"Chemin Neuf" in kirchenrechtlicher Sicht. Andreas Friedel
Die Ausbildung rechtlicher Strukturen
Alexandre-Charles Kardinal Renard von Lyon erkannte die Gemeinschaft 1981 als eine pia unio nach den Normen des CIC/1917 an. Unter einem frommen Verein verstand can. 707 § 1 CIC/1917 eine Vereinigung von Gläubigen zur Ausübung von Werken der Frömmigkeit und der Nächstenliebe. Der CIC/1917 kannte neben den piae uniones die Kategorien der Drittorden mit dem Zweck der inneren Vervollkommnung der Mitglieder und die Bruderschaften, bei denen das Augenmerk auf der Förderung des öffentlichen Kultes lag.118 Die Zuordnung zur Kategorie der piae uniones war für die Verantwortlichen der CCN und der Diözese das Naheliegende. Nach der Einführung des neuen kirchlichen Gesetzbuches von 1983 wurde CCN von Kardinal Decourtray am 20. April 1984 als öffentlicher Verein von Gläubigen approbiert.119 Der Päpstliche Rat für die Laien120 (PCL) listet CCN in seinem 2006 veröffentlichten Direktorium entsprechend.121 Die Konstitutionen des Vereins sind in Zusammenarbeit mit dem Kirchenrechtler Michel Dortel-Claudot erstellt worden.122 Laurent Fabre betont, man habe die Rechtsform eines öffentlichen Vereins angenommen, bzw. sei von Kardinal Decourtray als solcher errichtet worden, um die Entschlossenheit zur Übernahme pastoraler Aufgaben zu unterstreichen.123
Die Gemeinschaft hatte bald eine wachsende Zahl von Berufungen zum priesterlichen Dienst, die in einer institutionellen und rechtskonformen Weise in die Strukturen der Gemeinschaft integriert werden sollten. Zu diesem Zweck wurde ein klerikales Ordensinstitut diözesanen Rechts errichtet. Die Approbation erfolgte am 24. Juni 1992 durch Kardinal Decourtray.124 Hauptsitz des Ordensinstituts ist die Abtei Hautecombe. Das Klerikerinstitut wurde am 14. September 2009 von der Kongregation für die Institute des geweihten Lebens und für die Gemeinschaften des apostolischen Lebens als ein klerikales Ordensinstitut päpstlichen Rechts anerkannt.125 Die Approbation galt zunächst ad experimentum für fünf Jahre und wurde danach unbefristet verlängert.126 Staatlicherseits bemüht sich der kirchliche Verein CCN, nach eigenen Aussagen, um eine Anerkennung, die je nach Gesetzgebung von Land zu Land unterschiedlich aussehen kann. Im Gründungsland Frankreich ist die Gemeinschaft durch einen Erlass des Innenministeriums vom 23. Juli 1993 als eine religiöse Kongregation anerkannt, mit dem Hauptsitz am Montée du Chemin Neuf 49 in Lyon.127 In Deutschland hat CCN die staatliche Rechtsform eines eingetragenen Vereins (e. V.) gewählt. 1994 wurde die Vereinssatzung vom Amtsgericht Berlin-Charlottenburg angenommen.128 Als Vereinsziel nennt die bürgerliche Satzung an vorderer Stelle in § 2, der Verein wolle seinen Mitgliedern die „Führung eines Lebens […] ermöglichen, das den Richtlinien des Evangeliums entspricht“.129 Als weitere Vereinszwecke werden zum Beispiel die christliche Familienarbeit, Glaubensseminare, christliche Jugendarbeit, und die Unterstützung von Projekten in der Dritten Welt benannt. Nach § 3 der Satzung verfolgt der Verein ausschließlich gemeinnützige und mildtätige Zwecke.130
7 Die Zeitschrift Tychique erschien bis März 2003 zweimonatig. Verlagsort war die Zentrale des Chemin Neuf in der rue Henri IV in Lyon. Als Direktor und Herausgeber wurde Laurent Fabre genannt (vgl. http://www.chemin-neuf.org/tychique/ [zit.: 24. Januar 2015]). Das Nachfolgemagazin FOI wird vom Chemin Neuf eigenen Medienverlag a.m.e. herausgegeben, der ebenfalls seinen Sitz in der rue Henri IV in Lyon hat. Die Abkürzung FOI ist aus den Anfangsbuchstaben von „Fratemité Oecuménique International“ gebildet. Das Akronym FOI ist zugleich ein Wortspiel. Die französische Vokabel „foi“ heißt auf Deutsch „Glaube“.
