wir laufend informiert worden und so wussten wir auch, dass vorerst keine Chance bestand, den MdB zu vernehmen. Es war ja schließlich möglich, dass MdB Moldenburg noch irgendetwas über seine persönliche Bedrohungslage wusste, was uns jetzt weiterhelfen konnte. Sein Leibwächter hatte schließlich von Drohmails gesprochen. Möglicherweise hatte es schon in der Zeit vor dem Attentat irgendwelche Auffälligkeiten gegeben. Kleine Beobachtungen, denen man keine Bedeutung beigemessen hatte und die jetzt vielleicht in einem anderen Zusammenhang plötzlich wichtig wurden.
Schließlich wäre es nicht das erste Mal gewesen, dass das Opfer eines derartigen Anschlags zuvor gründlich ausspioniert worden war.
Wir sprachen noch einmal mit den Ärzten. Aber die machten uns wenig Hoffnung.
“MdB Moldenburg kann froh sein, dass er noch lebt. Und wenn unser Kollege Dr. Wildenbacher nicht sofort so entschieden eingegriffen hätte, dann wäre jede Hilfe zu spät gekommen”, äußerte sich Dr. Luise Meckenroth, eine Neurologin. “Leider können wir keine seriösen Angaben darüber machen, ob und wenn ja, wann der MdB wieder vernehmungsfähig sein wird. Bleibende Schäden kann man ebenfalls nicht ausschließen.”
“Wir müssen weiterhin ständig über den Gesundheitszustand des Patienten auf dem Laufenden gehalten werden”, verlangte ich.
“Das ist selbstverständlich.”
“Es gelten außerdem höchste Sicherheitsvorkehrungen. Wir können nicht ausschließen, dass der Täter oder die Gruppe, die hinter ihm steht, noch versuchen werden, das Attentat zu vollenden.”
Dr. Meckenroth seufzte. “Ich kann nicht gerade sagen, dass ich besonders glücklich darüber bin, dass hier so viel Polizei herumläuft und man überall kontrolliert wird.”
“Das ist leider unumgänglich.”
“Unsere Klinik ist kein Hochsicherheitstrakt”, erklärte Dr. Meckenroth.
“Für eine Weile werden Sie diese Unannehmlichkeiten hinnehmen müssen”, meinte Rudi.
“Dann hoffe ich schon aus diesem Grund, dass Sie den Täter schnell fassen.”
“Nicht einmal für diesen Fall kann ich Ihnen garantieren, dass die Sicherheitsmaßnahmen dann nicht mehr nötig sein werden”, gab ich zurück.
“Übrigens ist Frau Moldenburg hier. Sie hat den Wunsch geäußert, mit Ihnen beiden zu sprechen.”
22
Wenig später trafen wir Frau Moldenburg. Für sie und Moldenburgs gesamte Familie war ebenfalls die höchste Sicherheitsstufe angeordnet worden. Schließlich war ja nicht auszuschließen, dass auch sie zur Zielscheibe der Gewalt wurden.
“Glauben Sie, dass Sie den Täter bald fassen?”, fragte sie mit tonloser Stimme.
“Ich kann Ihnen versichern, dass wir unser Bestes tun”, sagte ich.
“Ich habe mich etwas erkundigt. Mein Mann hat als MdB ein paar spezielle Kanäle, um Informationen einzuholen, wenn Sie verstehen, was ich meine.”
“Ich kann es mir denken”, sagte ich.
“Sie und Ihr Kollege genießen einen sehr guten Ruf. In so fern ist der Fall bei Ihnen wahrscheinlich