Selbsthändig. Florian Bayer
FRANKFURTER BUCHMESSE, 1949 gegründet, findet jedes Jahr im Oktober auf dem Messegelände in Frankfurt am Main statt. Sie dauert fünf Tage und ist mit über 7.000 Ausstellern und mehr als 280.000 Besuchern die größte und bedeutendste Buchmesse der Welt. Sie dient als Fachmesse in erster Linie Verlegern, Agenten, Buchhändlern, Illustratoren, Verbänden und Künstlern zur Vorstellung ihres Angebots und dem Abschluss von Geschäften.
Ist es für dich als Buchillustrator von Vorteil in Frankfurt zu sein, der Stadt der BUCHMESSE?
Die Standortfrage ist sehr interessant, ich hab mir darüber schon viele Gedanken gemacht. Eigentlich sehe ich meine Kunden nicht, aber ich bin der Meinung, dass es eine Rolle spielt, dass ich hier in Frankfurt bin. Durch die Buchmesse trifft unsere Ausstellung genau den Personenkreis, den wir ansprechen wollen und kommt dort sehr gut an. Wenn man als Zeichner etabliert ist, kann man in die Pampa ziehen, aber am Anfang bezieht man seine Kunden und die Kontakte zu Kunden aus der Region. Daher entsteht in der Pampa ein sicher nicht so interessantes Portfolio wie hier, da es sich aus provinzielleren Aufträgen zusammensetzt. Aber ich weiß es nicht genau.
Ist am Anfang vor allem wichtig, wie sich das Portfolio entwickelt?
Aus deiner Mappe ergeben sich die nächsten Jobs. Da muss man Entscheidungen treffen, die nicht immer leicht sind. Als ich hier rumsaß, endlich was arbeiten wollte und dringend Geld brauchte, war mein erstes Jobangebot die Anfrage des POM-BÄR-Zeichners, der einen Assistenten zum Kolorieren suchte. Ich wollte eigentlich zusagen, aber da war es gut, meine Kollegen im Labor um mich herum zu haben, die mich warnten: Du musst dein eigenes Zeug machen. Das, was du wirklich willst. Denn ein Auftrag wie für „Pom-Bär“ birgt zwei Gefahren: Erstens passiert es schnell, dass man aus Bequemlichkeit und Sicherheitsdenken nicht mehr aus der Sache herauskommt – der Bedarf an vielen „Pom-Bären“ war da. Und Zweitens hast du eine Mappe, voll mit diesen Bären. Da ist es klar, dass du nur noch Jobs in dem Sektor bekommen wirst. Ich hab den Auftrag abgelehnt.
DER POM-BÄR ist ein in Bärenform hergestellter Kartoffelchip und wird von Wolf Bergstrasse produziert.
Wenn man nur Kätzchen malt, braucht man es nicht bei einem Hündchen-Verlag zu probieren.
Dein Stil – und damit verbunden auch dein Portfolio – ergibt sich anfangs aus deinem Studium. Ich hätte auch gerne mal andere Sachen gemacht … Aber Kinderbücher, Drachen, Häschen, das ist das, was mir gefällt. Das muss man selber an sich feststellen. Die Kunst besteht darin, sich zu positionieren: Wenn man nur Kätzchen malt, braucht man es nicht bei einem Hündchen-Verlag zu probieren. Um den passenden zu finden, muss man sich genau fragen: Wo passe ich hin? Was mache ich gerne? Und dafür muss man den Markt genau beobachten und sich überlegen, wo man sich gerne sehen würde.
Und das ist besser, als bei allen Verlagen sein Glück zu versuchen?
Als ich das erste Mal auf der Frankfurter Buchmesse war, hatte ich meine Mappe prallvoll gefüllt mit allem was ich gezeichnet hatte und habe damit alle Verlage abgeklappert. Ich habe brutale Abfuhren erhalten. Und das ist etwas, was man bei der Sache nicht unterschätzen darf: Abfuhren beinhalten ein wahnsinniges Frustpotential. Damit muss man sehr vorsichtig umgehen.
Beim nächsten Mal habe ich es genau andersherum gemacht, die Verlage genau ausgesucht und die Mappe für jeden Verlag individuell zusammengestellt. Das kam viel besser an.
Das Zusammenstellen einer Mappe ist alles andere als leicht.
