"Chemin Neuf" in kirchenrechtlicher Sicht. Andreas Friedel


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der Ehepaare Daronnat und Guitton belegt, die im Jahre 1975 in die Kommunität eintraten.84 Unter den Mitgliedern der CCN-Lebensgemeinschaft waren auch zwei Seminaristen der Diözese Lyon, Pierre Laslandes und Jacques Monfort. Ihr Zugehörigkeitsgefühl zu CCN war so ausgeprägt, dass sie erwogen, das diözesane Priesterseminar zu verlassen. Eine nicht näher beschriebene Vereinbarung zwischen dem Lyoner Erzbischof und CCN führte zu einer Regelung, die es ihnen erlaubte, in der Diözese Lyon als Weltkleriker inkardiniert zu werden und gleichzeitig im engen Kontakt mit CCN zu bleiben.85

      Im September 1978, also fünf Jahre nach Beginn des gemeinsamen Lebens am Montée du Chemin Neuf, zählte die Gemeinschaft bereits 50 Mitglieder.86 Sie besaß drei Häuser, zwei in Lyon und ein Haus auf dem Anwesen „Les Pothières“ bei der Ortschaft Anse, rund 25 km nördlich von Lyon.87 In diesen drei Häusern wohnten ca. 20 CCN-Mitglieder in sogenannten Hausfraternitäten, das sind Kommunitäten, in denen die CCN-Mitglieder eine Lebensgemeinschaft führen.88 Die anderen 30 Mitglieder pflegten die Gemeinschaftsform der Stadtviertelfraternitäten, in der die Personen oder Familien ihren eigenen Hausstand beibehielten.89 Die Ausbreitung erfolgte nicht nach einer geplanten Strategie. Die rückblickenden Erzählungen von CCN-Mitgliedern betonen vielmehr, man habe sich der Fügung Gottes überlassen. Laurent Fabre verdeutlicht das mit einer Anekdote von einer Autopanne. Er sei mit seinem Wagen auf der Landstraße liegengeblieben. Das Benzin war ausgegangen. Die Tankwarte streikten. Ein Mann aus einer der umliegenden Ortschaften half ihm mit Kraftstoff aus. Fabre schildert, wie er mit dem Helfer ins Gespräch kam und ihm den Grund seiner Reise mitgeteilt habe. Er sei Priester und suche ein Haus. Der Helfer, mit den Lokalitäten vertraut, machte ihn auf ein leer stehendes Gebäude in der Umgebung aufmerksam. Bei der Besichtigung stellte es sich als vortrefflich geeignet für die Bedürfnisse von CCN heraus. Es konnte 120 Personen aufnehmen, war umgeben von einem angenehmen Park und war überdies nur eine halbe Fahrstunde von Lyon entfernt. Die Gemeinschaft verfügte jedoch nicht über das nötige Geld, um Haus und Grundstück zu erwerben. In dieser Situation kam ihnen eine weitere glückliche Fügung zu Hilfe. Eine nicht näher genannte Frau trug sich mit der Absicht, einen Teil ihres Vermögens der Kirche zu vermachen, und kaufte das Anwesen für CCN. Diese glückliche Verkettung von Umständen oder die Fügung Gottes, wie es Fabre betont, hätten den Weg gewiesen, nicht ein bestimmtes von der Gruppe erarbeitetes Konzept.90 Anfang der 80er Jahre wurden neue Häuser erworben oder der Gemeinschaft zur Nutzung überlassen, in Tigery und in Paris wurde ihnen die Leitung kirchlicher Studentenwohnheime übertragen.91

      Anfang der 80er Jahre wurden die ersten nicht-französischen Mitglieder in die Gemeinschaft aufgenommen, unter ihnen Polen und Deutsche.92 Die Kommunität knüpfte Kontakt in die Republik Kongo, wo 1984 eine Niederlassung gegründet wurde.93 Dreizehn Jahre nach der Gründung zählte die Kommunität 250 Erwachsene und ebenso viele Kinder, die durch die Mitgliedschaft ihrer Eltern im Umfeld oder in den Hausfraternitäten von CCN aufwuchsen.94

      Eine weitere Weichenstellung fiel in das Jahr 1986. Am Osterfest jenes Jahres gaben drei protestantische Christen im Beisein von Albert Kardinal Decourtray95 und einem Vertreter der reformierten Kirche Frankreichs, Pastor Jean-Marc Viollet, das Versprechen, sich auf Lebenszeit an CCN zu binden.96 Die Gemeinschaft wurde in den folgenden Jahren immer internationaler. Sie gründete Niederlassungen in der Schweiz und in Israel.97 Auf dem afrikanischen Kontintent gründete man zunächst eine Niederlassung in der Republik Kongo (Kongo-Brazzaville). Im Jahr 1988 ging die Kommunität auch in die Demokratischen Republik Kongo (Kongo-Kinshasa, damals Zaïre).98 Im Jahr 1993 zählte die Gemeinschaft 500 Mitglieder,99 1997 waren es bereits 700.100

