Ein Leben für Ruanda. Rolf Tanner

Ein Leben für Ruanda - Rolf Tanner


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1940er- bis in die 1960er-Jahre sah, fand sie in der Regel einen guten Draht, so unterschiedlich diese Geistlichen von ihrem jeweiligen Naturell und Temperament her waren. Die Jugendarbeit unterstand den Vikaren, sodass sie als Blauring-Leiterin zu ihnen schon von der Funktion her einen regen Kontakt pflegte. Unter Pfarrer Fischer war sie dann auch als Katechetin tätig und unterrichtete junge Erwachsene, was ein besonderer Vertrauensbeweis war, blieb die Katechese doch normalerweise den Vikaren vorbehalten.

      Margrit war rastlos unterwegs in Pfarreiangelegenheiten. Das Pfarrhaus war ihr zweites Zuhause. So half sie bei der Organisation von Anlässen, sprang bei Notfällen ein, besorgte allerlei Nützliches und machte Pfarreiangehörigen kleine Geschenke. Und ihre Freundlichkeit und Einsatzbereitschaft wurden mit Sympathie und Zuneigung erwidert. Als sie sich im Winter 1954 in Unterägeri zur Genesung aufhielt, schrieb ihr der Präsident des Kirchenchors in einem launigen Brief, er höre jeden Tag den Lawinenbericht, um zu wissen, ob sie in Sicherheit sei. Wäre Unterägeri von Schneemassen verschüttet worden, hätte er sofort alle Männer des Kirchenchors aufgeboten, «damit wir ja unsere Margrit noch lebend erwischt hätten».

      Erfüllung im Beruf

      Im Jahr 1900 siedelte das Schweizerische Bauernsekretariat von Bern nach Brugg über. Dies aus einem simplen Grund: Die aus Brugg stammende Frau des Sekretariatsleiters und ETH-Professors Ernst Laur wollte nicht wegziehen, und Laur selbst besass in Effingen ein schönes Landgut. Brugg wurde damit zur Schweizer «Bauernhauptstadt». Laur war eine charismatische Persönlichkeit, die den Schweizerischen Bauernverband in vier Jahrzehnten zu einer schlagkräftigen wirtschaftspolitischen Organisation formte. Obwohl er nie ein parlamentarisches Mandat bekleidete, galt er als «achter» Bundesrat. So weitete er die Tätigkeit des Bauernsekretariats laufend aus und gründete neue Unterabteilungen und Fachstellen, um die vielfältigen Bedürfnisse von Bauern und Behörden zu bedienen. Bereits in den 1920er-Jahren beschäftigte der Bauernverband mit seinen Zweigstellen 60 Personen. Die verschiedenen Abteilungen waren in immer mehr Liegenschaften zwischen Eisi und Freudenstein untergebracht, was Reibungsverluste mit sich brachte. Deshalb wurde an der heutigen Laurstrasse 10 in Brugg das stattliche Verwaltungsgebäude «Haus des Schweizerbauern» gebaut, das 1947 eingeweiht und bezogen werden konnte.

      In einer dieser Zweigstellen, dem Landwirtschaftlichen Bauamt, begann Margrit am 1. September 1937 als kaufmännische Angestellte. Sie arbeitete sehr gerne dort und sollte dem Bauernverband und angegliederten Organisationen 26 Jahren treu bleiben. Das Bauamt, in der alten Post am Eisi-Platz eingemietet, beschäftigte sich mit Architekturarbeiten für landwirtschaftliche Ökonomiegebäude, Käsereien, Mostereien und Lagerhäuser. Margrit blieb acht Jahre im Bauamt und wechselte danach als Bürogehilfin zur Kasse des Bauernverbands, wo sie indes nur sehr kurz verweilte. Per 9. März 1947 trat sie in den Schweizerischen Schlachtviehproduzentenverband (SPV) ein, wo sie bis 1958 blieb.

      Als kaufmännische Angestellte war Margrit beim SPV für das Abrechnungswesen zuständig. Das war nicht immer einfach, gab es doch unter den Bauern zahlreiche säumige Zahler. Ein Schwerpunkt des SPV in den 1950er-Jahren war die Ausmerzung der Rindertuberkulose: Anfällige Tiere wurden systematisch aufgekauft und insbesondere an italienische Salamifabriken, aber auch an die italienische Kriegsmarine verkauft – was heute wohl undenkbar wäre. Margrit galt als zuverlässige, verschwiegene «Schafferin». Ihre Tätigkeit in der Buchhaltung brachte es mit sich, dass sie regelmässig an den Viehauktionen in der ehemaligen Markthalle hinter dem Brugger Bahnhof teilnahm. 1956 wurde sie zur Sekretärin des SPV-Geschäftsführers Albin Schwaller befördert. Margrit hatte ein gutes und vertrautes Verhältnis zu ihrem neuen Chef, der sie wegen ihrer Tüchtigkeit schätzte. Margrits Nähe zur Kirche half ihr bei der Organisation des jährlichen Mittagessens mit den Spitzen des SPV und den von der Kirche eingesetzten «Bauernseelsorgern».

