Der Schoppenfetzer und das Maulaff-Mysterium. Günter Huth
ihren Mann nachdenklich an. „Neppi, hoffentlich hast du da gerade keinen Fehler gemacht.“
Er stand auf und nahm sie in die Arme. „Der Kerl ist doch völlig verrückt. Jetzt sind die Geschäfte gerade richtig ins Laufen gekommen und der Spinner will, dass wir schließen, nur damit er ein paar Euro sparen kann. Da können wir ja gleich Insolvenz anmelden! Das kann er vergessen!“
Er gab ihr einen Kuss, dann ließ er sie wieder los. „Machst du mir bitte einen Kaffee, ich muss dann wieder in die Weinstube.“
Filißter saß kaum im Wagen, als auch schon sein Handy klingelte. Am Apparat war der Italiener. Woher wusste er, dass er gerade bei Schlossisweg gewesen war? Wurde er möglicherweise bespitzelt? Sein Blick irrte durch alle Scheiben seines Wagens und prüfte die Straße. Er konnte kein verdächtiges Fahrzeug in der Nähe erkennen.
„Waren Sie erfolgreich?“
„Es tut mir schrecklich leid. Ich habe alle Register gezogen, aber Schlossisweg war völlig uneinsichtig. Bitte tun Sie meiner Frau nichts, ich habe wirklich alles versucht!“
Für einen Moment war Stille in der Leitung, dann sprach der Mann weiter: „Wir werden uns selbst der Sache annehmen. Fahren Sie nach Hause und warten Sie auf meinen Anruf.“
Filißters nervöser Magen entließ einen Schwall Magensäure in seinen Mund. Hustend würgte er sie wieder hinunter, dann startete er den Motor und fuhr los.
Ihr Mann war gerade mal zwanzig Minuten aus dem Haus, als es an der Tür klingelte. Annalena Schlossisweg öffnete. Draußen stand ein gut aussehender südländischer Typ mit dunkler Sonnenbrille und lächelte sie an.
„Liebe Frau Schlossisweg, bitte entschuldigen Sie diesen Überfall, aber ich muss Sie bitten, mich auf einem kleinen Ausflug zu begleiten.“
Annalena runzelte ärgerlich die Stirn. „Was soll der Blödsinn? Ich kenne Sie nicht. Ich gehe nirgendwo mit hin. Verschwinden Sie oder ich rufe die Polizei!“
Die freundliche Miene des Mannes veränderte sich nicht, als er mit einer fließenden Handbewegung sein Jackett zurückschlug und den Blick auf eine Pistole freigab, die er in einem Holster am Gürtel trug.
„Ich verstehe, dass Sie überrascht sind, aber ich muss trotzdem auf meiner Bitte bestehen.“ Seine Stimme wurde etwas schärfer. „Ich hoffe doch, dass ich keine härtere Gangart einschlagen muss.“
Die junge Frau war völlig gelähmt vor Schreck. Schließlich stotterte sie: „Wer sind Sie, was wollen Sie von mir?“
„Machen Sie sich keine Sorgen, Ihnen wird nichts geschehen. Wir möchten nur gern die Einsicht Ihres Ehemannes in eine für uns wichtige geschäftliche Transaktion beschleunigen.“ Seine Tonlage wurde schlagartig schärfer. „Also los jetzt!“ Er legte die Hand an den Pistolengriff.
„Ich muss meinem Mann eine Nachricht hinterlassen, sonst macht er sich Sorgen“, wandte sie ein.
„Wir werden ihn schon informieren, glauben Sie mir.“ Er trat einen Schritt zur Seite, so dass sie einen Blick auf einen Pkw mit getönten Scheiben werfen konnte, der direkt vor dem Gartentor parkte. Sie sah ein, dass Widerstand keinen Sinn hatte. Gewohnheitsgemäß nahm sie einen Schlüsselbund vom Schlüsselbrett hinter der Eingangstür, dann lief sie dem Mann voraus zum Auto.
Zehn Minuten später erhielt Nepomuk Schlossisweg einen Anruf auf sein Handy. Die Nummer war unterdrückt. Sekunden später wich dem Maulaffenwirt alles Blut aus dem Gesicht.
„Dieser verdammte Filißter!“, fluchte er, nachdem er seine Sprache wiedergefunden hatte. „Sagen Sie ihm, dass ich mich beugen werde. Sagen Sie ihm aber auch: Wenn er meiner Frau auch nur ein Haar krümmt, werde ich ihn totschlagen! So wahr ich Schlossisweg heiße!“ Seine Stimme brach.
