Atemlose Spannung für den Urlaub: Vier Krimis: Krimi Quartett. Alfred Bekker
Ich weiß, dass man mein gepflegtes Deutsch in diesem Land, das durch die gemeinsame Sprache von meinem getrennt zu sein scheint, nicht immer so versteht, wie es wünschenswert wäre! Aber die geneigten Herrschaften würden mir wirklich sehr helfen, wenn Sie zur Seite träten!”
“Förnheim”, murmelte Rudi. “Ich dachte schon, Sie wollten mich erschießen!”, fügte mein Kollege noch laut genug hinzu, dass der hamburgisch-stämmige Forensiker aus unserem Ermittlungsteam Erkennungsdienst es eigentlich verstehen musste. Zumindest akustisch.
“Wenn Sie nicht sofort zur Seite treten, überlege ich mir das noch!”, rief Förnheim. “Irgendein Kollege hier im Raum wird sicher so freundlich sein, mir dafür seine Dienstwaffe zu leihen. Schließlich geht es um den zügigen Fortgang der Ermittlungen!”
Rudi trat augenblicklich zur Seite. Alle anderen aus der Gruppe folgten seinem Beispiel.
“Und wenn Sie sich jetzt noch bitte auf die Bühne hinter Ihnen an Tisch Nummer vier von rechts setzen könnten, Rudi!”, rief Förnheim. “Sie würden damit meinen Ermittlungen sehr helfen.”
“Wenn es der Verbrechensaufklärung dient…”, meinte Rudi, schwang sich auf die ungefähr einen Meter erhöhte Bühne und setzte sich an den Platz, den Förnheim ihm zugewiesen hatte. Markierungen zeigten an, wo der MdB zu Boden gegangen war. Dunkle Flecken von getrocknetem Blut waren deutlich sichtbar.
“Keine Sorge, dass ist alles abgespurt”, versicherte Hauptkommissar Krähenfelder. “Und davon abgesehen können wir ja wohl davon ausgehen, dass Ihr Forensiker aus Quardenburg genau weiß, was er tut.”
“Ich habe volles Vertrauen in ihn”, meinte ich.
Inzwischen war ein roter Laserpunkt exakt in der Mitte von Rudis Stirn zu sehen. “Vermeiden Sie es im eigenen Interesse, direkt in den Laser hineinzusehen”, rief Förnheim.
“Ich nehme an, ich sitze jetzt genau dort, wo sich MdB Johannes Moldenburg aufhielt, als das Attentat geschah”, meinte Rudi.”
“So ist es!”, bestätigte Förnheim. “Harren Sie bitte ein paar Augenblicke genau so aus und bewegen Sie sich möglichst wenig. Ich bin mit meinen Messungen gleich soweit.”
In diesem Augenblick betrat Dr. Gerold M. Wildenbacher den Raum. Ich hatte erwartet, dass er früher oder später hier auftauchte. Dass er Wismar seit dem Attentat gar nicht erst verlassen hatte, war mir ja schließlich bekannt.
“Soll ich mich vielleicht dazusetzen?”, rief er dröhnend.
“Tun Sie das, Gerold. Dann machen Sie sich hier jedenfalls etwas nützlich und stehen unseren Kollegen nicht unnötig im Weg.”
Wildenbacher nickte Krähenfelder und mir kurz zu. “Dann gibt es ja tatsächlich mal etwas, womit ich unserem Kollegen aus dem Heimatland der Teebeutel und des spitzen Steins eine Freude machen kann”, meinte Wildenbacher und setzte sich an den Platz, auf dem er auch an dem Abend des Attentats gesessen hatte.
Der Laserstrahl bewegte sich etwas. Er schwenkte seitwärts und traf jetzt Wildenbacher in Brusthöhe.
“Ich hoffe, Sie warten jetzt nicht, dass Rudi sich auf den Boden wirft, und ich mich um ihn kümmern muss!”, meinte Wildenbacher.
“Keine Sorge, davon gibt es eine ganze Menge aufgezeichnetes Video-Material!”, rief Förnheim. “Die Veranstaltung war ja bestens dokumentiert.”
Wildenbacher wandte sich unterdessen an Rudi. “Ich habe kurz dieses Flimmern gesehen, dann ist es passiert”, berichtete er. “Einer der Leibwächter hat sich auf den MdB gestürzt und selbst noch etwas abgekriegt. Ich habe mit ihm gesprochen.”
“Das werden wir auch noch müssen”, sagte Rudi.
