Beziehungswirklichkeit im Personalmanagement des christlichen Krankenhauses - Proprium und strategischer Erfolgsfaktor. Wolfgang Schell
wünschenswert. Zudem soll der zu wählende Ansatz grundsätzlich offen sein für die Begegnung und inhaltliche Prägung mit der „Strategie Christliches Profil“ – mithin soll also auch die strategische Ausrichtung des Personalmanagements ausreichende Beachtung finden.39
Ein personalwirtschaftliches Modell, das sich unter Beachtung dieser Kriterien anbietet, ist der Ansatz des Strategischen Human Resource Managements (SHRM)40 des Mannheimer Personalwirtschaftsprofessors Walter A. OECHSLER. Mit dem SHRM-Ansatz wird ein aktueller personalwirtschaftlicher Theorieansatz aufgegriffen, der zudem konkret anwendbar ist für den Krankenhausbereich. Stärker als in anderen personalwirtschaftlichen Konzeptionen steht hier der Mensch mit seinen Fertigkeiten und Fähigkeiten als „strategischer Erfolgsfaktor“ im Zentrum der Überlegungen. Ferner berücksichtigt das SHRM die strategische Ausrichtung eines Unternehmens und verbindet strategische, strukturelle und personalwirtschaftliche Aspekte in einer integrativen Gesamtsicht. Es handelt sich hierbei um einen Ansatz aus dem Bereich des Strategischen Managements, das heute „zum dominierenden Problemlösungsansatz in Wissenschaft und Praxis“41 geworden ist. Das strategiegeleitete, ganzheitliche Grundverständnis des SHRM bindet das Personalmanagement in eine unternehmerische Gesamtperspektive ein. Dadurch wird auch die systematische Darstellung beziehungsrelevanter Themen im Bereich der Personalwirtschaft erleichtert und um unternehmensstrategische Aspekte ergänzt. Gleichzeitig zeigt sich der Ansatz des SHRM offen für die im Kontext dieser Arbeit verfolgte theologische Fragestellung. Die Strategieentscheidung, die mit prägend ist für die Ausgestaltung des SHRM, kann für den konkreten Anwendungsbereich des christlichen Krankenhauses gefüllt werden mit der Strategieentscheidung „christliches Profil“. Der SHRM-Ansatz ist also offen für die strategische Ausrichtung eines Krankenhauses auf sein christliches Proprium hin.
In einem weiteren Schritt möchte die vorliegende Arbeit die Beziehungswirklichkeit der im christlichen Krankenhaus arbeitenden Menschen auf ihren theologischen Grund hin beleuchten. Auch für eine solche theologische Erarbeitung wären verschiedenste Wege und Ansätze denkbar, so dass im Rahmen der vorliegenden Arbeit eine Schwerpunktsetzung notwendig ist. Glückende menschliche Beziehungen gründen nach christlicher Auffassung letztlich in Gott, der in sich selbst gelebte Beziehung ist. Die christliche Gottesvorstellung, die Trinitätslehre, ist Angelpunkt und inhaltlicher Ausgangspunkt menschlicher Beziehungen – auch konkret innerhalb des christlichen Krankenhauses im Umgang mit den Mitarbeitern und der Mitarbeiter untereinander. Um die Rede von der Beziehungswirklichkeit theologisch zu fundieren, bietet sich daher eine trinitätstheologische Reflexion als ein gangbarer Weg an.42 Im dreifaltigen Gott zeigt sich, was Beziehung und Beziehungswirklichkeit im Tiefsten bedeutet. Aktuell verweist gerade auch die Enzyklika „Deus caritas est“ von Papst BENEDIKT XVI. auf die trinitätstheologische Basis caritativer Diakonie, wenn dort das „Liebestun der Kirche als Ausdruck der trinitarischen Liebe“ (DCE Überschrift 2. Teil, Hervorhebung W.S.) bezeichnet wird. Die innergöttliche trinitarische Beziehungswirklichkeit kann in eine struktur-analoge Verbindung gesetzt werden zur Beziehung Gottes zu den Menschen und zu den Beziehungen der Menschen untereinander. Die Möglichkeit solch einer analogen Verknüpfung betont die Pastorale Konstitution über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes“ des II. Vatikanischen Konzils: „Ja, wenn der Herr Jesus zum Vater betet, ‘dass alle eins seien … wie auch wir eins sind’ (Joh 17,20–22), und damit Horizonte aufreißt, die der menschlichen Vernunft unerreichbar sind, legt er eine gewisse Ähnlichkeit nahe zwischen der Einheit der göttlichen Personen und der Einheit der Kinder Gottes in der Wahrheit und der Liebe.“ (GS 24).43 Eindringlich forderte beispielsweise auch Klaus HEMMERLE, die Verbindung zwischen Trinitätstheologie und menschlichem Leben in Beziehung zu vertiefen: „Was hat das Dogma der Trinität mit lebendigen Beziehungen zu tun? Nicht selten begegne ich noch dem Eindruck, das Geheimnis der Trinität wäre das Privileg der Theologen und derer, die sich mit schwierigen Begriffen gut auskennen. Ich bin jedoch überzeugt, dass die Botschaft von der Trinität eine Grundbotschaft für alle ist. Denn vom dreifaltigen Gott her lässt sich eine Antwort ertasten, wie heute Leben geht. So kann Trinität Leben und trinitarisches Leben Botschaft werden.“44 Die Frage nach der Beziehungswirklichkeit soll in der vorliegenden Arbeit demgemäß trinitätstheologisch vertieft und verortet werden – Hinweise zu einer trinitarisch fundierten Beziehungswirklichkeit sollen das Ergebnis sein.
