Die Eucharistie als Opfer der Kirche. Michael Hesse
sich selbst stirbt und daher zur Herrschaft mit Christus gelangt.441
Die endgültige Vereinigung Marias mit dem Sohne, der zugleich der Bräutigam ihres Pneumas ist, kommt in ihrem Tod zur Vollendung, was für die Kirche wiederum Urbildfunktion hat: Durch und in Maria ist die ganze Menschheit aufgenommen in Gott. Die Ehrentitel Mariens sind also auf die Ekklesia übertragbar: Jungfrau-Mutter-Braut. Sie ist Braut im Pneuma und dadurch Mutter Christi im Pneuma. Maria teilt mit der Ekklesia die pneumatische Mutterschaft,442 weil die Gläubigen durch die pneumatische Geburt aus dem Pneuma und dem Wasser aus dem Mutterschoß der neutestamentlichen Jungfrau Ekklesia geboren werden. Maria besitzt diese jungfräuliche Mutterschaft aus dem Pneuma in ihrem irdischen Leben und Gott gibt dieses Pneuma der ganzen Ekklesia.443
Damit führt er die augustinische Lehre über Maria in seine Konzeption ein. Die pneumatische Beziehung ist eine umgekehrte Beziehung. Pneumatisch zeugt Christus Maria – Tochter Christi – filia sponsi. Das Privileg der leiblichen Mutterschaft ist allein Maria zu Teil geworden, doch die pneumatische Mutterschaft ist jeder Christus liebenden Seele eigen.444
Casel analysiert die Einschätzung der weiblichen Natur durch die Kirche im Hinblick auf Maria und gelangt für sich zu einer Definition, dass die wahre Frau nicht in sich selbst ruhen will, sondern sich ganz dem Bräutigam, dem geliebten Mann zur Verfügung stellen will. In der Hingabe der Liebe, der Teilnahme am Leben des Mannes, erlangt die Frau schließlich ihre eigene Vollendung. Auf Maria übertragen bedeutet dies, dass ihre Vollendung durch den Sohn geschieht. Casel verschließt zwar nicht den Blick für die Entwicklung des Frauenbildes im 20. Jahrhundert, bleibt dennoch bei seinem Verständnis des eigentlichen Wesens der Frau: Teilnahme an einem Ganzen, das durch ein Anderes erst dazu wird.445 Auf der Grundlage dieses Ansatzes geht Casel davon aus, dass die von Gott aufgenommene Maria der Typus des erfüllten Frauseins ist. Ihre Hingabe sei kein „Sich-Wegwerfen“ sondern ein „Sich-Wegschenken“ an den Sohn, der im Pneuma ihr Bräutigam ist. Zugleich hebt er hervor, dass Maria als Aufgenommene nicht in einem irdischem Sinne Braut ist, sondern in der Form der Opferbereitschaft aus Gottesagape heraus: Sponsa Verbi – Braut des Logos. Beide sind geeint durch den Hauch des Pneumas, so wird sie Gefäß für das göttliche Pneuma, was sie umgekehrt selbst zum Pneuma macht. Die hier nun herrschende Agape ist dienende Agape, was nach Casels Konzept das innere Wesen des Weiblichen ist: Damit ist die Frau wieder so hingestellt, wie von Gott in der Schöpfung erdacht, nämlich als in Liebe unterworfene Teilhaberin des Lebens des Mannes. Er geht so weit zu sagen, dass die Einheit im Pneuma wiederhergestellt ist und durch die Ungleichheit in der Gleichheit die Agape zur höchsten Blüte gelangt. Für dieses neue Verhältnis von Mann und Frau führt Casel verschiedene neutestamentliche Begegnungen Jesu mit unterschiedlichen Frauen an, die durch diese Begegnung den wahren Sinn des Lebens erkennen. Maria ist für Casel das Spiegelbild des Logos, d.h., dass sie im Glanz Christi das ist, was sie ist. Ihre innerste Agape lässt sie vor dem Sohn zurücktreten, um ihn vor den Menschen leuchten zu lassen. Sie verkündet als Braut des Bräutigams, durch ihre demütige Liebeshingabe ganz den Bräutigam und erhält selbst die Größe, die ihr zusteht.446 In eben dieser Haltung ist Maria für Casel das Urbild der Ekklesia:
„So ist Maria der vornehmste Typus der Braut des Neuen Bundes, der Ekklesia. Denn diese ist ja auch ganz hingebendes Weib [Casel benutzt immer diesen Begriff, aber nicht in negativ besetztem Sinne. Anmerk. d.Verf.], treue Braut, geehrte Königin, die alles von ihrem geleibten Bräutigam Christus empfängt, in seinem Glanze strahlt und ihm die Liebe jauchzend zurückgibt und darin selig ist. So sehr strahlt sie im Glanze Christi, dass man sie vom Herrn kaum unterscheiden kann, dass beide zusammen der eine Christus sind.“447
Casel fordert darum dazu auf:
„Schauen wir hin auf Maria, das Vorbild der christlichen Frau, dem Typus der Ekklesia. Sie wollte nicht Christus sein, aber durch ihre Demut strahlt sie im Glanze ihres hohepriesterlichen Sohnes, des Bräutigams ihrer Seele, strahlt sie als heilige Sophia. Die göttliche Weisheit, deren Gefäß sie ist, leuchtet durch sie hindurch. Sie ist Abglanz des Logos.“448
