Qualität in Pfarreien. Thomas Wienhardt
muss.
Es steht also nicht in Frage, dass auch eine Pfarrei gemanagt werden muss.
„In der Gemeinde besteht ein Großteil der Tätigkeiten von Pfarrerinnen und Pfarrern offensichtlich aus Management. Wenn sie das schon machen müssen, sollten sie dafür auch ausgebildet sein. Damit sie sich dann aber nicht in vielerlei verlieren, bedarf es der Mühe um eine geistliche Identität. Geschieht hier nicht eine Verortung des Engagements, werden Pfarrerinnen und Pfarrer den großen Spielraum ihrer Tätigkeit zufällig und beliebig füllen.“267
Es geht zum einen um die Frage, wie gut das gemacht wird. Dafür kann man sich viele Anregungen aus den Erfahrungen und Instrumenten des Managements holen, natürlich der Pfarreisituation angepasst, um das eigene Handeln in diesem Feld möglichst professionell angehen zu können. Zum anderen dient solches Management der Aufgabe der Pfarrei, und hier liegt die Aufgabe der Theologie, das Management sorgfältig einzusortieren, d. h., die Theologie gibt normative Handlungsleitlinien und, im Falle einer Pfarrei, auch Handlungsfelder (auch wenn im Konkreten manches mehr und manches weniger vorhanden sein muss) vor. Die Theologie gibt also dem Management einen Rahmen vor, innerhalb dessen es sich bewegen darf. Das gilt so auch für Unternehmen der Caritas, nur mit den Unterschieden, dass die Aufgaben einer Pfarrei noch in viel stärkeren Maß theologisch veranlasst sind und eine Pfarrei nicht in dieser Weise ein Unternehmen darstellt.268
Kirche ist keine Organisation wie jede andere. Kirche ist eine komplexe Organisation, sie geht also über den sichtbaren Teil wesentlich hinaus. Gerade in letzter Zeit wird immer wieder deutlich, wie wichtig es insbesondere im Bereich der Ressourcen ist, Verantwortung gezielt nach den Evangelium-gemäßen Vorstellungen zu managen, damit Kirche glaubwürdig bleibt und z. B. nicht der Vorwurf von Verschwendung von Steuergeldern formuliert werden kann. Dazu braucht es professionelle Strukturen und Instrumente. Diese Verantwortung für Kirche und damit eine zielgerichtete, auftragsgemäße und effiziente Organisation ist hilfreich. Dabei geht es nicht um Gewinnmaximierung, sondern um Erfüllung des Auftrags und die Frage, wie das heutzutage am besten geht - ohne damit Menschen zu instrumentalisieren, sondern, so Nitsche/Hilberath, vorhandene Mittel wie Paulus nicht beliebig vielmehr wirkungsvoll einzusetzen. Paulus ging in die Hafenstädte, d. h. in wichtige Zentren, um wichtige Knotenpunkte zu haben, von denen aus die Botschaft verbreitet werden konnte.269 Auch die Gleichnisse vom anvertrauten Geld (Mt 25,14-30) und den klugen Jungfrauen (Mt 25,1-13) fordern dazu auf, die eigenen Möglichkeiten gezielt zu nutzen. Der ängstliche Diener, der das Talent vergraben hat, wird dafür nicht belohnt. Die klugen Jungfrauen, die genügend Öl mitgenommen haben, können an der Hochzeitsfeier teilnehmen.270
Natürlich müssen trotzdem die grundsätzlichen Grenzen von Management und Marketing im NPO-Bereich beachtet werden:271
1. Unter starken Marktbedingungen, z. B. in Krankenhäusern, muss darauf geachtet werden, dass nicht nur leicht messbare Größen zur Steuerung herangezogen werden. Leicht messbar sind neben wirtschaftlichen Größen auch Werte wie Zimmergrößen oder Betreuungsschlüssel. Die individuelle Zuwendung ist viel schwieriger zu bewerten, ist aber gerade in einem kirchlichen Krankenhaus bedeutsam. Es liegt also in der Verantwortung der Führung, ein Spektrum an Beobachtungsgrößen zu haben und den einseitigen Blick auf leicht beobachtbare zu vermeiden bzw. Steuerung stets sinnvoll mit den Bedürfnissen der Betroffenen rückzukoppeln. An dieser Stelle kann eine zu hohe Gewichtung von „Effizienz“ gemessen an den falschen Maßstäben ein Problem werden. Die Ursache ist in den fehlenden alternativen Kriterien zu suchen, die für eine Organisation wie Kirche zentral wären und die ebenfalls etabliert werden müssen. Die Komplexität und der Auftrag einer Institution müssen sich hier abbilden.