8 Vgl. THE CHEMIN NEUF COMMUNITY, Origins, 30–34; ISAAC/DELTHIL, Commencement, 16– 27.
9 Vgl. FABRE, Interview 1988, 177–191.
10 Vgl. COUTELLIER, Commencements, 3–5.
11 Ein Rückblick auf die Gründungszeit mit Anspruch auf historische Authentizität findet sich in der englischsprachigen Ausgabe des FOI 37/2013. Der Autor des Berichts wird, im Gegensatz zur üblichen Praxis im FOI, nicht namentlich genannt (vgl. THE CHEMIN NEUF COMMUNITY, Origins, 30–34).
12 Vgl. WATSON, Life, 27–51.
13 Vgl. HÉBRARD, Disciples (1); DIES., Disciples (2); DIES., Charismatiques.
14 Vgl. LANDRON, Communautés; DERS., Apostolat, 113–130.
15 Vgl. GMELCH, Gott.
16 Die Terminologie für die neuen Formen von Vereinigungen von Gläubigen ist uneinheitlich (vgl. dazu Kapitel 5). In dieser Arbeit wird das Begriffspaar „geistliche Gemeinschaften und Bewegungen“ – GGB bevorzugt.
17 Die lebensgeschichtlichen Daten des Gründers Laurent Fabre finden sich in einer im Fußnotenbereich nachgestellten Kurzbiographie zu einem Artikel der theologischen Zeitschrift Concilium und in einem Buch von Pascal und Marie-Annick Pingault (vgl. COMBET/FABRE, Pfingstbewegung, 692; PINGAULT/PINGAULT, Rencontre, 230).
18 Vgl. HÉBRARD, Disciples (2), 42.
19 Vgl. FABRE, Dimension, 16-17.
20 „En 1971, j’étais en faculté de théologie à Lyon sur la colline de Fourvière, je me préparais à être prêtre et terminais ma formation de jésuite (dix années). Un jour, nous étions dans un oratoire à quelques-uns en train de prier quand l’un de nous, Mike, un jésuite américain, se mit à prier à voix haute d’une curieuse manière, dans un langage incompréhensible. Cette courte intervention suffit à me mettre mal à l’aise, et comme j’étais marqué à l’époque par des études de psychologie, je concluaisque Mike avait besoin d’aide. Quelque temps après j’allai, plein de sollicitude, frapper à sa porte et lui demandai des explications sur ces groupes de prière qui se développaient aux États-Unis, sur sa manière de prier, etc. Un long échange m’incita à réfléchir davantage et à partir de ce moment avec un autre jésuite, Bertrand Lepesant, nous prenions du temps pour recueillir des informations sur ce que la presse commençait à nommer le ‚Renouveau charismatique‘ aux États-Unis.“ (FABRE, Interview, 178).
21 Vgl. FABRE, Interview, 178.
22 Vgl. LANDRON, Communautés, 219.
23 Vgl. FABRE, Interview, 179.
24 Die J.O.C. – Jeunesse ouvrière chrétienne – ist eine Vereinigung junger Christen, die 1925 von Joseph Cardijn gegründet wurde und mit der Katholischen Aktion in Verbindung stand (vgl. HARNER, Arbeiterjugend, 1141–1142).
25 Bei der Parti socialiste unifié handelte es sich um eine im Jahr 1960 in Frankreich gegründete Partei, die sozialdemokratischem Gedankengut nahe stand. Ihre Mitglieder rekrutierten sich hauptsächlich aus Intellektuellenkreisen. In den Wahlen konnte die P.S.U. nie über 5 % der Stimmen erringen. 1989 löste sie sich selbst auf (vgl. Grand Dictionnaire Encyclopédique Larousse, socialiste unifié [partie], 9649).
26 Vgl. GMELCH, Gott, 132.
27 Die Episkopalkirche ist ein Zweig der anglikanischen Kirche in den USA. Die Gründung geht auf englische Kolonialisten zurück. Nach anfänglicher Abhängigkeit löste sich 1785 die Episkopalkirche von der anglikanischen Kirche Englands ab. Sie ist über ganz Amerika verbreitet (vgl. SCHÜTTE, Episkopalkirche, 728–729).
28 Vgl. FABRE, Interview, 179; WATSON, Life, 39; FABRE, Dimension, 16–17; COUTELLIER, Commencements, 3.
29 Peter Hocken beschreibt die Taufe im Heiligen Geist, die von dem kirchlichen Sakrament der Taufe zu unterscheiden ist, als eine Umwandlung. Jede Taufe im Heiligen Geist ist persönlicher Art, wird aber von den meisten übereinstimmend als eine überwältigende Erfahrung beschrieben, die zu radikalen Veränderungen im Leben des Geistgetauften führt (vgl. HOCKEN, Herr, 35).
30 Vgl. HÉBRARD, Disciples (2), 43.
31 Vgl. ebd.; vgl. COUTELLIER, Commencements, 3.
32 Vgl. COUTELLIER, Commencements, 3.
33 Vgl.