Es ist gut, seine Mappe mal Leuten zu zeigen, deren Meinung man schätzt. Der Blick von außen kann viel helfen. Und es interessiert tatsächlich niemanden, ob du Aktzeichnungen in deiner Mappe hast. Man sollte auch kein komplettes Buch in seiner Mappe haben. Vielleicht so fünf Seiten davon. Ich hatte mein Diplombuch dabei, das schied sofort aus, da es 35 Seiten hatte und deswegen nicht verlegt werden könne. Das sind so ganz komische Kriterien. Denn darum ging es mir ja gar nicht, es sollte eine Arbeitsprobe sein. Aber als das wird es gar nicht wahrgenommen, sondern es wurde nur auf seine Verlegbarkeit hin abgeklopft. Da passt dann das Cover nicht ins Programm und der Text gefällt ihnen nicht. Obwohl das alles ja nie für diesen Verlag gedacht war. Verleger sind – wie Illustratoren – ein schwieriges Völkchen. Aber man kann Schwierigkeiten umgehen, indem man eben nur auszugsweise Bilder zeigt, den Text dazu weglässt und das ganze als ein nicht fertiges Projekt deklariert. Dann sehen sie es wieder als Arbeitsprobe. Man merkt daran schon, dass man sich den Verlag genau aussuchen muss. Die können oft nicht von einem Inhalt abstrahieren, der nicht ihrer ist. Das stellt für sie gleich ein Risiko dar.
SEE INSIDE: PIRATE SHIPS Jörg Mühle, 2007 Usborne
Wie sieht deine Mappe aus?
Ich benutze einen Hefter mit Klarsichthüllen. Da passen vierzig Seiten rein, von denen ich aber nur die Hälfte zeige. Daher ist der Hefter gut, ich kann auf der Messe ständig umordnen. Meine Bilder bringe ich ins Format und drucke sie alle in DIN-A4 aus.
Eine Mappe in DIN-A4 ist recht klein?
Ja, aber auf Messen ist sie mein Favorit. Dort sieht man andere mit riesengroßen Mappen herum laufen, aber ich erlebe die Messesituation als stressig und daher ist so eine kleine Mappe sexy und cooler. Das hat so etwas Beiläufiges und man kann mit ihr besser um einen Stand herumschleichen und die richtige Situation abpassen. Das hängt eng mit dem Auftreten auf Messen zusammen. Man sieht da so viele verzweifelte Gestalten, mit viel zu viel Material, die nicht aufhören können ihre Sachen zu zeigen – ich glaube, es ist besser, eher cool, erfolgreich und ein wenig desinteressiert zu wirken. Es hilft doch auch dem Selbstwertgefühl, wie ein Profi zu wirken und sich nicht zu prostituieren.
Man sollte am Anfang einer Messe den Verleger aufsuchen, dem man seine Mappe zeigen will. Am besten ist es, einen Termin zu vereinbaren. Für Verleger ist das ja auch schwierig, die sehen den ganzen Tag lang sehr viel Mist und müssen die ganze Zeit über höflich bleiben. Moni Port und Philip Wächter, zwei meiner Kollegen hier im Labor, haben mir in meinem ersten Jahr sehr damit geholfen, dass sie den Gelberg-Verlag auf mich vorbereitet hatten. Da waren sicher fünfzig Mappen so gut wie meine, aber von mir wusste Barbara Gelberg, dass ich komme, dass ich Moni und Philip kenne und hat vielleicht dadurch meine Mappe eine Minute länger angeschaut als die anderen. So habe ich einen meiner ersten Jobs bekommen.
Der Markt funktioniert nicht rational, sondern persönlich. Daher muss man immer rührig sein und ständig Präsenz zeigen: auf Messen, bei Illustratorentreffen und so weiter.
Die KINDERBUCHMESSE IN BOLOGNA ist zum Beispiel auch sehr wichtig. Dort hast du Verlage aus allen Ländern und so konnte ich, als es dort mit den deutschen Verlagen nicht geklappt hat, den Franzosen meine Mappe zeigen. Dort stach ich plötzlich heraus, als Deutscher, der französisch spricht. Stilistisch bin ich Frankreich auch sehr nahe und so wurde ich für die interessant. Die deutschen Verlage wollen oft nicht die ersten sein, die etwas von einem Unbekannten veröffentlichen – in Frankreich ist es genau umgekehrt. Seitdem arbeite ich sehr viel mit französischen Verlagen zusammen.
DIE INTERNATIONALE KINDERBUCHMESSE BOLOGNA, die weltweit einzige internationale Kinder- und Jugendbuchmesse findet alljährlich im April in Bologna (Italien) statt. Dort treffen sich Autoren, Illustratoren, Literaturagenten, Film- und Fernsehproduzenten, Verleger und Buchhändler, um Übersetzungsrechte zu kaufen, Lizenzverträge abzuschließen und neue Talente zu entdecken. 1.300 Aussteller aus 66 Ländern treffen dort auf fast 5.000 Fachbesucher.
Illustratoren haben die Möglichkeit kostenlos auf die Messe zu kommen, wenn sie bis Ende Oktober fünf Illustrationen aus den letzten zwei Jahren einreichen. Diese müssen nicht veröffentlicht worden sein. Wenn man