      Tüchtig und zielstrebig, zeigte Margrit im Geschäft auch ihre soziale und mütterliche Seite. «Sie schaute zu den Leuten», drückte es ein ehemaliger Vorgesetzter aus. Ihm hatte sie jeden Morgen einen Blumenstrauss auf den Tisch gestellt. Die Belegschaft des SPV war klein und übersichtlich – während der elfjährigen Tätigkeit Margrits wuchs sie von acht auf etwas mehr als ein Dutzend. Unter den Angestellten befand sich seit 1948 auch der Lehrling Walter Tanner. Der 17-Jährige war eben aus dem Kanton Bern zugezogen und hatte noch kaum sozialen Anschluss. Als guter Fussballer fand er zwar beim FC Brugg Unterschlupf, doch seine seit Langem verwitwete Mutter hatte kurz vorher nochmals geheiratet; mit dem Stiefvater hatte er seine Mühe, auch wenn er sich mit ihm arrangierte. Margrit nahm den jungen Mann unter ihre Fittiche. Sie wurde für meinen Vater zu einer wichtigen Bezugsperson. In den WK schickte sie ihm «Fresspäckli». Als 1952 eine Cécile Schneider aus Würenlingen beim SPV als Stenotypistin begann und sich zwischen ihr und Walter Tanner eine zarte Romanze entwickelte, beobachtete Margrit die werdende Liaison anfänglich mit Argusaugen – sie wollte offenbar sicherstellen, dass ihr Schützling nicht an «die Falsche» geriet. Als sie aber den Ernst der Sache und die gegenseitige Aufrichtigkeit erkannte, gab sie der Verbindung ihren Segen – und wurde zu einer guten Freundin des Paares. In der Freizeit unternahmen sie zu dritt Ausflüge, so etwa ins Engadin. Als Walter und Cécile 1960 heirateten, erhielt Margrit die Zusicherung, sie werde Taufpatin des erstgeborenen Kindes sein. Im Gegenzug versprach sie, sie werde ihm – sollte es ein Bub sein – die ersten Fussballschuhe kaufen. Ein Versprechen, das sie nie einlösen musste, da sich mein Talent als Fussballer in Grenzen hielt.

      1958 trat SPV-Geschäftsführer Albin Schwaller zurück, nachdem finanzielle Ungereimtheiten zu Meinungsverschiedenheiten mit dem Verbandsvorstand unter dem Luzerner Ständerat Christian Clavadetscher geführt hatten. Schwallers erzwungener Rücktritt traf Margrit hart. Für seinen Nachfolger konnte oder wollte sie nicht arbeiten. Sie wechselte deshalb zur ebenfalls in Brugg ansässigen Aargauischen Genossenschaft für Schlacht- und Nutzviehvermittlung (AGS). Dort blieb sie knapp fünf Jahre.

      Grosser Bekanntenkreis

      Mit dem Auszug von Margrits Geschwistern Josef, Ida und Elisabeth reduzierte sich die Hausgemeinschaft am Windischer Kapellenweg auf vier. Im Februar 1942 starb Anna, im Januar 1947 schliesslich 80-jährig der inzwischen in Muri zur Pflege untergebrachte Vater Josef Fuchs. Im Juni 1948 verkaufte die Mutter das Haus an die inzwischen 31-jährige Margrit, die die Liegenschaft bis zu ihrem Tod behielt. Margrit hatte ein gutes Gehalt, lebte sparsam und konnte sich eine solche Investition leisten. Mutter und Tochter bildeten fortan die Hausgemeinschaft. Die Mutter wusch und kochte für die Tochter, die über Mittag jeweils nach Hause kam. Sie hielt der Tochter so den Rücken frei für deren grosses kirchliches Engagement.

      Für zwei Personen war das Haus am Kapellenweg aber zu geräumig. Margrit vermietete deshalb die Parterrewohnung, was ihr Einkommen aufbesserte. 1954 zog eine ältere Frau, die in Vevey als Weissnäherin gearbeitet hatte, zusammen mit ihrer Nichte ein. Die Familie stammte aus Gansingen im Fricktal. Vier Jahre später kam Martha Hollinger, die Schwester der Nichte, als dritte Partei dazu. Man hielt gute Nachbarschaft, so gut, dass Martha Hollinger, zusammen mit ihrer anderen Schwester Marie – ihre andere Schwester starb bereits 1960 –, bis heute dort wohnhaft geblieben ist, über Margrits Tod hinaus.

      Auch wenn alle ausser Margrit ausgeflogen waren, hatten die Geschwister Fuchs regelmässig Kontakt. Josef hatte inzwischen drei Kinder. Jedes zweites Wochenende besuchte er mit seiner Familie die Grossmutter und «Tante Gritli». Von Wettingen nach Windisch nahmen sie das Velo, ein paarmal gingen sie sogar zu Fuss. Angekommen, wurden die Kinder mit Limonade aus dem Keller versorgt. In Erinnerung sind auch die Tee crème, die es als Begrüssungsgetränk gab. Bei den Kindern galt «Tante Gritli» als «lieb, aber streng». Man mochte sie, weil sie – im Gegensatz zu anderen Verwandten- nicht so «tantenhaft» war, man mit ihr lachen konnte und weil sie auf die Kinder individuell einging. Auch mit der weiteren Verwandtschaft, vor allem auf der Hinden-Seite, pflegte Margrit den Kontakt. Das Verhältnis zu ihren Geschwistern war gut, vor allem zu Elisabeth, die ihr wohl am nächsten stand.

      Margrit baute sich mit der Zeit einen immer grösseren Bekanntenkreis auf. In Windisch, wo sie aufgewachsen war und weiterhin wohnte, kannte sie viele Leute, an ihrem Arbeitsort Brugg hatte sie bereits die Schule absolviert und war in der Pfarrei aktiv. Seit den 1950er-Jahren fanden Jahrgängertreffen der Bezirksschule statt, an denen sie oft teilnahm. Margrit


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