Toter Chef - guter Chef. Georg Langenhorst

Toter Chef - guter Chef - Georg Langenhorst


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ihr heraus. „Drei Beförderungen zum Studiendirektor gab es zu feiern, das heißt für die beförderten Kollegen: bis zu 450 Euro im Monat mehr auf dem Konto. Verbunden mit so genannten Funktionsstellen, also irgendeiner wichtigen Aufgabe in der Schulverwaltung oder Schulgestaltung neben dem Unterricht. Und in der Regel mit einer Stundenreduktion verbunden. Das bedeutet: Eine Verringerung der Deputatsstunden, also des Umfangs des zu haltenden Unterrichts. Da sind die älteren Kolleginnen und Kollegen richtig scharf drauf: weniger unterrichten! Komisch, ich möchte lieber nur unterrichten! Okay, das sieht man nach zwanzig Berufsjahren vielleicht ein bisschen anders. Vielleicht.“

      Nur kurz hielt sie inne und fuhr dann fort: „Vier neue Oberstudienräte gab es auch noch zu feiern, das ist aber eher eine normale Beförderung nach mehreren Jahren. Lohnt sich auch finanziell nicht so besonders. Und ist nicht automatisch mit einem veränderten Aufgabenfeld verbunden. Und eine, nein: zwei Verbeamtungen. Die ich mir ja auch wünschen würde …“ „Und was war daran nun seltsam?“, fiel ihr Bernd Kellert nun doch ins Wort. „Was hat das mit dem Mord zu tun?“

      „Nichts wahrscheinlich“, gab Verena Thiele zu, „aber mir wurde damals klar, dass Beförderung für die einen auch immer Nicht-Beförderung für andere bedeutet. Da gab es schon frustrierte Blicke, auch böse, eifersüchtige. Wenn ich es von heute aus bedenke: vielleicht sogar hasserfüllte. Das ist schön blöd: die einen feiern, und du sitzt wieder einmal mit leeren Händen da. Andere bekommen die Stelle, die du selbst nur zu gern übernommen hättest.“

      Wieder dachte sie nach: „Und alle wissen, dass der Chef mit seinen Beurteilungen natürlich ein wesentlicher Faktor dabei ist. Letztlich hängt vieles, wenn auch nicht alles von seiner Einschätzung ab. Dass sich da manche vor den Chefs groß aufspielen, kann man ja irgendwie nachvollziehen. Aber das muss doch für den Chef auch sehr unangenehm sein: Nie weißt du, ob jemand zu dir freundlich ist, weil er dich als Mensch meint, oder ob er nur auf Protegierung schielt. Da muss man dann wohl darüberstehen, schätze ich. Für mich wäre das nichts.“

      „Hasserfüllte Blicke, hast du gesagt“, hakte Bernd Kellert ein, der diese Mechanismen aus seinem Arbeitsfeld natürlich auch kannte. „Von wem? Kannst du dich an irgendjemanden konkret erinnern?“ Die Frage war Verena sichtlich unangenehm. Sollte sie jetzt irgendwelche Kollegen bloßstellen und verdächtig machen, wahrscheinlich völlig grundlos? „Hass, das Wort war vielleicht zu stark“, entgegnete sie ausweichend. „Und nein: Da war ich ja noch neu im Kollegium, kannte noch nicht so viele. Nein, ich habe da kein Gesicht ganz konkret vor Augen. Kein Name, sorry.“

      ‚Schade‘, dachte Kellert, hatte aber noch eine vermeintlich letzte Frage: „Und dieser Thomas Bedlinger …“ – „Torsten“, fiel ihm Thiele ins Wort. Irritiert und ein bisschen verärgert schaute Kellert zu seinem Mitarbeiter: „Was?“, fragte er unwirsch. „Torsten Bedlinger heißt der, nicht Thomas“, erklärte dieser. „Von mir aus, dann eben Torsten Bedlinger. Jedenfalls: Was hältst du von dem?“

      Verena grinste schief: „Ach, der Torsten! Ja, der fällt natürlich auf. Torsten und sein Toto.“ Kellert blickte völlig irritiert. Sie lachte auf: „Na, Torstens Toyota. ‚Toto‘, das sagen alle! Der Torsten ist irgendwie ein deutlich verspäteter Achtundsechziger, scheint mir. Aus der Zeit gefallen. Macht wohl einen grottenschlechten Unterricht. Gibt aber gute Noten, dann halten sich die Beschwerden der Eltern in Grenzen. Alle dürfen, nein müssen ihn duzen. ‚Hallo, ich bin der Torsten‘, so eben. Und der, der hat nun wirklich einen besonderen Blick für die Kolleginnen. Aber nicht auf uns, die jungen“, fügte sie mit einem begütigenden Blick auf ihren Mann hinzu. „Der ist eher in der Altersklasse ‚vierzig plus‘ unterwegs. Da gibt es ja einige alleinstehende Kolleginnen. Und da jagt er mit erstaunlichen Erfolgen, sagt man. Also, was ich so höre.“

      Ungläubig nahm Kellert diese Information auf. Was die Frauen an dem finden könnten, konnte er sich selbst in seinen kühnsten Phantasien nicht vorstellen. Wollte er aber auch nicht. Phantasie war sowieso nicht seine Stärke. „Aber, äh … das ist doch ein kirchliches Gymnasium, oder? Wie passt dieser Typ denn ausgerechnet da hinein?“

