Der Schoppenfetzer und das Maulaff-Mysterium. Günter Huth

Der Schoppenfetzer und das Maulaff-Mysterium - Günter Huth


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die zu Zeiten Mussolinis aus politischen Gründen – Silvio war im Widerstand engagiert – in die USA emigriert waren. Nach dem Krieg kehrten sie in ihre Heimat zurück. Sie waren kinderlos und adoptierten mich. So wurde aus Michael Schneider Riccardo Luccaliano. Meine Adoptiveltern hatten schon vor dem Krieg eine kleine Pastafabrik besessen, die sie nach ihrer Rückkehr wieder aufbauten. Ich war der Kronprinz und habe später die Firma übernommen und zu einem Konzern ausgebaut. Vielleicht hast du schon von Pasta Grande gehört? Diese Pasta wird in meinem Hause hergestellt. Wir beliefern Feinkostgeschäfte in der ganzen Welt.“

      Ron Schneider zeigte eine anerkennende Miene. „Natürlich habe ich davon schon gehört. Für diese Edelpasta wird ja auch bei uns Werbung gemacht.“

      Luccaliano nickte. „Vor drei Jahren habe ich mich dann aus gesundheitlichen Gründen von der Firmenspitze zurückgezogen. Das Unternehmen ist schon seit geraumer Zeit eine Aktiengesellschaft und wird an der Börse notiert. Die Geschicke lenken jetzt ein Vorstand und ein Aufsichtsrat.“

      „Dann vermute ich mal, dass du finanziell ausgesorgt hast?“

      Riccardo Luccaliano nickte. „Das kann man so sagen. Doch wie du siehst, kann man sich für alles Geld dieser Welt keine neue Gesundheit kaufen.“

      „Stimmt“, gab Ron Schneider zurück, „aber du kannst dir Hilfe fürs Haus und viele andere Annehmlichkeiten leisten, die dir das Leben erleichtern.“ Er machte eine Handbewegung, die die ganze Wohnung umfasste.

      Luccaliano zuckte mit den Schultern. „Das ist richtig. Der Wohlstand weckt aber auch Begehrlichkeiten. Man ist gut beraten, sich Leibwächter zu halten. Adrianos und Luigis Job, wie du dir vermutlich schon gedacht hast. Deshalb finde ich es auch wunderbar, jetzt für einige Zeit in Deutschland zu leben. Hier kennt mich niemand und ich hoffe, das bleibt auch so.“

      Das konnte Ron Schneider gut verstehen und er versprach, das seinige dazu beizutragen. Als sich Ron Schneider verabschiedete, war die Zeit weit fortgeschritten.

      Luccaliano saß noch geraume Zeit vor seiner leeren Kaffeetasse und starrte sinnierend vor sich hin. Sein Cousin Ron schien ein netter Bursche zu sein, trotzdem hatte er ihm einige Motive für seine Heimkehr verschwiegen.

      Plötzlich verzog er das Gesicht. Mit einem stechenden Schmerz brachte sich seine Krankheit in Erinnerung. Er rief nach Magdalena und bat um seine Medikamente. Nach dem Einnehmen der Tabletten lehnte er sich in die Polster zurück und wartete. Nach etwa zwanzig Minuten wirkten die Mittel und er konnte wieder frei durchatmen. Nun rief er Adriano und Luigi zu sich und bat sie um einen Bericht über den Fortgang der Planungen des Projekts.

      28. Juli

      Filipp Filißter, von seinen Bekannten nur Fili genannt, saß in seinem pompösen Büro in der Würzburger Innenstadt und brütete über Plänen. Filißter-Immobilien war eines der erfolgreichsten Immobilienbüros der Domstadt. Fili verdankte diese Stellung seinem nimmermüden Geist, der immer über irgendwelchen Plänen brütete. Planungen, die er natürlich in erster Linie im Interesse der Stadtentwicklung seiner Heimatstadt verfolgte. Eigentum verpflichtete. Dass er sich dabei auch ein beträchtliches Vermögen erarbeiten konnte, war ihm einfach so widerfahren. Allerdings hatte er sich auch nicht dagegen gewehrt.

      Nachdenklich stieß er bei diesen Überlegungen mit dem Kugelschreiber gegen den postkartengroßen Bilderrahmen, der immer in Sichtweite vor ihm stand und sein Konterfei hinter Glas zeigte. Das Foto war nicht ganz aktuell, es präsentierte einen wesentlich jüngeren Fili – eine Aufnahme, die in der Gründerzeit von Filißter-Immobilien entstanden war und einen schlanken jungen Mann zeigte, der am Beginn seiner Karriere stand und freundlich in die Kamera lächelte. Fili betrachtete das Foto mit einer gewissen Wehmut. Heute müsste der Rahmen für die Stimmigkeit der Proportionen etwas großformatiger ausfallen. Die Jahre hatten ihm nicht nur Erfolg, sondern auch ein paar Pfunde Übergewicht eingebracht. Aber was sollte es: Ein Mann ohne Bauch war praktisch ein Krüppel. So verkündete es jedenfalls der Volksmund und der hatte ja bekanntlich meistens recht.