„Bleiben Sie gelassen“, erwiderte der Mann. „Mit solchen unangebrachten Reaktionen tun Sie Ihrer Frau keinen Gefallen. Es geht ihr gut und daran wird sich auch nichts ändern, wenn Sie sich den Anweisungen von Herrn Filißter beugen.“ Das Gespräch war zu Ende.
Der Wirt stand hinter dem Tresen und starrte sein Handy an. War dieser Filißter nun völlig verrückt geworden? Nur mühsam konnte er sein cholerisches Temperament so zügeln, dass er das Mobiltelefon nicht wütend auf den Boden schmetterte. Erneut bat er einen Mitarbeiter, ihn zu vertreten. Im Stechschritt verließ er das Lokal und hastete durch die Innenstadt. Sein Ziel war das Immobilienbüro Filißter. Dieser Schweinehund konnte was erleben!
Engelchen bekam einen gewaltigen Schrecken, als der ihr bekannte Nepomuk Schlossisweg wie ein wütender Stier mit hochrotem Kopf in ihr Büro stürmte.
„Aber Herr Schlossisweg, was ist das für ein Benehmen? Sie haben keinen Termin!“
„Ist er drinnen?“ Die Wut des Mannes war unübersehbar.
„Sie haben keinen Termin!“, zeterte die Sekretärin. „Außerdem ist Herr Filißter geschäftlich außer Haus.“
„Das werden wir ja sehen“, fauchte er, drehte sich wortlos um und peilte die Tür von Filißters Büro an. Ohne anzuklopfen stürmte er hinein.
Der Immobilienmakler saß hinter seinem Schreibtisch und starrte dem ungestümen Besucher völlig verdattert entgegen. Vor ihm stand ein Cognacschwenker, in den er sich großzügig eingeschenkt hatte und den er gerade an die Lippen führen wollte. „Was soll das?“, brachte er hervor.
„Entschuldigung, er ließ sich leider nicht aufhalten“, schimpfte die Sekretärin, die Schlossisweg nachgeeilt war, ziemlich aufgelöst. „Soll ich die Polizei benachrichtigen?“
„Nein, nein! Ist schon gut“, winkte Filißter ab.
Schlossisweg drehte sich um, schob die Frau zur Tür hinaus und schlug sie hörbar zu. Anschließend wandte er sich wieder Filißter zu.
„Du verdammter Drecksack! Was hast du mit meiner Frau angestellt?“
Schlossisweg beugte sich über den Schreibtisch, packte den Makler an der Hemdbrust und zog ihn aus dem Sessel heraus. Dabei warf er einen Stapel Akten auf den Boden. Das Cognacglas kippte um und die hellbraune Flüssigkeit ergoss sich über die Schreibunterlage aus hellgrünem Leder.
„Lass mich sofort los! Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst!“ Mit beiden Händen versuchte Filißter sich aus dem schraubstockartigen Griff des jungen Mannes herauszuwinden.
Schlossisweg war außer Rand und Band. Mit der freien Hand holte er aus und gab Filißter eine klatschende Ohrfeige.
„Du weißt genau, wovon ich spreche. Du hast doch deinen Handlanger losgeschickt, um mich unter Druck zu setzen!“
„Was redest du denn da für einen Unsinn?“, stieß der malträtierte Immobilienmakler keuchend hervor und stieß in verzweifelter Abwehr beide Fäuste gegen die Brust des Angreifers. Der musste seinen Griff lockern und taumelte nach hinten gegen einen Besuchersessel. Mit einem krachenden Geräusch plumpste er in die Polster. Die Tür wurde erneut aufgerissen und die Sekretärin stand schreckensbleich im Türrahmen.
„Herr Filißter, um Gottes willen, ich rufe jetzt wirklich die Polizei!“
„Nichts machen Sie! Raus!“, brüllte ihr hocherregter Chef sie an. „Sie sehen doch, dass ich alles im Griff habe!“
Sie zuckte zusammen und schloss wortlos die Tür von draußen. So einen Ton war sie nicht gewohnt.
Der Sturz in den Sessel brachte Schlossisweg wieder etwas zur Besinnung. Wütend starrte er sein Gegenüber an.
„Mich hat einer angerufen und gesagt, ich soll deinen Anweisungen Folge leisten und den ‚Maulaffenbäck‘ schließen. Er habe meine Frau in seiner Hand.“
Filißter hatte schwer atmend beide Hände erhoben und hielt sie als Demonstration seiner friedfertigen Absichten nach oben.
„Neppi, bitte beruhige dich. Ich habe deine Frau bestimmt nicht entführen lassen. Glaube mir.“ Er unterbrach sich und ließ sich wieder in den Bürostuhl fallen. Mit der Rechten wischte