Dein Verein - Dein Wappen. Leonard Jägerskiöld Nilsson
die Eigentümer, weil sie mit dem neuen Wappen nicht einverstanden waren. Das zeigt, wie schmal der Grat ist, auf dem man sich bei der Neugestaltung eines Vereinsemblems bewegt. Einerseits gilt es, die Interessen der Fans zu wahren, die sich mit dem Wappen wie mit ihrem Club identifizieren, seine Tradition und Geschichte verinnerlicht haben. Auf der anderen Seite steht das Interesse der Eigentümer und Vereinsmanager, das Wappen als Markenemblem im globalen Wirtschaftsleben ansprechend modern, ja zukunftsweisend zu präsentieren. Während die Fans also vorrangig die Geschichte, Tradition und Identität eines Clubs bewahren wollen, geht es dem Verein vielleicht gerade um einen Neuanfang oder darum, neue Märkte erschließen zu wollen.
Als zum Beispiel Paris Saint-Germain 2011 von Qatar Sports Investments gekauft wurde, manifestierte dieser Kauf eine Veränderung der Machtverhältnisse im französischen Fußball, die auch in einem neuen Wappen zum Ausdruck gebracht wurde. Ebenso waren wirtschaftliche Gründe der entscheidende Beweggrund dafür, dass Vincent Tan, der Besitzer des Waliser Clubs Cardiff City, beschloss, das traditionelle blaue Emblem gegen ein rotes auszutauschen. Er wollte nämlich seinen Club auch auf dem asiatischen Markt etablieren – in Asien ist Rot eine Glücksfarbe. Doch damit nicht genug: Auch den traditionellen Hüttensänger ließ Tan aus dem Vereinsemblem verschwinden und ersetzte ihn durch den angeblich beliebteren walisischen Drachen.
Für viele Eigentümer bedeutender Clubs spielt der Stellenwert ihres Vereins im globalen Marktgeschehen eine entscheidende Rolle. In Nordamerika wie in Asien bieten sich ihnen heute teilweise neue Märkte mit enormem Potenzial, auf denen gilt: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Im Bestreben, sich hier zu etablieren und den Verein als Marke zu positionieren, werden die Bedürfnisse der gern am traditionell identitätstiftenden Emblem festhalten wollenden Fans meist zurückgestellt. Schon deshalb muss sich eine Betrachtung der Vereinswappen den Wurzeln eines Clubs genauso widmen wie seiner Zukunft. Und genau darum geht es mir mit diesem Buch – darum, in die Geschichte der Fußballvereine einzutauchen, um ein Bild von ihrer Entwicklung zu vermitteln und dabei in der Gesamtschau vielleicht auch aufzuzeigen, wohin die Reise im internationalen Fußballgeschäft zukünftig geht oder gehen könnte.
Das war kein einfaches Unterfangen. Wie ich bei meinen Recherchen feststellen musste, bieten die Archive vieler Clubs nur selten tiefere Einblicke in ihre Geschichte. Erstaunlicherweise hatten sehr viele Vereine nicht einmal ihre früheren Logos dokumentiert. Es kam mir so vor, als wollten sie damit einen Teil ihrer eigenen Geschichte verdrängen. Das spornte mich aber nur noch umso mehr an, dieses Buch zu schreiben …
Die Welt des internationalen Vereinsfußballs ist ein ganz eigenes Universum. Das spiegelt sich auch in den Wappen. Mit diesem Buch präsentieren wir Ihnen einen interessanten Einblick in diese Welt, zu der Giganten wie Real Madrid genauso gehören wie klassische Teams à la Tottenham Hotspur und Kultvereine wie der FC St. Pauli. Wo auch immer sich diese Vereine in der aktuellen Hierarchie des Weltfußballs gerade befinden, wenn Sie diese Zeilen lesen, eines verbindet sie alle: dass ihre Wappen eine spannende Geschichte zu erzählen haben.
HERTHA BSC
Die Zukunft gehört Berlin. Das war nicht immer so, aber im Jahr 1892 bestimmt. Denn damals wurde in der Stadt an der Spree einer der ersten reinen Fußballclubs in Deutschland gegründet. Und zwar als »Berliner Fußball Club Hertha 1892«. Einunddreißig Jahre später, am 7. August 1923, tat man sich mit dem Berliner Sport-Club zusammen und benannte den Verein um in Hertha BSC – diesen Namen behielt man auch dann bei, als sich diese beiden Vereine im Jahr 1930 wieder voneinander trennten.
