Schwimmen. Rüdiger Schneider
Vorwort
Jeder Meisterschwimmer, der Goldmedaillen bei den Olympischen Spielen oder den Weltmeisterschaften gewinnt, war zu Beginn nichts anderes als ein Schwimmanfänger. Auch er oder sie musste durch die Kapitel des Schwimmenlernens. Was zunächst als langer mühseliger Weg erscheint, kann nach Aussagen von Topathleten dennoch als Spaß und Freude beschrieben werden. In den seltensten Fällen bereuen sie ihre Entscheidung, sich dem Schwimmsport verpflichtet zu haben. Vor allem der sportliche Erfolg im Wettkampf nach harten und langen Trainingseinheiten beschreibt den Lohn, den Schwimmer und Trainer einfahren. Diese Hoffnung auf Erfolg ist sozusagen das Benzin für den täglichen Trainingsmotor. Trotzdem kann nicht jeder Goldmedaillen gewinnen, aber positive Erlebnisse, wie der Erwerb von Schwimmtechniken und deren ständige Optimierung sowie die soziale Eingebundenheit prägen das Bild des Vereinsschwimmens. Folglich lohnt es sich, das Schwimmen zu lernen, was im Verein meist mit Spaß, Freude und Wohlbefinden einhergeht. Dem Prozess des Schwimmenlernens entspringt der Kern dieses Werks, welches sich sowohl an Schwimmanfänger aller Altersklassen als auch an Schwimmathleten und Trainer richtet.
In sechs Kapiteln wird der Weg vom Anfänger zum Leistungsschwimmer beschrieben, der dem Leser beim Erlernen der Schwimmlagen behilflich sein soll und als Fernziel den schwimmsportlichen Erfolg im Blick behält. Der gesundheitliche Wert des Schwimmsports liefert zu Beginn eine Begründung, warum gerade Wasseraktivitäten förderlich für die physische und psychische Gesundheit sind. Der erste Wasserkontakt und die Ideen wie man mit ängstlichen Schwimmanfängern umgehen könnte, wird im Rahmen der Wassergewöhnung dargeboten. Desweiteren werden der Einsatz verschiedener Schwimmutensilien beschrieben, welche den Schwimmunterricht erheblich vereinfachen.
Im Anschluss an die Kapitel der Wassergewöhnung folgen die jeweiligen Schwimmlagen, die in Technik, Fehlerbilder und Methodik untergliedert sind. Auch auf die unterschiedlichen Starts und Wenden wird ausführlich eingegangen. Die ersten drei Kapitel werden dem psychologisch-pädagogischen Anspruch gerecht und sprechen daher Trainer und Eltern aller Leistungsklassen an, wohingegen die letzten drei Kapitel wissenschaftlich geprägt sind. Wer eine hohe schwimmtechnische Qualität für sich selbst oder seine Athleten beansprucht und die wissenschaftlichen Grundlagen und Erkenntnisse nicht scheut, für den ist dieses Werk genau richtig.
Würzburg, im Frühjahr 2012
Josephin Köhler und Rüdiger I. Schneider
Quellenverweise im Text sind in eckigen Klammern ausgewiesen und werden jeweils im »Verzeichnis der zitierten Quellen« im Anhang erläutert.
1 Gesundheitsaspekt des Schwimmens
Anhand dieses Kapitels sollen Möglichkeiten, aber auch Grenzen des sportlichen Schwimmens bezogen auf den gesundheitlichen Wert dargestellt werden. Folglich geht es um die Frage, wirkt sich das Schwimmen positiv auf die Gesundheit aus oder geht es mit Negativfolgen einher?
Um diese Frage eruieren zu können, bedarf es zunächst einer allgemein gültigen Definition von Gesundheit.
Die Weltgesundheitsorganisation (World Health Organisation, WHO) definiert den Begriff Gesundheit wie folgt:
»Health is a state of complete physical, mental and social well- being and not merely the absence of disease or infirmity«
(http://www.who.int/suggestions/faq/en/index.html).
Übersetzt also: »Gesundheit ist ein Zustand vollkommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht allein das Fehlen von Krankheit und Gebrechen«.
Es gilt daher zu klären, ob dieser Zustand durch schwimmerische Bewegung erlangt werden kann.
Obwohl das Schwimmen als gesundheitsorientierter Sport von Ärzten vielfach propagiert wird, muss dennoch eingeräumt werden, dass dieser Sport nicht frei von Verletzungen und anderen Risiken ist.
So wird berichtet, dass ein zu langer Aufenthalt im Wasser zu Verengung der Arterien und Erweiterung kleinster Venen führt [vgl. 342]. Pausen an Land und Abtrocknen verhindern eine Blutanstauung und somit ein Auskühlen.