      Die aktuellen Veröffentlichungen von CCN sprechen von 2.000 Mitgliedern,101 die in 30 verschiedenen Ländern102 Niederlassungen gebildet haben. Zur Gemeinschaft gehören rund 150 Priester und Seminaristen und etwa 150 ehelos lebende Frauen.103 Die große Mehrheit besteht aus verheirateten Paaren. Bei der Mitgliederzahl muss im Blick behalten werden, dass CCN unterschiedliche Grade von Zugehörigkeit kennt. Die Zahl von 2.000 Mitgliedern bezieht sich auf die Mitgliedschaft im inneren Kreis. Die Zahl von Personen, die in Untergruppen eingebunden sind oder für eine begrenzte Zeit mitwirken, ist wegen des unscharfen Mitgliedschaftsbegriffs schwer zu fassen. Sie wird mit etwa 12.000 Personen weltweit angegeben.104 Eine soziologische Studie der Mitgliederstruktur, die in Frankreich durchgeführt wurde, zeigt auf, dass CCN im überdurchschnittlichen Maß Akademiker und Intellektuelle anspricht. Viele CCN-Mitglieder und Sympathisanten der Kommunität stammen aus der gesellschaftlichen Mitte bzw. dem gehobenen Bürgertum.105

      Laurent Fabre hat auf dem 4. Generalkapitel der Kommunität, das im August 2016 in der ostfranzösischen Abtei Hautecombe tagte, im Alter von 75 Jahren sein Amt als oberster Leiter der Gemeinschaft abgegeben. Er stand der Gemeinschaft 43 Jahre vor. Zu seinem Nachfolger wurde François Michon (50) gewählt. Michon ist Priester des CCN-Klerikerinstituts. Er hat Sozialwissenschaften studiert und knapp zehn Jahre im Dienst der Kommunität in Afrika verbracht.106 Michon übernahm wie sein Vorgänger in Personalunion die Leitung des kirchlichen Vereins CCN und die Leitung des CCN-Klerikerinstituts. Auf dem Generalkapitel erreichte er bereits im ersten Wahlgang die nötige Stimmenmehrheit.107

      Die Gemeinschaft ist in Deutschland in Berlin und Bonn ansässig. Die Kommunität wurde, nach eigener Darstellung, im Jahr 1989 durch die in Berlin ansässigen Jesuiten eingeladen, eine Kana-Woche für Ehepaare zu organisieren. Aus diesen ersten Kontakten heraus erwuchsen Beziehungen zum Erzbistum Berlin, die 1992 zur Gründung einer Niederlassung der Gemeinschaft in der Pfarrei Maria-Magdalena in Berlin-Niederschönhausen führten.108 CCN wurde 1994 die katholische Pfarrgemeinde Herz-Jesu im Stadtteil Prenzlauer Berg anvertraut.109 In der Pfarrei St. Adalbert ist die Kommunität mit dem ökumenischen Zentrum „Net for God“ präsent.110 Diese Pfarrei gehört seit der Pfarrfusion 2003 zur Herz-Jesu-Pfarrei.

      Im Jahr 2006 übernahm CCN das Kloster der Christkönigschwestern in Berlin-Lankwitz. Das Kloster diente als ein Begegnungs- und Fortbildungszentrum für Einzelpersonen und Gruppen. Die Christkönigschwestern zogen sich aus Altersgründen in den Ruhestand zurück.111 Die Gemeinschaft führt das Ordenshaus weiterhin als Exerzitien- und Begegnungsstätte. Der Berliner Zweig besteht zurzeit aus einer Lebens- und einer Stadtviertelfraternität. Den beiden Berliner Fraternitäten gehören etwa 25 Personen an. Drei Viertel der Mitglieder sind katholische Christen.112

      Der Kontakt zum Erzbistum Köln ergab sich 2005 beim Weltjugendtag, an dem sich die CCN-Jugend beteiligte. Joachim Kardinal Meisner fragte nach Angaben von CCN die Gemeinschaft an, ob sie bereit sei, die Hochschulseelsorge in Bonn zu übernehmen. Durch das Einbeziehen geistlicher Gemeinschaften in die Seelsorge, so erläutert eine Veröffentlichung des Erzbistums, erhoffte sich der damalige Kölner Erzbischof neue Impulse für die Seelsorge.113 Der Personalwechsel in der Bonner Hochschulgemeinde fand zu Beginn des Wintersemesters 2007/2008 statt. Kritik äußerten die Konferenz für Katholische Hochschulpastoral in Deutschland (KHP) und Mitglieder der Hochschulgemeinde. Sie befürchteten, die spirituelle Vielfalt sowie politisch-gesellschaftliche Debatten in der Hochschulgemeinde könnten verloren gehen.114 Die Hochschulseelsorge wurde der Gemeinschaft vorerst befristet auf fünf Jahre übertragen.115 Pater Hasso Beyer von CCN wurde mit Wirkung vom 15. August 2007 zum Hochschulpfarrer an der Katholischen Hochschulgemeinde der Universität Bonn und der Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg ernannt.116 CCN zog in das Pfarrhaus der St. Remigius-Gemeinde ein, das sich auf dem Gelände der Hochschulgemeinde im Zentrum von Bonn befindet. Die Hausgemeinschaft besteht aus einer Schwester und einem Priester, zwei Singles und zwei Ehepaaren. Die beiden Ehepaare leben nicht im selben Haus. Trotzdem werden sie als Mitglieder der Hausgemeinschaft


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