Beziehungswirklichkeit im Personalmanagement des christlichen Krankenhauses - Proprium und strategischer Erfolgsfaktor. Wolfgang Schell
und des Mitbestimmungsrechtes kennt.18
Als Lebens- und Wesensäußerung der Kirche wird ein christliches Krankenhaus schon aus seinem Selbstverständnis heraus bemüht sein, ein spezifisches Profil auszubilden bzw. zu erhalten. Dieses christliche Profil zeigt sich in konkreten Unterscheidungsmerkmalen, durch die sich ein christliches Krankenhaus von Häusern in staatlicher oder privater Trägerschaft absetzt und durch die „das kirchliche Liebeshandeln seine volle Leuchtkraft behält und nicht einfach als eine Variante im allgemeinen Wohlfahrtswesen aufgeht“ (DCE 31). Darüber hinaus ist aber auch vom rechtlichen Sonderstatus kirchlicher Diakonie her eine eindeutige Profilbildung kirchlicher Sozialeinrichtungen notwendig. Der im deutschen Grundgesetz verankerte „Dritte Weg“ ist gebunden an eine eindeutige Zuordnung der caritativen Einrichtungen zur Kirche und zum kirchlich-diakonischen Selbstverständnis – der religiöse Charakter muss demnach im christlichen Krankenhaus gelebt werden und erfahrbar sein. Voraussetzung für den „Dritten Weg“ als „Sonderweg ist, dass das spezifisch religiöse Profil der Caritas tatsächlich praktiziert wird“19. Das christliche Krankenhaus ist auch von dieser Seite her aufgefordert, sein Proprium als Lebens- und Wesensäußerung der Kirche zu bewahren und lebendig zu halten. Kann das christliche Proprium nicht (mehr) nachgewiesen werden, kann ein christliches Krankenhaus Gefahr laufen, den Status des Dritten Weges zu verlieren.20
Auf diesem Hintergrund wird deutlich, wie wichtig die Frage nach dem Proprium christlicher Krankenhäuser heute ist. Eine stärker christlich profilierte Caritas, die nicht den Versuchungen einer „Anpassungspastoral und Anpassungscaritas“21 nachgibt, erscheint als dringlich notwendig. Die Leitbildprozesse und Qualitätsoffensiven der vergangenen Jahre haben hier nicht immer zu den gewünschten Veränderungen und zu einer spürbaren Stärkung des christlichen Propriums geführt. Zu groß ist oftmals die Gefahr, dass christliche Leitbildformulierungen schön gerahmt die Flure eines Krankenhauses zieren und Qualitätsmanagement-Handbüchern mit Verweisen zur Christlichkeit und Spiritualität einer Klinik im Regal verstauben – die Umsetzung solcher Schriften in die Praxis gelebter Caritas stellt oftmals ein Problem dar. Der christliche Anspruch einer Einrichtung findet so möglicherweise seinen Niederschlag in Papierform – im Alltag eines Krankenhauses fehlt es aber an der Verlebendigung und „Verflüssigung“ des schriftlich fixierten christlichen Propriums.
Für die weitere Herangehensweise an die Propriumsfrage wählt die vorliegende Arbeit einen spezifischen, zweifachen Zugang – sowohl wirtschaftswissenschaftliche als auch theologische Erarbeitungslinien werden mit dem Fokus auf das christliche Profil eines Krankenhauses zusammengeführt. Dabei wird die grundlegende Hypothese vertreten, dass das Proprium eines christlichen Krankenhauses festgemacht werden kann an der Beziehungswirklichkeit der im Krankenhaus interagierenden Menschen. Auf der Beziehungsebene wird christlicher Geist spürbar und erfahrbar – oder aber auch nicht! In den alltäglichen Begegnungen mit Ärzten, Pflegekräften, Seelsorgern und Verwaltungsmitarbeitern entscheidet es sich für Patienten und Angehörige, ob sie ein Krankenhaus als christliches Haus erleben. Entscheidende Voraussetzung dafür ist, dass schon auf der Ebene der Mitarbeiter die Beziehungsdimension berücksichtigt wird. So sollen im Mittelpunkt des Forschungsinteresses das Beziehungsgeschehen der Mitarbeiter untereinander und die Beziehungen zu Vorgesetzten und Krankenhausträger stehen. Damit tritt das Personalmanagement im christlichen Krankenhaus in den Fokus der weiteren Erarbeitung.
Das forschungsleitende Interesse der vorliegenden Arbeit zielt darauf hin, das Proprium des christlichen Krankenhauses erkennbarer und greifbarer zu machen. Notwendig erscheint solche Forschung sowohl mit Hinblick auf die Identitätsfrage christlicher Krankenhäuser als auch mit Verweis auf die rechtlichen Erfordernisse zur Sicherung des Dritten Weges. Für die Verantwortlichen im christlichen Krankenhaus soll eine mögliche Korrelation zwischen Personalmanagement und christlichem Anspruch dargelegt und verdeutlicht werden. Den Verantwortungsträgern für die caritativen Dienste der Kirche können sich so Inspirationen aufzeigen für die Gestaltung einer – auch innerkirchlich immer wieder hinterfragten – christlichen Lebens-„Wirk“-lichkeit eines christlichen Krankenhauses. Zur näheren Untersuchung der Beziehungswirklichkeit im Personalmanagement des christlichen Krankenhauses will die vorliegende Arbeit wirtschaftswissenschaftliche und theologische Aspekte zur Beziehungsrealität mit einbeziehen. So kann sich dann zeigen, ob und wie eine christlich gestaltete Beziehungswirklichkeit das Proprium eines christlichen Krankenhauses stärken und zugleich zu einem strategischen Erfolgsfaktor, zu einem entscheidenden Unterscheidungsmerkmal im Wettbewerb, werden kann.