Die Gefahr der Verletzung beim Schwimmen besteht weniger in der Ausführung der Sportart, als mehr in Situationen außerhalb des Beckens, bei denen das Laufen auf nassen Fließen zu Stürzen führt [vgl. 188]. Stürze, die Frakturen bis hin zum Schädel-Hirn-Trauma zur Folge haben können. Desweiteren kann eine Gefahr bei Sprüngen ins Wasser gesehen werden, da aus der Unachtsamkeit des Startenden andere Schwimmer übersehen werden und sich daraus Zusammenstöße ergeben können. Gleichzeitig birgt eine unzureichende Wassertiefe die Gefahr des Aufschlages auf dem Beckenboden, was Schädel- und Wirbelsäulenverletzungen nach sich ziehen kann [vgl. 160, 243]. Obwohl sich die häufigsten Verletzungen beim Schwimmsport außerhalb des Beckens zutragen [vgl. 355], belegen Studien dennoch, dass Verletzungen auch im leistungssportlichen Schwimmen auftreten können [vgl. 106, 153, 200, 262]. Diese gehen allerdings meist auf Überlastungsschäden zurück, die durch hartes Leistungstraining provoziert werden [vgl. 129]. Untersuchungen zeigten Verletzungen über einen Zeitraum von 15 Jahren bei Männern und Frauen für die Sportarten Schwimmen und Wasserball in folgenden Bereichen: Sprunggelenk, Arm, Genick, Gesicht, Fuß, Hand, Hüfte, Knie, Unterschenkel, Schulter und Oberschenkel [vgl. 270]. Für die Gruppe von Wettkampfschwimmern auf professionellem Niveau konnten Verletzungen am häufigsten im Bereich der Schulter und des Oberarms lokalisiert werden [vgl. 57, 253, 355], gefolgt von Knie- und Genickbeschwerden [vgl. 270]. Probleme in diesen Bereichen konnten bei Frauen signifikant öfter nachgewiesen werden. In anderen Körperregionen wurden innerhalb von 15 Jahren nur 0 bis 2,34 Verletzungen pro 100 Probanden festgestellt.
Eine weitere Studie über die Verletzungshäufigkeit bei College-Schwimmerinnen und -Schwimmern zeigte über einen Zeitraum von fünf Jahren, dass diese Athletinnen und Athleten eine durchschnittliche Belastungszahl von 4526 (bei Männern) und 4651 (bei Frauen) aufwiesen. Auf 1000 Belastungen kamen bei Männern 4,0 Verletzungen, bei Frauen 3,78 [vgl. 355].
Verletzungen, die sich an Fingern und Händen ereignen, sind meist Folge eines ungeschickten Anschlages bei Wende oder Zielanschlag. Hervorzuheben ist dabei die Rückenlage, bei der durch mangelnde Orientierung das Verletzungsrisiko beim Anschlag erhöht ist. Weitere Finger- und Handverletzungen können im aktiven Schwimmsport durch die sogenannten Wave-Killerleinen entstehen (Abb.1) [vgl. 188].
Abb.1: Wave-Killerleine
Kollisionen mit den Leinen treten vermehrt beim Rücken- oder Schmetterlingsschwimmen auf, da ersteres wie bereits erwähnt durch verminderte Orientierung geprägt ist und bei letzterem die Arme schwungvoll nach vorne geführt werden. Die Verletzungen an den Leinen treten häufiger im Training auf, wenn sich viele Schwimmer auf einer Bahn befinden und im Kreisverkehr geschwommen wird. Im Wettkampf dagegen hat der Schwimmer eine ganze Bahn zur Verfügung, obwohl auch dabei Verletzungen dieser Art nicht auszuschließen sind. Trainieren die Athleten zusammen auf einer Bahn, so ist Körperkontakt zwischen den Schwimmern keine Seltenheit. Besonders unachtsames Überholen kann zu Lid- und Orbitaverletzungen durch Tritte auf die Schwimmbrille führen, sowie zu Finger-, Mittelhand-, Arm- oder Kopfverletzungen, wenn mit Paddles geschwommen wird [vgl. 188].
Es wurde außerdem berichtet, dass bei der Verwendung von langen Schwimmflossen Ermüdungsfrakturen des Mittelfußknochens auftreten können, die mit einer Regenerationspause von mindestens fünf Wochen einhergehen [vgl. 320]. Als Ursache solcher Ermüdungsbrüche kommen einmal die langen Schwimmflossen sowie besonders hohe Trainingsumfänge in Frage.
Vielfach wurde die Problematik der »Schwimmerschulter« thematisiert [vgl. 194, 199, 200, 211, 253], welche für den Schwimmer das größte Verletzungsrisiko darstellt [vgl. 129]. Eine Fragebogenerhebung zeigte, dass von 927 befragten Athleten (Studenten- und Masterschwimmer) jeder zweite Schulterschmerzen aufwies [vgl. 293].
Für die Lagen Rückenkraul, Kraul und Schmetterling sind Schulterschmerzen weitaus häufiger (zu 92%) als bei der Brustlage [vgl. 253].
Beschwerden,