Der Ausschluss des Gattenwohls als Ehenichtigkeitsgrund. Benjamin Vogel

Der Ausschluss des Gattenwohls als Ehenichtigkeitsgrund - Benjamin Vogel


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Bestimmung

       6.1.1 Altkodikarische Sekundärzwecke?

       6.1.2 „Liebe“?

       6.1.3 Flexible Übereinkunft der Partner?

       6.1.4 Anhängig von der Kultur?

       6.2 Gegenseitige Vervollkommnung und Heiligung

       6.3 Achtung der Personenwürde

       6.4 Achtung der Rechtsgleichheit der Gatten

       6.5 Ergebnis

       7. Konkretionen

       7.1 Gewalt in der Partnerschaft

       7.1.1 Begriffsbestimmung von „Gewalt“ und „Partnergewalt“

       7.1.2 Partnergewalt und Ehenichtigkeit

       7.1.3 Partnergewalt mit Kontrollabsicht

       7.1.4 Partnergewalt und Ausschluss der Hinordnung auf das bonum coniugum

       7.2 Alleinentscheidung im Bereich der Sexualität in der Ehe

       7.2.1 Dimensionen der Sexualität und ihre Bedeutung für die Paarbeziehung

       7.2.2 Eheliche Sexualität in den Aussagen des kirchlichen Lehramtes vom CIC/1917 bis zum CIC/1983

       7.2.3 Eheliche Sexualität im CIC/1983 und ihr Zusammenhang mit dem Ausschluss des bonum coniugum

       7.3 Verweigerung der Ko-Evolution in der Ehe

       7.3.1 Ko-Evolution als „Kunst gemeinsamen Wachsens in der Partnerschaft“

       7.3.2 Verweigerung der Ko-Evolution als Ausschluss des bonum coniugum.

       7.3.3 Kollusion als pathologische Form der Ko-Evolution

       8. Ertrag für die Praxis

       8.1 Simulation und positiver Willensakt

       8.2 Der Ausschluss der Hinordnung der Ehe auf das Gattenwohl

       8.2.1 Abgrenzung zur Totalsimulation

       8.2.2 Abgrenzung zur Ehenichtigkeit wegen fehlenden Mindestwillens zur Ehe (absentia consensus)

       8.2.3 Abgrenzung zur Unfähigkeit zur Eheführung nach c. 1095, n. 3 im Zusammenhang mit dem bonum coniugum

       8.3 Beweis des Ausschlusses der Hinordnung auf das bonum coniugum

       9. Zusammenfassung und Ausblick

       9.1 Zusammenfassung

       9.2 Ausblick

      Abkürzungsverzeichnis

      Quellen- und Literaturverzeichnis

       Quellen

       Sekundärliteratur

      Stellenregister

      Gerichtsurteile

      Personenregister

      Sachregister

       1. EINLEITUNG

      „Kurzer Prozess für katholische Ehen“1. Mit dieser Schlagzeile reagierte die WELT auf die Veröffentlichung des Motu Proprio Mitis iudex Dominus Iesus, mit dem Papst Franziskus im August 2015 das Eheprozessrecht der lateinischen Kirche änderte. Erklärte Absicht des Papstes war es, das kirchliche Ehenichtigkeitsverfahren zu vereinfachen und dafür Sorge zu tragen, möglichst zügig und unkompliziert die Nichtigkeit von Ehen feststellen zu können.2 Für Christen, deren sakramentale und vollzogene Ehe gescheitert ist, stellt ein solches Verfahren nach kirchlichem Selbstverständnis nach wie vor die einzige Möglichkeit dar, für eine neue kirchlich gültige Ehe frei zu werden und so den sakramenten- und arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu entgehen, die andernfalls mit einer (nur) zivilen Wiederheirat nach Scheidung verbunden sind.3

      Änderungen des kirchlichen Eheprozessrechts sind zweifellos ein Ansatzpunkt, um das Ehenichtigkeitsverfahren für Betroffene attraktiv(er) zu machen. Vorbehalte gegenüber dem Verfahren werden dadurch möglicherweise abgebaut sowie Hemmschwellen verringert. Dies kann die Akzeptanz des Eheprozesses unter Betroffenen erhöhen. Die Erfolgsaussichten eines solchen Verfahrens werden dadurch – anders als der mehrdeutige Hinweis auf einen „kurzen Prozess“ suggerieren kann – nicht verändert. Auch ein optimal organisiertes Gerichtsverfahren führt nicht zu den von den Antragstellern erwünschten Ergebnissen, wenn es für die Nichtigerklärung der Ehe keine sachliche Grundlage gibt.