      Das Klopfen an der Tür riss ihn aus seinen Gedanken. Sein „Herein“ war noch nicht verklungen, als Rosemarie Engelstoß, seine altgediente Sekretärin, ihren Kopf zur Tür hereinstreckte. Sie war, wie Fili, ergraut, trug aber eine flotte Kurzhaarfrisur. Ihr lindgrünes leichtes Kostüm trug den sommerlichen Temperaturen Rechnung und betonte ihre schlanke Figur. Vor ihrer Brust baumelte an einer Kette eine Lesebrille.

      „Herr Filißter, draußen steht ein Herr Lupo. Er möchte Sie dringend sprechen. Er hat allerdings keinen Termin. Es gehe um eine eilige Immobilienangelegenheit, hat er gesagt, die keinen Aufschub duldet.“ Sie trat ganz ein und schloss die Tür, dann trat sie näher an ihren Chef heran und erklärte mit gedämpfter Stimme: „Der Mann ist mir völlig unbekannt. Ein sehr mürrischer Zeitgenosse. Italiener, wie ich vermute. Sein Deutsch ist allerdings ganz annehmbar.“

      Fili überlegte eine Sekunde, dabei warf er beiläufig einen Blick auf seine Armbanduhr. Elf Uhr. Um zwölf wollte er zum Mittagessen zu Hause sein. Es blieb also noch etwas Zeit. Er nickte: „Also gut, Engelchen, ich lasse bitten.“ Eine Formulierung, die er nur bei Besuchern benutzte, die er beeindrucken wollte. Geschäftsverbindungen nach Italien standen zurzeit an oberster Stelle seiner Agenda. Die krisenbehafteten wirtschaftlichen Verhältnisse auf dem Stiefel führten dazu, dass sich manche Menschen von ihren Immobilien trennen mussten. Da half man als Geschäftsmann mit europäischen Verbindungen doch gern aus.

      Der Mann, dem Engelchen, wie er seine Sekretärin gern nannte, die Tür aufhielt, war für einen Italiener recht groß. Mehr als eins achtzig, schätzte Filißter. Er war schlank, trug einen hochwertigen dunkelblauen Anzug, ein weißes Hemd und eine dunkelrote Seidenkrawatte. Seine schwarzen Schuhe waren auf Hochglanz poliert – vermutlich italienische Designerschuhe. Das schwarze Haar trug er dicht an den Kopf gegelt, sein Teint war gebräunt. Unter buschigen dunklen Augenbrauen musterten zwei dunkle Augen den Immobilienmakler. Diese Eindrücke hatte sich Filißter mit einem schnellen Blick verschafft. Es gehörte zu seinem Geschäft, Menschen blitzschnell einzuschätzen. Im Immobiliengeschäft, wo sich nicht wenige Scharlatane tummelten, war das die Basis des Erfolgs.

      Filißter erhob sich und streckte dem Besucher die fleischige Hand entgegen. „Grüß Gott, Herr Lupo, was verschafft mir die Ehre Ihres Besuches?“

      Sie schüttelten sich kurz die Hände und Filißter wies auf den Besucherstuhl auf der anderen Seite des Schreibtisches. Der Mann nahm entspannt Platz.

      „Herr Filißter, ich bin gekommen, um Ihnen zu helfen.“ Dabei zog ein angedeutetes Lächeln über seine Gesichtszüge.

      Der Immobilienmakler hob verwundert die Augenbrauen. Bis jetzt war ihm nicht bewusst, dass er Hilfe benötigte. Dann kam der Besucher sofort zur Sache. Schon nach wenigen Sätzen überzog Filißters Gesicht eine fahle Blässe und er riss ungläubig die Augen auf. Als er etwas entgegnen wollte, hob der Mann herrisch die Hand.

      „Sie haben verstanden, was ich gesagt habe. Ich empfehle Ihnen eindringlich zu kooperieren. Sie sollten die Ernsthaftigkeit dieses Angebots keinesfalls in Frage stellen. Die Konsequenzen müssten Sie tragen.“ Er erhob sich langsam. Dabei beugte er sich leicht nach vorn und der Immobilienmakler konnte unterhalb seiner linken Achsel eine Ausbeulung erkennen, über deren Ursache er nicht rätseln musste. Filißter war regelmäßiger Konsument einschlägiger Fernsehkrimis.

      „Ich werde Sie in zwei Stunden anrufen, dann erwarte ich eine positive Antwort. Ihre Mobilnummer habe ich ja.“ Er hob eine Visitenkarte Filißters in die Höhe, von denen an mehreren Stellen im Büro kleine Stapel herumlagen. Vor der Tür blieb er noch einmal kurz stehen und sah über die Schulter. „Habe ich Ihnen schon gesagt, dass Sie eine sehr nette Frau haben?“ Ohne ein weiteres Wort verließ er Filißters Büro.

      Fili saß wie versteinert in seinem Bürosessel und starrte auf den leeren Besucherstuhl. Hatte er das gerade nur geträumt? Er sog die Luft ein und roch den Hauch eines herben Rasierwassers, den sein Besucher hinterlassen hatte. Kein Traum, brutale Realität! Hastig griff er zum Telefonhörer und wählte seine Privatnummer. Nach dem zweiten Läuten ging seine Frau an den Apparat.

      „Hallo Filischatz“, begann sie sofort zu sprechen, „du, es ist gerade


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