2. NPOs wie auch die Kirche leben stark aus der intrinsischen Motivation ihrer Mitglieder. Ehrenamtliche engagieren sich gern im Rahmen ihrer Motive. Werden nun finanzielle Anreize für diese Personengruppe geschaffen, die an messbare Leistungen geknüpft sind, dann ist zu befürchten, dass dies Schaden anrichten könnte. Zwar mag es an einigen Stellen wünschenswert sein, dass die Mitarbeit Ehrenamtlicher sich stärker im Rahmen gemeinsamer Ziele bewegt, aber dazu sind wahrscheinlich Gespräche über Ziele oder direkte Vereinbarungen oder auch Berichtssysteme besser geeignet. Das muss Management im Raum der Kirche beachten. Evtl. sind diese Überlegungen auch bezüglich Hauptberuflicher zu bedenken. Die Möglichkeit der Einführung finanzieller Steuerungsmechanismen müsste demnach insgesamt einer näheren Betrachtung unterzogen werden, um negative Wirkungen zu vermeiden. Das gilt besonders für die Kirche, die auf die intrinsische Motivation der Mitglieder angewiesen ist.
Mit Garhammer ist darauf hinzuweisen, dass Management-Ansätze nicht dazu führen dürfen, den Blick auf die Organisation und deren Verwaltung zu konzentrieren. Trotzdem ist die Chance zu sehen, dass deren systematischer Blick hilfreich sein kann, unklare Abläufe oder Organisationsstrukturen wieder im Sinne des kirchlichen Auftrags effizient zu gestalten. Gerade für eine Neuorientierung mit Zielen und operativer Umsetzung sind Management-Ansätze sehr gut geeignet und können für ein systematisches Vorgehen sorgen. Das ist in Zeiten der Weiterentwicklung hilfreich.272
Kein Automatismus!
Ein Missverständnis wäre es, TQM und speziell EFQM als eine Technik wahrzunehmen, die man nur wie eine Maschine einsetzen müsste, damit am Ende das gewünschte Ergebnis produziert wird. Das ist Qualitätsmanagement nicht.
Schwarz verweist auf die Gefahren eines technokratischen aber auch (im anderen Extrem) spiritualistischen Denkmusters.273 Das System Kirche besteht v. a. aus Menschen. In einer solchen Organisation gelten keine Naturgesetze. EFQM ist kein Automat.
Stattdessen ist EFQM zunächst so etwas wie ein Kompass oder eine Sehhilfe. Die Anwender lernen erst einmal systematisch das Hinschauen und machen das zu einer Daueraufgabe in einer Organisation. Die Kriterien geben der Organisation Blickwinkel vor, mit Hilfe derer sie nacheinander alle Handlungsbereiche wahrnehmen kann und nichts vergessen wird. Ob man mit etwas zufrieden ist oder nicht, kann anhand der Ergebniskriterien beurteilt werden. Aufgrund der langjährigen Erfahrungen kann man mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen, dass sich ein verbessertes Handeln auch auswirkt. Das setzt aber langfristiges Denken voraus, außerdem muss die Qualität im System ein bestimmtes Maß erreicht haben. Zugleich gilt: Die Gesellschaft und die Menschen entwickeln sich stets fort, so dass sich auch Teilansätze im Qualitätsmanagement mit der Zeit fortentwickeln müssen. Es wird zwar auf begründete Zusammenhänge zwischen Befähiger- und Ergebnisfaktoren aufgebaut, aber es handelt sich dabei nicht um ein garantiertes Eintreten wie man es bei einer Maschine erwarten würde. Es handelt sich eher, mit Schwarz gesprochen, um ein „biotisches“ Entwicklungsmuster, bei dem man viel tun kann, um ein gutes Wachstum zu fördern, aber das das unmittelbare Wachsen an sich nicht beeinflussen kann.274
1.2.4 Anwendung
Damit sind kritische Punkte benannt und wichtige Abgrenzungen bzw. Begriffsverständnisse geklärt. Es erscheint möglich, mit den erwähnten Grenzlinien TQM als Hilfsmittel zur Gestaltung pfarreilicher Pastoral anzuwenden. Allerdings ist damit noch herauszuarbeiten, welche Kriterien (wie es EFQM für Unternehmen angibt) in den Pfarrgemeinden anwendbar sind. Was gute Qualität bedeutet, ist demnach noch offen. Es wird die Aufgabe der nachfolgenden Kapitel sein, dazu ein Fundament zu legen. Sicherlich wird das weitere Diskussionsprozesse in der Folge benötigen. Denn letztlich braucht es eine gemeinsame Auseinandersetzung, um zu klären, welche Kriterien sinnvolle Ankerpunkte darstellen.275
Im Folgenden