      „Staatliches Gymnasium in kirchlicher Trägerschaft, so heißt das offiziell“, korrigierte Verena Thiele. „Auch da sind die Lehrkräfte Staatsbeamte. Zumindest der überwiegende Teil. Und wenn du da einmal Teil des Systems bist, kann dich niemand so leicht daraus entfernen. Beamter ist Beamter. Wer sich Freiheiten herausnehmen will, hat breiten Spielraum. Leider, denke ich manchmal. Auch als Direktor wirst du so jemanden nicht einfach los. Wenn sich der Betreffende querstellt und nichts wirklich objektiv Belastendes gegen ihn vorliegt, ist er Teil der Schule. Und bleibt es auch.“

      „Doch, einen Weg gibt es natürlich“, verbesserte sie sich, nun selbst mit bitterem Grinsen. „Du kannst ihm als Chef so gute Beurteilungen schreiben, dass er sich damit wegbewerben kann. Auf irgendeine Planstelle mit höherer Besoldung an einer anderen Schule. Dann bist du ihn zwar los, aber eine andere Schule hat das Problem. So läuft das. Die Wege der Beförderung sind manchmal seltsam. Der einzige Ausweg führt nach oben …“

      Ihre rechte Hand zeigte in Richtung Zimmerdecke. „Deswegen stockt das wahrscheinlich mit deiner Beförderung, Dominik“, raunte Kellert in Richtung seines Mitarbeiters, dessen Wunsch nach offizieller Bestätigung und beruflichem Fortkommen er natürlich kannte. Und nach besten Kräften unterstützte. „Du bist einfach zu gut. Erst einmal müssen all die Flaschen entsorgt werden. Da hörst du es.“

      Dominik Thiele grinste säuerlich. „Ach deswegen, alles klar. Endlich kapiere ich, wie der Hase läuft. Dann werde ich mich ab jetzt einfach mal ganz blöd anstellen, oder?“ „Bloß nicht!“, entgegnete Kellert. „Das wird schon noch, du brauchst einfach ein bisschen Geduld.“ Sein Mitarbeiter verzog das Gesicht und schwieg.

      Verena ergriff wieder das Wort, unglücklich darüber, das Thema aufgebracht zu haben. Sie wusste, dass das für ihren Mann ein heikles Terrain war. „Nein, da möchte man nicht unbedingt Chef sein, oder? Ich habe übrigens nicht die geringste Ahnung, wie das Verhältnis von Torsten zu unserem Chef, also Geißendörfner, war. Da hatte ich nun wirklich keinen Einblick. Aus dem ganzen religiösen Leben der Schule hält sich Torsten jedenfalls heraus. Aber da ist er nicht der Einzige. Gott sei Dank haben wir ein großes Kollegium. Mit vielen guten und richtig engagierten Leuten. Das hat sich auch heute bewährt. Doch, wir haben das gut gemacht. Den Umgang mit Schock und Trauer gut hinbekommen. Morgen soll wieder ganz normaler Unterricht stattfinden. Ich hoffe, dass das funktioniert.“

      Kellert hatte dem Wortgeplänkel des jungen Ehepaars geduldig zugehört, mischte sich jetzt aber doch noch einmal ein: „Du hast aber von drei Konflikten gesprochen, Verena“, erinnerte er sie. „Was war denn der dritte?“ Sie blickte ihn verwirrt an, schien den Gesprächsfaden verloren zu haben. Legte die Stirn in Falten, überlegte. Dann schlug sie sich sanft mit der rechten Hand gegen die Schläfe.

      „Ach so, ja! Das ist aber jetzt auch schon einige Monate her. Eine meiner Studienkolleginnen, die Kathrin, Kathrin Prestele, zu der hatte ich eigentlich gar keinen Kontakt mehr. Aber dann treffe ich sie hier überraschend an der Schule wieder. Die hat sich dazu entschlossen, zu promovieren, also in Theologie ihren Doktor zu machen. Beim Professor Brandtstätter von der Theologischen Fakultät.“

      „Den kennen wir ja noch“, knurrte Kellert. „Ganz gut sogar.“ In gleich zwei Fällen hatten er und Thiele mit Brandtstätter zu tun gehabt. „Und?“, fragte er in Richtung Verena nach. „Die Kathrin hat eine Arbeit über irgendein empirisches Thema geschrieben, also etwas mit Unterrichtsbeobachtungen, Fragebögen und so. Das genaue Thema weiß ich nicht mehr. Und diese Untersuchungen hat sie bei uns an der Schule gemacht. Das ist ja naheliegend: Da können Theologische Fakultät und Katholisches Gymnasium doch einmal Hand in Hand zusammenarbeiten. Man kennt sich, die Beziehungen sind ganz okay, die Wege kurz. Optimale Voraussetzungen.“

      „Aber?“, bohrte Kellert etwas ungeduldig nach. Er wartete immer noch auf die Schilderung des angedeuteten Konfliktes. Verena war seine zunehmende Ungeduld nicht entgangen. „Nun ja: Dann ist irgendetwas passiert, keine Ahnung, was. Jedenfalls hat der Direktor, also Geißendörfner, ihr dann verboten, ihre Untersuchungen bei uns zu Ende zu führen. Natürlich, als Chef konnte er das.“

      „Und was


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