      Sollen die Erfolgsaussichten eines Ehenichtigkeitsverfahrens verbessert werden, ist bei den Gründen anzusetzen, die das kanonische Eherecht für die Nichtigerklärung einer Ehe bereithält. Insbesondere ist zu fragen, ob die kirchlichen Gerichte bislang alle Möglichkeiten berücksichtigen, die der Gesetzgeber im Codex Iuris Canonici eröffnet. Wer dieser Frage nachgeht, dessen Blick fällt auch auf einen Klagegrund, der mehr als dreißig Jahre nach der Promulgation des CIC noch ein Schattendasein fristet: der Ausschluss der Hinordnung der Ehe auf das Gattenwohl.

      Das Gattenwohl (bonum coniugum) begegnet im CIC an herausragender Stelle, in der programmatischen Norm, die das Eherecht einleitet. Dort wird der Ehebund als eine Gemeinschaft des ganzen Lebens beschrieben, die „durch ihre natürliche Eigenart auf das Wohl der Gatten und auf die Zeugung und Erziehung von Nachkommenschaft hingeordnet ist“.4 Der Begriff „Wohl der Gatten“ wurde 1983 neu in das kirchliche Gesetzbuch aufgenommen, als möglicher Anknüpfungspunkt für die Nichtigkeit von Ehen jedoch eher zögerlich wahrgenommen. 1995, mehr als zehn Jahre nach Inkrafttreten des CIC, konstatierte Norbert Lüdecke „Startschwierigkeiten“5 für den Klagegrund „Ausschluss des bonum coniugum“ und ermutigte dazu, ihn an kirchlichen Gerichten zu berücksichtigen. Weitere 20 Jahre später gibt es zwar einzelne einschlägige Urteile, von einer routinierten Anwendung kann aber längst noch keine Rede sein. Aus diesem Grund ist eine neuerliche Starthilfe angezeigt.

      Die Kirchenrechtswissenschaft hat sich unmittelbar nach der Promulgation des CIC von 1983 mit dem bonum coniugum nur sehr selten eigens befasst.6 Eine intensivere Auseinandersetzung mit der Thematik beginnt erst Mitte der 90er Jahre.7 Die Zahl der in der Folgezeit veröffentlichten Arbeiten belegt, dass das bonum coniugum stärker in den Fokus der Kanonistik rückte. Teils unter Rückgriff auf die Ehezwecklehre des CIC/1917, teils in deutlicher Abgrenzung davon wurde versucht, dieses neuartige Konzept formal einzuordnen, den Begriff inhaltlich zu konturieren und mögliche Perspektiven für ein Ehenichtigkeitsverfahren zu benennen. Nach ersten einschlägigen Urteilen der Rota Romana um das Jahr 2000 erhöhte sich die Zahl der Beiträge etwas.8 Bei den wenigen zum bonum coniugum publizierten Monographien handelt es sich um italienische oder englische Studien, darunter mehrere an den päpstlichen Universitäten in Rom erarbeitete Dissertationen.9 Sie werden jedoch bisher nicht breiter rezipiert und gehen zumeist auch nicht auf die jüngere Rechtsprechung der Rota ein.10 Diese wurde bisher allein von Giacomo Bertolini ausführlich dargestellt und erörtert.11 Der Umgang mit dem Klagegrund an den Gerichten des deutschen Sprachraums wurde bis heute noch nicht untersucht, eine deutschsprachige Monographie zum Ausschluss des Gattenwohls steht ebenfalls noch aus.12

      Die vorliegende Untersuchung möchte diesem Mangel abhelfen. Sie nimmt eine formale und inhaltliche


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