5.3 Synthese der ekklesiologischen Bilder
Casel sagt von den Bildern, die man für die Kirche verwendet, dass sie Symbole der pneumatischen, göttlichen Wirklichkeit sind, die sich vor dem geistigen Auge entschleiern.449 Er folgert, dass um der Ekklesia willen alles andere ins Dasein gerufen worden ist. Hinter dieser Aussage verbirgt sich die Auffassung: das Mysterium des Christus aeternus. Christus hat nicht nur als der Logos ein ewiges Sein in Gott, sondern auch als Mensch. Von Joh 17,24 her wird der Rückschluss auf den Herrn mit einer Ekklesia gezogen, der sie in eine Vorrangstellung stellt, sie zum Herz der Schöpfung beruft, zum Ort der Versöhnung des Kosmos mit Gott. Sie wird als Krone der Schöpfung gesehen, da sie in sich die ganze Kreatur in Christus dem Vater darbietet.450 Das Verständnis des Verhältnisses von Christus zur Kirche mündet darum in dieser Gedankenkonzeption immer in den Grundgedanken der Einigung ein. Die Einigung mit Christus, dem Haupt, bezieht die Gläubigen in die Einigung mit dem trinitarischen Sohn ein und dadurch zur Teilhabe an der göttlichen Natur. Da die Einigung durch den Sohn zugleich mit dem Vater und dem Pneuma vollzogen wird, erhält der Gläubige Anteil am innersten Leben des dreieinigen Gottes. Die Ekklesia ist mit dem Sohn und Vater im Lebensstrom geeint worden. Diese personale Einigung sieht Casel im Bild von Braut und Bräutigam. Dabei schenkt sich die Braut dem Gatten frei von jedem Zwang, und beide werden zu einer Person, die als eine Person am Herzen des Vaters ruht. Die Psalmworte (Ps 2,7) „Mein Sohn bist du! Heute zeuge ich dich“ werden in dieser Art von Casel nicht nur auf Christus, sondern zugleich auf die Ekklesia und ihre Einbeziehung in die heilige Dreifaltigkeit bezogen. Casel sieht das letzte Ziel dieser Einigung im Überströmen des göttlichen Lebens in die Ekklesia, die mit dem Sohn thronen darf, die so ein Symbol der Trinität ist. Die Ekklesia ist nur zu verstehen, wenn man in das innerste Lebensmysterium Gottes, und das ist die Trinität, hineinblickt.451 Denn die Einheit des dreifaltigen Gottes ist der Schlüssel für die Einheit von Christus und Ekklesia. Die größte Einheit bei gleichzeitiger größter Verschiedenheit ist Urbild für die Ekklesia. Jeder einzelne ist ein vom anderen verschiedenes Glied am Leibe Christi. Das Pneuma vermag die Einheit zu stiften, dass von der Ekklesia als einer Person gesprochen werden kann, die ihrerseits als Person eins ist mit Christus selbst. Hier spricht Casel vom pneumatischen Christusleib. Er betont, schon Paulus habe bei der Einheit des Leibes stets auch von der Trinität gesprochen. Den Grund für diese Gegenüberstellung sieht er darin begründet, dass die trinitarische Einheit, durch den göttlichen Liebeswillen, einer sichtbaren Darstellung bedürfen wollte und dies im pneumatischen Leib Christi erzeugt habe, dass damit der Sehnsucht des Menschen geholfen und die gespaltenen Menschheit im Blut Christi zum einen vollendeten Menschen geformt sei. Wo das Pneuma, das innerste Wesen der Kirche, als Braut des Herrn offenbar wird, da erscheint die Ekklesia als Ganzes. Das Pneuma erscheint zwar in verschiedenen Gaben der Glieder, was die Einheit nicht beeinträchtigt. Vielmehr wird so das Wachsen der Agape ermöglicht durch verschiedene Charismen in der Gemeinschaft.452 Damit erscheint die Kirche deutlich als ein Liebesbund, einer Einheit von Gläubigen untereinander und mit Christus (vgl. Röm 14,7-10), die die wesenhafte urbildliche Einheit von Vater und Sohn abbilden. Der Christus aeternus bildet die Mitteilung der Sohnesherrlichkeit und dadurch die Offenbarung der väterlichen Offenbarung der Agape an die Gläubigen ab und ist so zugleich seinshafte Mittelung des göttlichen Lebens.453
5.4 Ausblick
Drei grundlegende Kirchenbilder legt Casel in seinem ekklesiologischen Entwurf vor, die er allesamt biblisch und von den Kirchenvätern inspiriert herleitet. Kirche als Leib Christi, Kirche als Jungfrau-Braut Christi und Kirche als Mutter. Letzteres ist personalisiert durch den Rückgriff auf Maria, die Mutter Christi. Alle Bilder zeigen die innere enge Verbindung von Ekklesia an Jesus Christus. Ob als Leib, Jungfrau-Braut oder Mutter ist Kirche in diesem Konzept nicht denkbar ohne die Verankerung und Begründung in Jesu Sein und Handeln. Erst aus ihm heraus gelangt Kirche zur Existenz. Die Ekklesiologie Casels gründet in der radikalen christozentrischen Ausrichtung der Theologie Casels. Er geht dabei so weit