Heute spielt Hertha im zweitgrößten Stadion der Bundesrepublik, dem Berliner Olympiastadion, in dem durchschnittlich 50 000 Zuschauer jedes Heimspiel verfolgen. In der Ewigen Tabelle der Bundesliga, zu deren Gründungsmitgliedern dieser größte Sportverein der Stadt gehört, belegen die Berliner Rang 12. Und doch konnten sie sich nie wirklich als echte Spitzenkraft im deutschen Fußball etablieren: Sechsmal standen sie im Finale um die Deutsche Meisterschaft, zweimal – in den Jahren 1930 und 1931 – wurden sie Deutscher Meister; in einer Zeit also, in der mit Hans Pfeifer ein prominentes Mitglied der NSDAP ihr Vereinsvorsitzender war. Die im Jahr ihres 125-jährigen Gründungsjubiläums beginnende Saison 2017/18 beendeten sie auf dem 10. Platz. In der wechselvollen Geschichte dazwischen erlebte der Verein alle Höhen und Tiefen des Fußballs: von der Rückversetzung in die Regionalliga (1965–1968) bis zum Vizemeistertitel in der 1. Liga (1974/1975) und der Teilnahme an der Champions League (1999/2000).
Heute versteht sich Hertha BSC als Haupstadtclub, der Fans aus Ost und West vereinen möchte und seine Spiele seit dem Jubiläumsjahr 2017 unter dem Motto »Die Zukunft gehört Berlin« austrägt. Auf der Homepage des Vereins veröffentlichte man dazu das folgende »Glaubensbekenntnis«: »Wir sind West, Ost und Mitte. Wir sind Haupt- und Weltstadt und lieben jeden Kiez. Bei uns kann alles und jeder das nächste große Ding werden. Wir verteidigen unsere Werte und überwinden Mauern. Unsere Erfolgskurve ist eine Achterbahn. Wir sind Berlins ältestes Start-up und erfinden uns täglich neu. Wir sind Hertha BSC. Berlin seit 1892.«
VEREIN: HERTHA, BERLINER SPORT-CLUB
SPITZNAMEN: DIE ALTE DAME, DIE BLAU-WEISSEN
GRÜNDUNGSJAHR: 1892
SPIELSTÄTTE: OLYMPIASTADION, BERLIN (74 475 PLÄTZE)
BERÜHMTE SPIELER: OTTO REHHAGEL, GÁBOR KIRÁLY, ARNE FRIEDRICH,
MICHAEL PREETZ, MARCELINHO
1. 1892–1923. Gegründet wurde der Verein ursprünglich als »Berliner Fußball Club Hertha 1892«. Fritz Lindner, einer der Initiatoren, hatte kurz zuvor auf dem Spreedampfer »Hertha« eine unvergessliche Reise unternommen; eine weitere Inspiration für die Namensgebung könnte die germanische Gottheit Nerthus gewesen sein, auf die der weiblicheVorname Hertha zurückgehen soll. Zu den Vereinsfarben Blau und Weiß wurde Fritz Lindner vom Schornstein des Spreedampfers inspiriert. Das erste Hertha-Wappen blieb bis zur Fusion mit dem Berliner Sportverein im Jahr 1923 erhalten, als Hertha Berlin seinen heutigen Namen erhielt.
2. 1933–1948. Hertha Berlins erstes historisches Wappen wurde bei der Vereinsübernahme durch den Nationalsozialisten Hans Pfeifer eingeführt. Das verwendete Emblem in Form einer Flagge repräsentierte den Verein noch drei Jahre über das Ende des Zweiten Weltkriegs hinaus.
3. 1960er-Jahre. Anfang der 1960er-Jahre entschied man sich für ein neues, viel diskutiertes Vereinswappen. Angeblich sollte es die Form einer Discokugel nachahmen, um jüngere Vereinsanhänger anzusprechen. Das Emblem wurde nur zwei Spielzeiten lang verwendet.
4. 1995–2012. Die HBSC-Flagge erscheint im Lauf der Jahre immer wieder in verschiedenen Formen. In dieser Version wurde das Wort Berlin hinzugefügt, was viele für überflüssig halten, da das B in BSC bereits für Berlin steht. Die Kritik der Fans führt im Jahr 2012 zur Abschaffung dieses Vereinsabzeichens.
5. 2012 bis heute. Unter dem Motto »Fahne pur – Fußball pur« kehrte man 2012 zur schlichten Flagge zurück, die den Verein schon früh repräsentierte. Zum 125-jährigen Jubiläum der Vereinsgründung in der Bundesligasaison 2017/18 umgab man sie noch mit einem goldenen Rahmen – als Symbol für eine (hoffentlich) goldene Zukunft.
EINTRACHT BRAUNSCHWEIG
Der am 15. Dezember 1895 als »Fußball- und Cricket-Club Eintracht Braunschweig« gegründete Verein schrieb auf eine ganz eigene Weise deutsche Fußballgeschichte: mit der Einführung der Trikotwerbung im Jahr 1973. In Frankreich, Dänemark und Österreich war eine solche