“Das ging alles so schnell”, sagte Wildenbacher. “Und so sehr ich mich auch bemüht habe, das Leben des MdBs zu retten, weiß ich nicht, ob mir das am Ende gelungen sein wird. Er liegt im Koma und sein Zustand ist alles andere als gut. Der behandelnde Arzt ist ein Studienkollege von mir. Ich habe mit ihm von Arzt zu Arzt geredet, wenn Sie verstehen, was ich meine, Rudi.”
“Ich denke schon.”
Auf Wildenbachers Stirn bildete sich eine tiefe Furche. Seine Bedenken, was den Gesundheitszustand des MdBs anging, standen ihm ins Gesicht geschrieben. “Sein Zustand ist wirklich sehr ernst und ich fürchte, die Chancen stehen achtzig zu zwanzig gegen den MdB.” Wildenbacher atmete tief durch und fuhr dann fort: “Ich wusste schon immer, dass mein Talent mehr bei der Behandlung von Toten als von Lebenden liegt!”
“Okay, ich bin fertig!”, rief jetzt Förnheim. Der Laser wurde abgeschaltet. Er zog den Vorhang zur Seite, sodass man ihn auf der Balustrade sehen konnte. Förnheim ließ den Blick schweifen. “Gute Akustik hier.”
“Ja, man versteht Sie ohne Mikro!”, rief Wildenbacher.
“Das ist immer in erster Linie eine Frage der deutlichen Aussprache, verehrter Kollege!”, erwiderte Förnheim. “Aber davon weiß man in Bayern sicherlich nichts.”
“Das habe ich jetzt nicht verstanden! Muss an Ihrer Aussprache liegen!”, gab Wildenbacher zurück.
Wenig später hatte Förnheim die Balustrade verlassen und kam durch den Saal. Über seiner Schulter hing eine Tasche, in der sich vermutlich ein paar Utensilien befanden, die er für seine Untersuchungen brauchte. Rudi war inzwischen wieder vom Platz des MdBs aufgestanden, während Wildenbacher sitzen blieb und sehr nachdenklich wirkte. Mich wunderte das nicht. Wildenbacher galt zwar als jemand, unter dessen knochenharter Schale sich das Gemüt eines Schlachters verbarg, aber das war vielleicht nicht die ganze Wahrheit. Die Tatsache, dass direkt neben ihm jemand Ziel eines Attentats geworden war, konnte wohl auch an ihm nicht spurlos vorbei gegangen sein, auch wenn er vielleicht nach außen hin den Eindruck zu erwecken versuchte.
“Gibt es irgendwelche neuen Erkenntnisse, die Sie uns mitteilen können?”, fragte Wildenbacher.
“Ich wusste gar nicht, dass Sie als Gerichtsmediziner in diesem Fall zurzeit überhaupt involviert sind”, gab Förnheim zurück. “Soweit mir bekannt, gibt es bis jetzt nur mehr oder weniger schwer Verletzte, aber keinen Toten, den Sie sezieren könnten, abgesehen von dem Wachmann. Und wir wollen doch beide hoffen, dass das auch so bleibt, oder?”
“Wenn Sie mir auf Ihre gedrechselte Art sagen wollen, dass Sie nichts herausgefunden haben, ist das auch in Ordnung”, gab Wildenbacher zurück.
Förnheim runzelte die Stirn und wandte sich an mich. “Es ist noch ein bisschen zu früh, um darüber zu reden, und über ungelegte Eier…”
“Tun Sie es trotzdem”, unterbrach ich ihn.
Förnheim hob kurz die Schultern. “Irgendetwas passt hier nicht zusammen.”
“Was meinen Sie damit?”
“Kann ich Ihnen noch nicht sagen. Es betrifft die Schussbahn, die Position des MdBs… Naja, ich habe mehrere Video-Aufzeichnungen aus unterschiedlichen Perspektiven des Vorfalls gesehen und mir ist schon klar, dass das Ganze eine sehr chaotische Situation war.”
“Sie meinen wahrscheinlich das Eingreifen des Leibwächters.”
“Ja, das vor allem. Dadurch ist das entstanden, was man eine hochkomplexe Ereigniskette nennen könnte. Sehen Sie, der Schütze hat gezielt, aber offenbar wurde der Laserstrahl bemerkt und der Leibwächter konnte rechtzeitig eingreifen. Allerdings ist da ein Faktor, der mich etwas irritiert.”
“Und der wäre?”
“Also gehen wir mal davon aus, der Attentäter ist ein Profi und hat eine militärische Ausbildung genossen. Bei einem islamistischen Terroristen wäre das nicht ungewöhnlich. Manche nutzen den Dienst in einer Armee gezielt dafür aus, um entsprechende Kenntnisse zu erwerben…”
“Ja, und?”, fragte ich.
“Der Killer müsste doch gewusst haben, dass man die Laserzielerfassung erst im letzten Moment vor dem Schuss