Beziehungswirklichkeit im Personalmanagement des christlichen Krankenhauses - Proprium und strategischer Erfolgsfaktor. Wolfgang Schell
um menschlich zu sein und zu bleiben.“31
Demgemäß ist eine undifferenzierte Marktanpassung caritativer Diakonie nicht denkbar – denn Liebe, gerade auch in der Form christlicher Nächstenliebe, lässt sich nicht in rein ökonomischen Kategorien erfassen. Ein verantwortetes wirtschaftliches Handeln der Caritas/Diakonie, das sich der relativen Autonomie der Ökonomie wertschätzend bewusst bleibt, ist jedoch unverzichtbar.32 Wirtschaftlichkeit und caritative Menschlichkeit schließen sich nicht aus. Vielmehr muss das Management eines christlichen Krankenhauses die Dimension „Christlichkeit“ genauso im Blick behalten wie die Dimension „Wirtschaftlichkeit“. Hierzu ist es notwendig, dass Theologen und Ökonomen zusammen in stetigem Dialog Ziele diskutieren und operationalisieren und dass so Nächstenliebe nicht nur gefordert, sondern auch im Betriebsprozess unterstützt und mittels moderner Managementinstrumente umgesetzt wird. Heute und in Zukunft kommt es für das christliche Krankenhaus darauf an, dass die Grundhaltung der Nächstenliebe zusammengebracht wird mit menschlichem Können, Fachlichkeit und Sachverstand, um damit die beiden Elemente kirchlicher Trägerschaft miteinander zu verbinden, die nur scheinbar Widersprüche sind: religiöse Motivation und zeitgemäßes Management.
Zu betonen ist jedoch nochmals, dass Theologie und Ökonomie in dieser Betrachtungsweise nicht gänzlich gleichgewichtet nebeneinander stehen. Zwar ist ein gegenseitiges Voneinanderlernen möglich und notwendig. Die vorliegende Arbeit will gerade auf diese Punkte ein besonderes Augenmerk legen. Der theologische Anspruch jedoch bleibt im Diskurs mit der Ökonomie immer als normativer Anhaltspunkt bestehen. Theologisch fundierte Inhalte, Werte und Ziele bilden die Grundlage christlichen Handelns – auch im christlichen Krankenhaus. Das wirtschaftliche Arbeiten in der christlichen Klinik muss sich an diesen Grundwerten ausrichten. In der caritativen Diakonie der Kirche hat sich Ökonomie – im Sinne einer relativen Autonomie des Kultursachbereiches Wirtschaft – theologisch zu verantworten.33 So ergeben sich im Zueinander von Theologie und Ökonomie auch Grenzen und bleibende Unterscheidungspunkte, auf die in der späteren Erarbeitung gesondert einzugehen sein wird.
22 Eine Grundsatzfrage, der hier nur in Hinweisen nachgegangen werden kann. Vgl. dazu: HAASS, Hanns-Stephan: Theologie und Ökonomie : Ein Beitrag zu einem diakonierelevanten Diskurs. Gütersloh : Gütersloher Verlagshaus, 2006; POMPEY, Heinrich (Hrsg.): Caritas im Spannungsfeld von Wirtschaftlichkeit und Menschlichkeit. Würzburg : Echter, 1997; QUASDORFF, Rolf-Gunter: Wie Diakonieunternehmen erfolgreich am Markt bestehen können : Betriebswirtschaftliche Handlungsweisen als Herausforderung für Kirche und Diakonie. Neukirchen-Vluyn : Neukirchener Verlag, 2005; FLEßA, Steffen; STÄDTLER-MACH, Barbara (Hrsg.): Konkurs der Nächstenliebe? : Diakonie zwischen Auftrag und Wirtschaftlichkeit. Göttingen : Vandenhoeck und Ruprecht, 2001; OEHLSCHLÄGER, Rainer; BRÜLL, Hans-Martin (Hrsg.): Unternehmen Barmherzigkeit.
23 Vgl. zur Autonomie der irdischen Wirklichkeiten auch: LOSINGER, Anton: Der soziale Lehrauftrag der Kirche. In: RAUSCHER, Anton (Hrsg.): Handbuch der Katholischen Soziallehre. Berlin : Duncker & Humblot, 2008, S. 93-101
24 LOSINGER, Anton: Der soziale Lehrauftrag der Kirche, S. 97
25 SEKRETARIAT DER DEUTSCHEN BISCHOFSKONFERENZ (Hrsg.): Caritas als Lebensvollzug der Kirche und als verbandliches Engagement in Kirche und Gesellschaft, S. 15.
26 Vgl. zu diesem Zueinander und der darin zum Ausdruck kommenden Wertschätzung der weltlichen Autonomie auch nochmals „Gaudium et spes“: „Wenn auch derselbe Gott Schöpfer und Erlöser ist, Herr der Profangeschichte und der Heilsgeschichte, so wird doch in eben dieser göttlichen Ordnung die richtige Autonomie der Schöpfung und besonders des Menschen nicht nur nicht aufgehoben, sondern vielmehr in ihre eigene Würde eingesetzt und in ihr befestigt.“ (GS 41).