Diese trinitätstheologische Aufarbeitung der Thematik stellt dabei zugleich eine Neuerung dar, die bisherige Forschungen ergänzen kann. Die Thematik der Beziehungswirklichkeit wird z.B. nicht nur rein christologisch aufgegriffen. Vielmehr steht die trinitarische und damit – mit Blick auf das Wirken des Heiligen Geistes – auch besonders die pneumatologische Prägung der Beziehungswirklichkeit stärker im Vordergrund. Dadurch wird zugleich dem Impuls des II. Vatikanischen Konzils Rechnung getragen, der die Dreifaltigkeit stärker in die Mitte der Theologie rückt: „Der dreifaltige Gott darf nicht länger bloß als Ursprung und Ziel von Kirche und Welt gedeutet werden, auch nicht bloß als Urbild, das wie eine ferne Parallele über Kirche und Welt schwebt. Vielmehr muss das innere Leben des dreifaltigen Gottes in seiner alle kirchlichen, menschlichen und welthaften Vollzüge prägenden und diese in sich einbeziehenden Dynamik offenkundig werden. Die zentrale Frage lautet: Wie lebt Gott sein ureigenes dreifaltiges Leben in allen Geschöpfen, zuhöchst in der Kirche, und das nicht nur vertikal in der Beziehung oben – unten, sondern auch horizontal in der welthaften und in der kirchlichen Interaktion? […] Wie kann die menschliche Gemeinschaft zum Bild und Nachvollzug der Dreifaltigkeit werden?“45
Auch für die trinitätstheologische Erarbeitung der Beziehungswirklichkeit setzt die vorliegende Arbeit einen weiteren Fokus und stützt sich primär auf Schriften eines ausgewählten trinitätstheologischen Autors. Das theologische Werk Joseph RATZINGERS/BENEDIKTS XVI. erscheint hier geeignet – zum einen durchzieht die Beziehungsthematik samt ihrer trinitätstheologischen Implikationen das gesamte Werk RATZINGERS; zum anderen deckt der Bezug auf die Theologie Joseph RATZINGERS zugleich interessante Verbindungen auf zwischen der aktuellen Enzyklika „Deus caritas est“ und zentralen theologischen Leitlinien ihres Autors.46
37 Solche praktisch-theologischen Korrelationen sind unter dem Vorbehalt der struktur-analogen Erarbeitung möglich, die sich stets der bleibenden Unähnlichkeit der Vergleichspunkte gewahr bleibt. Keinesfalls werden aus der Trinitätstheologie direkte Praxisableitungen für die BWL gezogen. Ergänzend und beispielhaft für eine weitere Verknüpfung von Trinitätslehre und Humanwissenschaft sei auf die Korrelation von Trinitätstheologie und Themenzentrierter Interaktion (TZI) verwiesen, die in der Methode der tiefenpsychologisch fundierten Themenzentrierten Interaktion (tf TZI) nach Ruth SEUBERT zum Ausdruck kommt: Ruth SEUBERT, Schülerin der TZI-Begründerin Ruth C. COHN, hat die Themenzentrierte Interaktion in den wissenschaftlichen Zusammenhang der Phänomenologie gestellt und unter dem Einfluss der theologischen Anthropologie und trinitätstheologischen Ontologie von Klaus HEMMERLE und der Existenzanalyse von Victor FRANKL tiefenpsychologisch begründet. Vgl. dazu: SEUBERT, Ruth: Themenzentrierte Interaktion. In: FENGLER, Jörg (Hrsg.): Handbuch der Suchtbehandlung : Beratung – Therapie – Prävention. Landsberg/Lech : ecomed, 2002, S. 546-554; vgl. hierzu auch die Internetpräsenz des von Ruth Seuberth gegründeten „Instituts Simone Weil – Lehrhaus für Psychologie und Spiritualität“ unter „www.lehrhaus.de“ (download 15.05.2010), vgl. zum Strukturmodell der tf TZI auch Fn. 426, S. 174.
38 Im Bereich des deutschsprachigen Personalwissenschaft böten sich hier verschiedene systematisierende und zumeist in Lehrbuchform aufbereitete Darstellungen des Personalmanagements an, wie z.B. bei: DRUMM, Hans Jürgen: Personalwirtschaft. 5. überarb. und erw. Aufl., Berlin : Springer, 2005; JUNG, Hans: Personalwirtschaft. 6. überarb. Aufl., München : Oldenbourg, 2005; OECHSLER, Walter A.: Personal und Arbeit : Grundlagen des Human Resource Management und der Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen. 8., grundlegend überarb. Aufl., München, Wien : Oldenbourg, 2006; OLFERT, Klaus (Hrsg.): Personalwirtschaft, 10., völlig überarb. und erw. Aufl., Ludwigshafen : Kiehl, 2003; SCHOLZ, Christian: Personalmanagement. 5. überarb. und erw. Aufl., München : Vahlen, 2000.
39 Des Weiteren könnte sich eine Erarbeitung der Relevanz von Beziehungswirklichkeit in den Wirtschaftwissenschaften