3 Vgl. zur historischen Entwicklung der kirchlichen Krankensorge: GÄRTNER, Heribert W.: Zwischen Management und Nächstenliebe, S. 88-100.
4 Vgl. auch: SEKRETARIAT DER DEUTSCHEN BISCHOFSKONFERENZ (Hrsg.): Berufen zur Caritas. Bonn, 2009 (Die deutschen Bischöfe 91); SEKRETARIAT DER DEUTSCHEN BISCHOFSKONFERENZ (Hrsg.): Caritas als Lebensvollzug der Kirche und als verbandliches Engagement in Kirche und Gesellschaft. Bonn, 1999 (Die deutschen Bischöfe 64).
5 Der Text der Enzyklika kann bezogen werden beim Sekretariat der deutschen Bischofskonferenz, Kaiserstraße 161, 53113 Bonn oder kann über „www.dbk.de/schriften/verlautbarungen der weltkirche“ herunter geladen werden.
6 Vgl. die umfangreiche Literatur zur „Propriumsfrage“, z.B.: FISCHER, Michael: Das konfessionelle Krankenhaus : Begründung und Gestaltung aus theologischer und unternehmerischer Perspektive. Münster : LIT Verlag, 2009; GEISEN, Richard; MÜHLBAUER, Bernd H. (Hrsg.): Patient katholisches Krankenhaus? : Welches Relativgewicht hat Christlichkeit im DRG-Zeitalter?. Münster : LIT Verlag, 2003; GÄRTNER, Heribert W.: Zwischen Management und Nächstenliebe : Zur Identität des kirchlichen Krankenhauses. 2. Aufl., Mainz : Grünewald, 1995; BURRE, Athanasius; KETTERN, Bernd (Hrsg.): Katholisches Krankenhaus heute? Zur Zukunft der Krankenhäuser in freigemeinnütziger Trägerschaft. Paderborn : Bonifatius, 1994; KESSELS, Johannes; KLEIN, Franz u.a. (Hrsg.): Die Gestalt des katholischen Krankenhauses : Beiträge zur Grundordnung eines Katholischen Krankenhauses. Freiburg : o. Verlagsangabe, 1981.
7 Vgl. aktuell z.B. die Darstellung des Profils katholischer Kindertageseinrichtungen in Deutschland in: SEKRETARIAT DER DEUTSCHEN BISCHOFSKONFERENZ (Hrsg.): Welt entdecken, Glauben leben : Zum Bildungs- und Erziehungsauftrag katholischer Kindertageseinrichtungen. Bonn, 2009 (Die deutschen Bischöfe 89).
8 Vgl. exemplarisch die gerade für den Bereich christlicher Krankenhäuser interessanten Praxisbeispiele in: OEHLSCHLÄGER, Rainer; BRÜLL, Hans-Martin (Hrsg.): Unternehmen Barmherzigkeit : Identität und Wandel sozialer Dienstleistung : Rahmenbedingungen – Perspektiven – Praxisbeispiele. Baden-Baden : Nomos, 1996, S. 81-138.
9 Vgl. beispielhaft: RIER, Angela (Hrsg.): Qualität durch Werte : proCum Cert inklusive KTQ. ku-Sonderheft 4/2003, Kulmbach : Baumann, 2003; HADERLEIN, Ralf: Wertorientiertes Qualitätsmanagement in caritativ-diakonischen Einrichtungen der katholischen Kirche : Eine empirische Studie zur Kriterienforschung bei wertorientierten Qualitätsmanagementkonzepten. Würzburg : Echter, 2003 (Studien zur Theologie und Praxis der Caritas und Sozialen Pastoral Bd. 22)
10 POMPEY, Heinrich: Zur Neuprofilierung der caritativen Diakonie der Kirche : Die Caritas-Enzyklika „Deus caritas est“ : Kommentar und Auswertung. Würzburg : Echter, 2007, S. 24.
11 Darüber hinaus steht eine Strategiewahl im Sinne eines christlichen Profils auch Krankenhäusern in öffentlicher oder privater Trägerschaft offen – die Strategiewahl ließe sich dann nicht direkt von der Trägerschaft her begründen, sondern beispielsweise durch die regionale Einbindung, die spezielle Tradition eines Hauses oder durch die starke Prägung durch einzelne Mitarbeiter.
12 Vgl.: BURRE, Athanasius; KETTERN, Bernd (Hrsg.): Katholisches Krankenhaus heute?, S. 16.
13 Vgl.: GEISEN, Richard; MÜHLBAUER, Bernd H. (Hrsg.): Patient katholisches Krankenhaus?, S. 62f.
14 BVerfGE 24, 236 (246) (1968); Vgl. auch: Vgl.: HADERLEIN, Ralf: Der Dritte Weg : Die Besonderheit kirchlicher Träger. In: TPS