27 Vgl. ausführlicher zu diesem Analogieverständnis, v.a. zur „Struktur-Analogie“ und ihrer philosophischen Grundlegung in Bezugnahme auf Heinrich ROMBACH: POMPEY, Heinrich: Beziehungstheologie – Das Zueinander theologischer und psychologischer „Wirk“-lichkeiten und die biblischtheologische Kontextualisierung von Lebens- und Leidenserfahrungen. In: POMPEY, Heinrich (Hrsg.): Caritas – Das menschliche Gesicht des Glaubens : Ökumenische und internationale Anstöße einer Diakonietheologie. Würzburg : Echter, 1997 (Studien zur Theologie und Praxis der Caritas und Sozialen Pastoral Bd. 10), S. 92-127.
28 Ebd., S. 93f, Hervorhebungen im Original.
29 In der vorliegenden Arbeit wird daher das analoge Arbeiten, welches Korrelationen zwischen Wirtschaftswissenschaften und Theologie herstellt, im Sinne dieser „Struktur-Analogie“ nach ROMBACH/POMPEY verstanden. Alternativ wäre beispielsweise auch ein Zugang möglich gewesen, der die in dieser Arbeit zentrale Rede von der Beziehungswirklichkeit mit Rückgriff auf das Seins-Verständnis bei Klaus HEMMERLE verdeutlicht und auf diesem Weg einen Bezug zwischen Anthropologie und Theologie herstellt, vgl. dazu ergänzend Kap. I.4, S.35.
30 Das II. Vatikanische Konzil hat eindringlich die Pflicht der Kirche betont, „nach den Zeichen der Zeit zu forschen und sie im Licht des Evangeliums zu deuten“ (GS 4). Die Rede von den „Zeichen der Zeit“ entstammt aus der Theologie des französischen Missionstheologen Marie-Dominique CHENU (1895-1990), der die Vision einer Theologie und eines Glaubens entfaltete, „der mit der Zeit solidarisch ist“. Aus missionstheologischer Sicht kommt hier die Hochschätzung des theologischen Eigenwertes der Geschichte zum Ausdruck. Vgl. hierzu: BÜNKER, Arnd: Zwischen Scham und Charme – Theologische Vergewisserungen über Mission im weltkirchlichen Gespräch. In: KRANEMANN, Benedikt; PILVOUSEK, Josef; WIJLENS, Myriam (Hrsg.): Mission – Konzepte und Praxis der katholischen Kirche in Geschichte und Gegenwart. Würzburg : Echter, 2009, S. 11-28, v.a. S. 22-26. Eine solchermaßen der Geschichte zugewandte Theologie, wie sie hier von missionstheologischer Warte her deutlich wird, betont zugleich die Notwendigkeit und Legitimität theologischen Arbeitens, das die Geschichte und die Schöpfungswirklichkeit der Menschen aufgreift und mit der theologischen Reflexion verbindet – wie es in der vorliegenden Arbeit für das Zueinander von Theologie und Ökonomie angestrebt wird.
31 KLOSTERMANN, Siegfried: Management im kirchlichen Dienst : Über Sinn und Sorge kirchengemäßer Führungspraxis und Trägerschaft. Paderborn : Bonifatius, 1997, S. 129.
32 Es ist deutlich festzuhalten, dass der Ort wirtschaftlichen Handelns – der „Markt“ – in der Sozialenzyklika „Caritas in veritate“ positiv gewürdigt wird als Ort moralischen Handelns: „Die Soziallehre der Kirche ist der Ansicht, dass wahrhaft menschliche Beziehungen in Freundschaft und Gemeinschaft, Solidarität und Gegenseitigkeit auch innerhalb der Wirtschaftstätigkeit und nicht nur außerhalb oder ‘nach’ dieser gelebt werden können. Der Bereich der Wirtschaft ist weder moralisch neutral noch von seinem Wesen her unmenschlich und antisozial. Er gehört zum Tun des Menschen und muss, gerade weil er menschlich ist, nach moralischen Gesichtspunkten strukturiert und institutionalisiert werden.“ (CiV 36)
33 Vgl. z.B. exemplarisch das Konzept der Diakonischen Unternehmenspolitik bei: JÄGER, Alfred: Diakonie als christliches Unternehmen : Theologische Wirtschaftsethik im Kontext diakonischer Unternehmenspolitik. 4. Aufl., Gütersloh : Gütersloher Verl.-Haus Mohn, 1993; JÄGER, Alfred: Diakonische Unternehmenspolitik : Analysen und Konzepte kirchlicher Wirtschaftsethik. Gütersloh : Gütersloher Verl.-Haus Mohn, 1992.
3. Hypothese: zentrale Bedeutung der Beziehungswirklichkeit
Für das Proprium des christlichen Krankenhauses spielt die Gestaltung der Beziehungswirklichkeit eine entscheidende Rolle. In der vorliegenden Arbeit wird die Hypothese vertreten, dass sich die Propriumsfrage an der im christlichen Krankenhaus erfahrbaren Beziehungswirklichkeit entscheidet. Im Beziehungsgeschehen zwischen Mitarbeitern, Patienten und Angehörigen muss hierbei das christliche Profil spürbar werden und bei den Menschen ankommen. Der hierbei zu Grunde liegende Ansatz der Beziehungstheologie soll in der Folge näher erläutert werden.
Der beziehungstheologische Ansatz34 knüpft in struktur-analoger Weise an die Erkenntnisse der Kommunikationswissenschaft an, die jeder Interaktion und Kommunikation